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Grusel-Peter (r.) entführte mit seinem Wunderbart die drei Punkte aus Köpenick.

© dpa

Willmanns Kolumne: Beim Barte des Neururer

Unser Kolumnist Frank Willmann war zum Saisonauftakt der Zweiten Liga beim Heimspiel des 1. FC Union gegen den VfL Bochum - und konnte sich besonders für Peter Neururers Bart begeistern.

Ich war begeistert und hatte ein wenig Höhenangst, als ich Sonntag zum ersten Mal Unions neue Haupttribüne erklomm. Wie durch ein Fußballwunder befanden sich die hilfreichen Zeitungspoeten Mathias B. und Felix N.(Namen der Redaktion bekannt) in der Nähe. Sie nahmen mich an der Hand, gemeinsam meisterten wir die Köpenicker Nordwand. Während die Bundesregierung, vermutlich im Tiergarten, heimlich gefährliche Schnappschildkröten aussetzen ließ. Um vom tagesaktuellen amerikanischen Abhörskandal abzulenken und das Wählervolk auf andere Gedanken zu bringen.

Unions Haupttribüne nenne ich ab sofort der Einfachheit halber Wolfgang-Matthies-Berg. Matthies ist der Unioner des Jahrhunderts. In den tobenden Kämpfen um die Ostberliner Stadtkrone bewahrte er in den 70ern und 80ern häufig nicht die Kontenance. Das machte ihn als Synonym des Widerstands gegen den bitterbösen BFC Dynamo unvergänglich.

Ach ja, die schönen Stadtderbys! Da Hertha für eine Saison in die Erste Liga entfleucht ist, und der BFC seit dreiundzwanzig Jahren im Spitzenfußball keine Rolle mehr spielt, muss man den Derbybegriff etwas ausdehnen und beispielsweise Energie Cottbus bemühen. Cottbus. Ehrlicher, langweiliger Fußball, öde Stadt. Genau wie der VfL Bochum. Deprizone Bochum. Dazu schwingt im Pott noch dieses Trainerfossil Peter Neururer den Krückstock. Die Zuschauer erwarteten ein 2:0 für Union und Fußball a la heißer Draht ins Jenseits. Präsident Dirk Zingler sprach vom Sehnsuchtsziel Erste Liga. Union-Trainer Uwe Neuhaus wollte sich nicht substantiell machen und vermied bisher die Verkündung eines klaren Saisonziels. Das ganze Reizpunktblabla. 

Ich schaute aufgeregt Neururers Rotzbremse von oben an. Dauersingsang von den Ultras, aber Unions brachiale Gegengerade brauchte lange, um so richtig warm zu werden. Irgendwie hatte ich das Gefühl, als ob Mannschaft und Fans sich vom Spiel gegen Celtic erholen müssten. Stadion fertig! Das Union-Volk zeigt breite Brust. Endlich richtiger Fußball im richtigen Stadion, beim richtigen Verein. Leider diktiert der Bezahlsender die Anstoßzeiten. Ich hätte das Spiel gern in der Abenddämmerung gesehen. Während im Westen die Sonne untergeht.

Union spielte Beamtenfußball. Ich schaue mir aufmerksam die Flutlichtmasten an. Jeweils ein Scheinwerfer war pro Mast eingeschaltet. Hatte man Angst, es könne möglicherweise ganz zappenduster An der Alten Försterei werden? Immer ein wenig Licht anlassen, das hält das Böse fern. Schon in der Kindheit ein probates Mittel, um Gespenster zu vertreiben. Grusel-Peter, in den 80zigern ein großer Hit. Neururers Schnauzbart soll ja über wahre Wunderkräfte verfügen. Wenn Union mittels Omegastrahlen aus der Flutlichtanlage Peter den Bart versengen wollte, muss man das im Nachhinein als Fehlentscheidung interpretieren.

Die Fans sahen in Schiedsrichter Günter Perl einen Fehlentscheider. Mir hingegen schien es, als ob selbstwachsender Strafraumklebestoff den Körper von Union-Keeper Daniel Haas zum wiederholten Mal am Hopsen hinderte. Er also nicht an den hohen Ball kam, welchen der verzweifelte Schweizer Mario Eggimann mit der Hand abwehrte. Was gibt’s noch zum Spiel berichten? Mein Reporterstift und mein Programmheft wurden mir im Presseraum schon vorm Spiel geklaut (Ich kriege euch alle!). Was wir zu DDR-Zeiten als Wehrkreiskommando der Nationalen Volksarmee hassten, heißt heute Karrierecenter der Bundeswehr und ist Eiserner Sponsor bei Union.

Ach ja: Nach dem Kick versuchte ich, Neururers schweißigen Schnauzer abzulichten. Es war verflixt. Immer wieder fingen sich Lichtquellen im Bart und brachten meine Linse fast zum Platzen. Und dann war der Wunderbart weg und nahm die Punkte mit in Grönemeyers Traumstadt.

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