zum Hauptinhalt

Sport: Wilde Mischung

Nirgendwo ist die Weltspitze so umkämpft wie im Slalom

Kitzbühel. Wenn normalerweise ein Finne im alpinen Weltcupzirkus zu einer Pressekonferenz bitten würde, dann könnte der Finne wahrscheinlich mit seinem Trainer und einem Reporter in einer Besenkammer Platz nehmen – und der Reporter wäre auch nur dann anwesend, wenn es in der Besenkammer Brötchen abzuholen gäbe. Doch wenn der Finne Kalle Palander heißt, dann muss der Ort für die Pressekonferenz schon ein geräumiger Saal sein, so wie ihn das Kitzbüheler Hotel „Rössl“ zu bieten hat, und dann drängeln sich Journalisten aus allen Nationen im Raum. Sogar die Österreicher kommen dann und horchen zu, wenn Palander spricht, schließlich hat der 26-Jährige im vergangenen Jahr den Slalom in Kitzbühel gewonnen, und er glänzt auch in dieser Saison wieder im Slalom. Längst vergessen, dass er noch als Zufalls-Weltmeister gehandelt worden war, als er 1999 den WM-Titel gewonnen hatte. Palander stellt also eine Gefahr für Österreichs Slalomspezialisten dar. In Flachau zum Beispiel hat Palander Anfang Januar den Österreicher Manfred Pranger mit klarem Vorsprung auf den zweiten Platz verwiesen. Zudem hatte der Finne bereits den ersten Slalom der Saison in Park City für sich entscheiden.

Auch heute, beim Slalom auf dem Kitzbüheler Ganslernhang, gilt Palander, der am Freitag in die Tiroler Alpen reiste, zählt zum Favoritenkreis. In der Slalom-Weltcup-Wertung liegt er derzeit auf Rang fünf. Und Palander ist selbstbewusst: „Ich weiß, dass ich schnell bin“, sagt er, und: „Ich bin gekommen, um unter die Top Drei zu fahren. Und wenn ich Top Drei sage, dann meine ich den Platz ganz oben.“ Kurz vor 14 Uhr wird sich heute zeigen, ob der Mann aus Tornio im äußersten Norden Finnlands tatsächlich recht behalten hat. Genauere Vohersagen lassen sich im Herren-Slalom nicht machen. Denn in keinem anderen Alpin-Wettbewerb ist die Weltspitze so eng beieinander. Vor allem aber: Im Slalom mischen in der vorderen Gruppe viele Nationen mit.

Die Abfahrt und der Super-G entwickeln sich immer mehr zu einem Dreikampf zwischen Österreich, den USA und den Norwegern, im Slalom aber besitzt fast ein Dutzend Nationen Siegläufer. Die Italiener mischen mit Giorgio Rocca, der die Slalom-Weltcup-Wertung derzeit anführt, ebenso mit wie die Franzosen und Schweizer. Es gibt zudem den kroatischen Weltklasse-Läufer Ivica Kostelic, und die Österreicher sind natürlich sowieso mit Topleuten dabei. Sogar der Deutsche Felix Neureuther hat mittlerweile zwei Top-Ten-Platzierungen in dieser Saison erreicht. Diese Leistungsdichte sorgt für spannende Rennen und hat in den vergangenen Jahren dazu geführt, dass die Wettkämpfe von Kitzbühel, Madonna di Campiglio und vor allem der Nachtslalom in Schladming, der am Dienstag stattfindet, meist mehr Zuschauer anziehen als eine Abfahrt.

Die enorme Dichte im Slalom kann man einerseits mit den vielen Ausfällen begründen. Schließlich fädeln bei einem anspruchsvollen Kurs immer zwei bis drei Topleute ein. Andererseits hat diese Leistungsdichte natürlich auch mit den Bedingungen zu tun, die ein Slalomfahrer benötigt. Zum Slalomtraining benötigt man einen rund 500 Meter langen Hang mit einer Höhendifferenz von etwas mehr als 150 Meter – den findet Kalle Palander sogar im flachen Finnland. Zum Vergleich: Eine Abfahrtspiste ist sechsmal so lang und hat vierhundert Höhenmeter mehr. Um Abfahrt ernsthaft zu trainieren, muss man sich also ein Trainingslager in einem ausgewiesenen Skigebiet leisten – und das ist teuer. Zu teuer für kleinere Skinationen. Beliebt sind bei den Weltklasse-Abfahrern zum Beispiel die Skigebiete in Chile. Dort üben sie im Sommer. Dann sind Abfahrer auf weit mehr Betreuer angewiesen als Slalom-Spezialisten, allein schon aus Sicherheitsgründen, weil eine Abfahrtsstrecke niemals von oben bis unten einsehbar ist. Beim Slalom reicht es Palander erst mal, wenn ihm sein österreichischer Betreuer Christian Leitner auf die Beine schaut. Als kleine Trainingsgruppe sind die beiden ganz sicher flexibler, als die großen Gruppen, die im Speed-Bereich – Abfahrt, Super-G – notwendig sind. Und letztlich streiten Experten, ob die teure Materialforschung, die vor allem die Österreicher betrieben haben und noch betreiben, nötig ist. Im Slalom jedenfalls ist die Materialschlacht nicht ganz so bedeutsam wie etwa bei der Abfahrt.

Was die Spannung aber nicht verringert – im Gegenteil.

Markus Huber

Zur Startseite