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En garde. Arthur Abraham (l.) boxt am Samstag gegen den WBO-Weltmeister Robert Stieglitz um dessen Gürtel. Nach drei Niederlagen könnte eine weitere das Ende von Abrahams Karriere einläuten. Foto: Photowende

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Sport: Wieder der Alte – oder nur noch alt?

Boxer Arthur Abraham greift noch mal nach dem WM-Titel – eine weitere Niederlage würde seine Karriere nicht vertragen.

Berlin - Arthur Abraham liebt das Leben – und das vielleicht noch etwas mehr als das Boxen. Zwar hat er immer betont, dass das Boxen sein Leben sei. Nur hat er nicht immer danach gelebt. Man könnte auch sagen: Er hat zu viel gelebt. Denn für Arthur Abraham, inzwischen 32 Jahre alt, waren die Verlockungen des Lebens irgendwie dazwischengekommen. Viele große Geschäfte, öffentliche Termine, teure Autos. Vor einem Jahr wurde sein Ferrari auf der Stadtautobahn von der Polizei gestoppt – mit 230 Sachen.

Eigentlich ist Arthur Abraham ein anständiger Kerl. Und im Boxen war er mal eine echte Nummer. Im Mittelgewicht knockte der Berliner reihenweise seine Gegner aus, war zwischen 2006 und 2009 ungeschlagener Weltmeister. Bis er keine Gegner mehr fand und sein Selbstvertrauen keine Grenzen mehr kannte. Vielleicht war das der Moment, als er sich dabei selbst aus den Augen verlor. Er stieg eine Gewichtklasse nach oben, ins Supermittelgewicht, gewann dort auch seinen ersten Kampf, aber ging fortan in drei Kämpfen unter. Andre Dirrell, Carl Froch und Andre Ward stießen Abraham in eine Sinnkrise. Die bösen Niederlagen waren mehr als ein Knick. Plötzlich standen seine gesamte Karriere und sein Ruf auf dem Spiel.

Ein gutes Jahr ist seitdem vergangen. Abraham, sein Trainer Ulli Wegner und sein Manager Wilfried Sauerland diskutierten übers Grundsätzliche. Abraham konnte ja nicht plötzlich das Boxen verlernt haben, nur stimmte sein Koordinatensystem nicht mehr. Noch einmal wurde Abrahams Vertrag um drei Jahre verlängert. Zwei Aufbaukämpfe folgten, die Abraham gewann, allerdings ohne Glanz und Gloria. Aber genau darum geht es für einen wie Abraham, der ganz oben war und tief gefallen ist.

Am Samstag wird er zeigen können, ob er wieder der Alte ist oder nur noch alt. In der Arena am Ostbahnhof fordert er den amtierenden WBO-Weltmeister Robert Stieglitz, 31, einen Russland-Deutschen aus Magdeburg, heraus. Der Kampf ist Abrahams „letzte Chance“.

Die ARD als übertragender Sender und Fernsehpartner des Sauerland-Stalls, der sich dieses Motto ausgedacht hat, sowie einige Medien, insbesondere der Berliner Boulevard, veranstalten seit Tagen einigen Firlefanz, um den Kampf zu pushen. Das bräuchten sie gar nicht. Die Paarung verspricht Spannung, sie könnte interessant werden und die Boxfans begeistern. „Es ist ein Kampf, der Deutschland vertritt im Boxen“, sagt Ulf Steinforth etwas ungelenk, der Manager von Titelverteidiger Stieglitz. Sein Pendant Sauerland, seit 2010 und nach Max Schmeling zweites deutsches Mitglied der Hall of Fame des Weltboxens, spricht von einem „größeren deutsch-deutschen Duell“, von einem Kampf Puncher gegen Boxer.

Naturgemäß sieht Sauerland seinen Mann, Arthur Abraham, im Vorteil. Dieser müsse allerdings jenen Biss zeigen, den er früher einmal hatte, den „wir aber beim Super-Six-Turnier schmerzlichst vermisst haben“. Insbesondere Sauerlands Reputation, Verhandlungsgeschick und Erfahrung dürfte es Abraham zu verdanken haben, nach seiner Niederlagenserie überhaupt, und dann auch noch so rasch, wieder eine WM-Titelkampfchance erhalten zu haben – noch dazu in seiner Wahlheimat Berlin.

„Was soll ich sagen“, sagt Abraham und schaut fast ein wenig verlegen zu Boden: „Für mich ist jeder Kampf eine letzte Chance.“ Er habe sich intensivst auf diesen Kampf vorbereitet und auch das Limit bringt er fast auf die Waage, auf die er am Tag vor dem Kampf nicht mehr als 76,2 Kilogramm bringen darf. Wenn er, wie gerade, am Abnehmen sei, „bin ich nicht besonders fröhlich“, erzählt Abraham. Er könnte da ganz andere Geschichten erzählen. Der ewige Kampf gegen die Pfunde war dem Boxer oft schwerer gefallen als die Kämpfe selbst. Auch deshalb war er eine Gewichtsklasse nach oben gewandert, was die Kampfesvorbereitung etwas komfortabler gestaltete.

„Abkochen muss jeder Boxer vor dem Kampf“, sagt Ulli Wegner. Der 70-Jährige ist seit 40 Jahren im Geschäft und weiß, dass beinahe jeder Athlet eine Gewichtsklasse wählt, die leicht unterhalb seines Normalgewichts liegt. Das Gewichtmachen dürfe allerdings nicht zu viel Substanz kosten. Vor allem dürfe sich ein Boxer nicht ablenken lassen von den Dingen drumherum. Oder wie es Ulli Wegner einmal formulierte: „Arthur hat 21 Berufe, nur einer davon ist Boxer.“ Er müsse sich endlich wieder auf das Wesentliche konzentrieren und angreifen.

„Wir sind in Deutschland, ich muss nicht wie in Amerika große Sprüche loslassen“, sagt Arthur Abraham und wirkt dabei gelassen. „Ich zeige im Ring, was ich kann. Dann gewinnen wir den Gürtel, und alles ist gut.“

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