zum Hauptinhalt
Unter Druck. Brock Osweiler (17) soll die Houston Texans in die nächste Play-off-Runde führen. Nach einer katastrophalen regulären Saison gilt er aber als Schwachstelle des Teams.

© USA Today Sports

Wildcard-Weekend: Brock-Schock in Houston

Der Quarterback der Texans verdient viel, spielt aber schlecht – in den NFL-Play-offs erhält er eine neue Chance.

Da mussten selbst die schweren Jungs lachen. Die 130-Kilo-Brocken von der Offensive Line. Einige hielten sich gar ihre gewaltigen Bäuche. Quarterback Brock Osweiler, der während des Spiels von den Lineman geschützt wird, hatte beim Training einen Witz erzählt und damit vor dem Play-off-Spiel gegen die Oakland Raiders (22.30 Uhr, live bei Pro Sieben Maxx) für heitere Stimmung gesorgt. Das ist in sofern überraschend, weil der Name Osweiler in Houston bisher gegenteilige Gefühle auslöst. Gefühle wie Entsetzen, Wut, oder Fassungslosigkeit. Einige waren gar geschockt. Was nicht etwa an seinen Fähigkeiten als Unterhalter liegt, sondern an den sportlichen Leistungen, die er Woche für Woche zeigte. Oder besser gesagt: nicht zeigte. Kein Quarterback in den National Football League (NFL) war weniger produktiv, in vielen relevanten Statistiken liegt der 26-Jährige auf dem letzten Platz. Und nun soll gerade er die Texans in die nächste Runde führen.

Wegen seines Gehalts muss sich Osweiler an den Besten messen lassen

Brock Osweiler gilt vielen Experten in den USA als die größte Enttäuschung der abgelaufenen Saison. Sein Quarterback-Rating, eine komplexe Zahl, die aus verschiedenen Leistungswerten berechnet wird, ist mit einem Wert von 72,2 extrem niedrig. Zum Vergleich: New Englands Tom Brady kommt auf 112,2, Atlantas Matt Ryan gar auf 117,1.

Zu Osweilers Verteidigung ließe sich sagen, dass Brady und Ryan zu den besten ihres Fachs gehören und seit Jahren herausragende Leistungen bringen. Nur muss sich Houstons Quarterback seit dieser Saison eben genau an diesen Namen messen lassen. Was das Gehalt angeht, liegt Osweiler nämlich vor Brady und knapp hinter Ryan. Vergangenen Sommer unterschrieb er wortwörtlich über Nacht einen Vierjahresvertrag, der ihm bis zu 72 Millionen US-Dollar einbringen kann. Das entspricht einem Jahresverdienst von 18 Millionen Dollar. Osweiler gehörte ganz plötzlich zu den am besten bezahlten Spielern der Liga.

Dass ihm nach seiner katastrophalen Debütsaison für die Texans Spott und Schadenfreude entgegenschlägt, hängt mit seinem Wechsel zusammen.

In einer Nacht-und-Nebel-Aktion verlies er Denver

Eigentlich hätte Osweiler den amtierenden Super-Bowl-Sieger Denver Broncos anführen sollen. So war es seit vielen Jahren geplant gewesen. Denver hatte den zwei Meter großen Modellathleten 2012 mit dem Versprechen vom College geholt, dass er erst einmal von Quarterback-Legende Peyton Manning lernen soll, um dann nach dessen Karriereende die Mannschaft übernehmen zu können. Manning trat nach dem Gewinn der Meisterschaft im Februar tatsächlich zurück, der Weg war frei für Osweiler. Nur lief dessen Vertrag gerade aus. Denver machte wie verabredet ein Angebot, ein sehr gutes sogar, die Rede ist von 45 Millionen Dollar für drei Jahre. Kurz vor der Unterschrift reiste Osweiler jedoch in einer Nacht-und-Nebel-Aktion nach Houston, um die etwas besser dotierte Offerte der Texans anzunehmen. Denver stand plötzlich ohne Spielmacher da und Osweiler hatte seinen Ruf als undankbarer Raffzahn weg. Zumal seine in Denver gezeigten Leistungen keinen Vertrag in dieser Größenordnung rechtfertigten.

Gemunkelt wird, dass Osweiler die Broncos absichtlich vor den Kopf gestoßen haben könnte, weil er sich angeblich um den Super-Bowl-Sieg betrogen fühlte. In Abwesenheit des verletzten Manning hatte er Denver durch die zweite Saisonhälfte führen dürfen, kurz vor Beginn der Play-offs setzten die Trainer aber wieder auf Manning. Osweiler dementierte diese Version, aber seine Entscheidung für die Texans warf doch zu viele Fragen auf.

Das Houston in den Play-offs steht, ist der Verteidigung zu verdanken

Anders als Denver hat Houston noch nie den Super Bowl erreicht und wird es auch in dieser Saison wohl kaum schaffen. Dass die Mannschaft überhaupt in den Play-offs steht, hat sie ihrer überragenden Verteidigung um Jadeveon Clowney zu verdanken. Keine Mannschaft ließ im Schnitt weniger Punkte des Gegners zu als die Texans (16,6). Die Offensive zählte dagegen zu den schwächsten der Liga, was viele Experten an Osweiler festmachen. Fehlende Genauigkeit, schlechte Übersicht und die Unfähigkeit, gegnerische Verteidigungen zu lesen, werden ihm attestiert. Houstons Trainer Bill O’Brien, ohnehin kein Osweiler-Fan (angeblich wurde der Quarterback gegen seinen Wunsch verpflichtet) hatte gegen Saisonende genug und setzte seinen teuren Neuzugang auf die Bank. Tom Savage sollte Houston durch die Play-offs führen, nur zog der sich kaum das er spielte eine Gehirnerschütterung zu und fällt gegen Oakland aus.

Für Brock Osweiler ist es wohl die letzte Chance, seinen Trainer zu überzeugen. „Ich will wieder Spaß haben, so wie früher als Kind“, sagte Osweiler jüngst. Den Fans in Houston ist der Spaß bei seinen Leistungen vergangen.

Zur Startseite