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Willi Holdorf, 72, gewann 1964 den olympischen Zehnkampf. Heute arbeitet er für Adidas.

© picture alliance / dpa

Willi Holdorf im Interview: „Wir sind erfolgreicher als erwartet“

1964 in Tokio gewann Willi Holdorf Gold im Zehnkampf. Im Interview spricht er über die Olympia-Begeisterung der Briten sowie das Abschneiden und die Zukunftsaussichten für die deutschen Leichtathleten.

Alle reden von der großen Begeisterung des Publikums in London. Haben Sie so etwas schon mal erlebt?

Nein, nicht einmal in München 1972. Da war das nicht so. Es war nie ein Problem, an Karten für den Zehnkampf oder die Vorkämpfe zu kommen. Das ist schon faszinierend hier.

Entspringt der Jubel nationalem Überschwang oder Fachkenntnis?

Auf jeden Fall werden gute Leistungen sofort honoriert. Also gehe ich davon aus, dass die Zuschauer Ahnung von Leichtathletik haben. Die Briten haben schon immer gute Leichtathleten gehabt.

Wie beurteilen Sie das Abschneiden der deutschen Leichtathleten?

Ich freue mich, dass Peking 2008 endlich ausgestanden ist. Dass wir an die guten Leistungen von der WM 2009 in Berlin anknüpfen konnten. Wir sind erfolgreicher, als ich es erwartet hatte. Dass wir im Speerwerfen der Frauen zwei Medaillen holen, damit konnte man nicht rechnen. Auch Kugelstoßer David Storl hatte gute Konkurrenten. Bei jedem großen Wettkampf hat er Bestleistung abgeliefert, das hat man einfach drin, das kann man nicht lernen.

Wie beurteilen Sie die Sportler, die die Norm nicht geschafft hatten?

Dass Speerwurf-Weltmeister Matthias de Zordo seine Fehlversuche ungültig gemacht hat, war nicht in Ordnung. Wenn er sagt, dass er keine Weite unter 80 Meter in der Liste haben will, dann muss er weiter werfen. Ist ja keine Schande, wenn man nicht in Form ist. Dass der Verband die Hochspringerin Ariane Friedrich nominiert hat, war gerechtfertigt.

Welches Potenzial sehen Sie für die nächsten Jahre?

Wir haben sehr gute Nachwuchsleute. Aber in der Leichtathletik gibt es immer noch das Problem, dass der Sprung vom Junioren- in den Erwachsenenbereich zu groß ist. Da verlieren viele die Lust, hart zu trainieren, wenn sie nicht sofort Erfolg haben.

Ist es für Sprinter nicht utopisch, den Weg in die Weltspitze zu schaffen?

Dann versucht man eben, in die Staffel hineinzukommen. Da muss man zusehen, dass man bei der Europameisterschaft vorne landet, das ist für mich der Maßstab. Das war bei der letzten EM sehr gut. Das rückt die Leichtathletik wieder ein bisschen in den Vordergrund.

Woran liegt es, dass die Leichtathletik in den vergangenen Jahren so weit hinter dem Fußball zurücksteht?

Der Nachteil ist: Leichtathletik ist messbar. Wenn ein Schüler in der Schule erzählt, ich bin mit 1,98 Meter Kreismeister geworden, dann lachen alle und sagen: Der Weltrekord liegt über 2,40 Meter. Im Fußball wird man angeschossen und steht sofort in der Zeitung.

Andere Gründe gibt es nicht?

Die Jugend ist nicht mehr so leistungsbereit. Das liegt auch am Stress in der Schule. Viele fühlen sich zu Funsportarten hingezogen. Und früher haben die Eltern gesagt: Du gehst zum Sport, das ist das Beste für dich. Heute sagen die Eltern das Gegenteil. Der berufliche Erfolg spielt eine größere Rolle. Das macht es schwierig für die Zukunft der Leichtathletik.

Das Gespräch führte Erik Eggers.

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