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Sport: Wie lebt’s sich denn an Land?

Seit gestern Nachmittag gibt es die Schwimmerin Franziska van Almsick auch ganz offiziell nicht mehr

Berlin - Franziska van Almsick sitzt an einem schmucklosen weißen Tisch. Hinter ihr hängen blaue Plakate eines ihrer Sponsoren, vor ihr haben sich Journalisten und Kameraleute versammelt. Es ist Sonntag, 15 Uhr, Franziska van Almsick hat noch eine halbe Stunde in ihrer alten Welt. Irgendwo in der Schwimmhalle an der Landsberger Allee liegt ein Silber-Barren, 500 Gramm schwer, hochpoliert. Sobald sie ihn in der Hand hält, gibt es die Schwimmerin van Almsick nicht mehr. Sie wird offiziell verabschiedet, gegen 15 Uhr 30, ein Programmpunkt bei der deutschen Meisterschaft in Berlin. „Dann ist endgültig alles zu Ende“, sagt die 27-Jährige. „Und jetzt kommt die Nervosität hoch.“

Und ein diffuses Gefühl von Furcht und Ungewissheit. Sie tastet sich eher in ihr neues Leben. Sie taucht nicht mit viel Lust ein. Das geht nicht nach 15 Jahren Leistungssport, acht Olympiamedaillen, zwei WM- und 17 EM-Titeln. „Schwimmen war mein Leben. Da macht mir keiner etwas vor“, sagt sie. „Aber jetzt stoße ich auf ein neues Leben, und ich weiß nicht so recht, was da kommen wird.“

Sie lebt nur auf dem Papier in ihrer neuen Welt, seit den Olympischen Spielen 2004 genau gesagt. Da hatte sie ihren letzten Auftritt. Sie schlug als Fünfte über 200 Meter Freistil an, holte mit den Staffeln zwei Bronzemedaillen, danach trat sie ab, offiziell jedenfalls. Aber nie geistig. Sie spürte diese Momente, in denen sie die Vergangenheit verklärte. „Da hatte ich dann vergessen, wie ich mich gequält habe.“ Da dachte sie an ein Comeback. Nicht eine klassische Rückkehr in die Weltspitze, eher an eine Art „Abschiedstournee“ beim Kurzbahn-Weltcup. „Da wollte ich Spaß haben, aber das geht nicht. Man kann nicht bloß ins Wasser springen und dann schwimmen wie eine Hupe. Das wäre bescheuert“, sagt sie.

Aber sie braucht die Hilfe ihrer Familie und ihrer Managerin Regine Eichhorn, um wirklich hart zu bleiben. „Ich bin dankbar, dass die mir Argumente gegeben haben, dass ich nicht zurück komme.“ Eines der Argumente war die Freizeit. „Ich kann jetzt bei Geburtstagsfeiern der Familie dabei sein. Das möchte ich nicht mehr missen.“ Ein anderes Agument lautet: Man muss Platz machen für eine neue Generation. Van Almsick sagt, dass jetzt die Jungen kommen sollen.

Es klingt überzeugend, so wie sie redet. Aber man kann sich leicht vorstellen, wie sie lange gebraucht hat, bis sie diese Argumente verinnerlicht hat. Sie lebte einfach zu lange in ihrem Rhythmus. Die 27-Jährige hat nach Athen versucht, abwechselnd auszuschlafen und früh aufzustehen. Es klappte nicht. Sie wollte auch regelmäßig ins Wasser. Das klappte auch nicht. Sie joggte lieber und fuhr Fahrrad. Sie ist fast noch so durchtrainiert wie früher.

Aber das neue Leben wird nicht wirklich geheimnisvoll. Sie arbeitet an einer Kollektion von Schuhen und Taschen, das machte aber sie schon vor Athen, sie will eine Schwimmschule eröffnen, und sie hat einen randvollen Terminkalender. „Ich habe seit Athen so viele Galas besucht und mich in so viele Abendkleider gezwängt wie während meiner ganzen Karriere nicht“, sagt die 27-Jährige. Nur hat sie jetzt die Freiheit, auch mal Nein zu sagen. „Wenn ich übermorgen weg will, rufe ich meine Managerin an und sage alle Termine ab.“ Als Sportlerin konnte sie das nicht.

Und noch einen Vorteil hat die Weltrekordlerin über 200 Meter Freistil entdeckt. Einen Punkt, bei dem früher auch ihre ganzen Millionen Euro auf dem Konto nichts nützten. Die ARD hat sie bis 2008 als Fernseh-Expertin verpflichtet, „und das bedeutet“, sagt van Almsick, „dass ich jetzt schon weiß, dass ich in drei Jahren bei Olympischen Spielen bin“.

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