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Sport: Willkommen zur Beerdigung

Trainer Ranieri beendet seine Zeit beim FC Chelsea mit Sarkasmus

London. Es sollte ein mit Emotionen überladener Abend der feuchten Augen und halbnackten Jubeltänze werden, doch vor dem wichtigsten Spiel der Saison hatte Trainer Claudio Ranieri keinerlei Anzeichen von Nervosität gezeigt. In seiner schicken Regenjacke hatte er vor dem Vip-Eingang an der Stamford Bridge minutenlang freundlich Autogramme geschrieben und für schöne Erinnerungsfotos posiert, und auch später, als es den überdrehten Zuschauern zu gelingen schien, seine Mannschaft zum Sieg zu brüllen, beobachtete er das dramatische Treiben auf dem Rasen scheinbar desinteressiert von der Tribüne neben einem Bodyguard.

Dann fielen zwei Tore für die wackeren Gäste aus Monaco, der Traum vom Finale für den FC Chelsea und Trainer Ranieri war vorbei. Der elegante Fußballlehrer zog sich leise zu einem Dinner mit seinem Chef Roman Abramowitsch zurück. „Roman ist zu uns in die Umkleide gekommen und hat gesagt, dass es beim nächsten Mal besser wird“, erzählte Ranieri traurig.

José Mourinho dagegen war mit dem Ergebnis zufrieden. Denn Mourinho ist der designierte Nachfolger von Ranieri beim FC Chelsea. Ja, manchmal lässt der Fußball mit sadistischer Lust in schöner Regelmäßigkeit alte Freunde und Feinde, Betrüger und Betrogene, und allerlei andere geschiedene Menschen aufeinander los. Doch ein Endspiel zwischen Ranieri und dem smarten Mourinho – derzeit beim Champions-League-Finalisten FC Porto tätig – wäre selbst für den um Pietät und gute Sitten wenig bemühten Sport eine zu perverse Konstellation gewesen. Dieses makabre Spektakel bleibt den beiden zum Glück erspart – ein kleiner, aber nur schwacher Trost für den freundlichen Italiener Ranieri, der sich so gerne mit dem Europapokal vom ungeduldigen Ölzaren verabschiedet hätte.

45 Minuten lang hatte Chelsea, angetrieben von Publikum und dem Dauerrenner Frank Lampard, tatsächlich die „beste Saisonleistung“ gezeigt, die Ranieri in der Pressekonferenz am Dienstag gefordert hatte. „Liebe Haie, willkommen zur Beerdigung“, hatte der Römer den Journalisten bei der Gelegenheit zugerufen, doch noch war Leben in ihm und seiner teuren Truppe. Unkomplizierter Angriffsfußball voller Elan und Überzeugung brachte Chance um Chance. 2:0 stand es kurz vor der Pause, das hätte gereicht, dann kam jedoch höhere Gewalt ins Spiel: Fernando Morientes’ Kopfball fiel vom Pfosten an den Arm von Hugo Ibarra, von dort an sein Schienbein und ins Tor. Die „Hand Gottes, Teil II“, erregte sich die Zeitung „Daily Mirror“ über den glücklichen Treffer des Argentiniers, der später jedoch glaubhaft versicherte, das eigene Handspiel „erst im Fernsehen“ bemerkt zu haben. Ein findiger Schreiber vom Boulevard wollte gleich wissen, ob er das Tor seinem kranken Landsmann Diego Maradona widmen wolle, der bei der WM 1986 mit dem gleichen Körperteil gegen England erfolgreich war. Ibarra verneinte höflich, der Verteidiger hatte keine Lust auf die Rolle als Staatsfeind.

Dem nach dem Wechselchaos im Hinspiel böse gescholtenen Ranieri war am Mittwoch wenig vorzuwerfen, ein Konzentrationsfehler der Abwehr hatte dem überragenden Morientes nach einer Stunde die Entscheidung ermöglicht. Nach dem 2:2 glitt das Spiel träge und uninspiriert vor sich hin; ähnlich wird sich in den nächsten zehn Tagen die tragikomische Ära Ranieri dem seit Monaten absehbaren Ende entgegenschleppen. „Zurück bleibt ein Achselzucken, ein Lächeln. Es hat nicht gereicht“, schrieb der „Guardian“ melancholisch.

Doch die Zukunft hat beim FC Chelsea längst begonnen. Am Donnerstag wurde bereits konkret über den Vertrag des designierten neuen Trainers José Mourinho verhandelt. Erst nach dem Finale am 26. Mai soll der Portugiese seinen Wechsel bekannt geben, Zweifel an seinem Engagement gibt es aber keine mehr. „Sogar die Steine wissen, dass Mourinho der neue Trainer ist“, sagte Andrea Pretti, der Berater von Chelsea-Stürmer Adrian Mutu. Ranieri bleibt die Aussicht auf eine großzügige Entschädigung und ein schaurig-schönes Wiedersehen an der Bridge – der Italiener wird im Sommer wohl beim Lokalrivalen aus Tottenham anheuern.

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