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Chris de Burgh ist jetzt Ehrenspieler des 1. FC Magdeburg - weil Jürgen Sparwasser (r.) es so will.

© dpa

Willmanns Kolumne: Der 1. FC Magdeburg fingert nach den Sternen

Regionalliga-Meister, aber noch nicht aufgestiegen: Der 1. FC Magdeburg muss sich erst in zwei Duellen gegen Kickers Offenbach durchsetzen, um in der kommenden Saison drittklassig zu spielen. Beim FCM glauben sie fest daran.

Komödie in Berlin, Drama in Halberstadt. Am Sonntag holte der 1. FC Magdeburg die Meisterschaft der Regionalliga Nordost. Knapp 2000 Magdeburger stürmten nach dem Spiel bei Herthas zweiter Mannschaft Rang und Rasen und feierten friedlich ihr Team. Berlin als guter Gastgeber. Polizei und Ordner hielten sich zurück und ließen die Fans ein wenig tanzen. Das ist löblich und nicht unbedingt üblich. Parallel dazu ging der FSV Zwickau in Halberstadt unter und machte den Weg in die Aufstiegsrelegation frei. Dort trifft der FCM am 27. Mai zuerst daheim auf Kickers Offenbach. Am 31. Mai fällt beim Rückspiel in Offenbach die endgültige Entscheidung. Gegen Hertha brillierten die Bördefüchse mit gepflegtem Offensivfußball.

Das Offenbacher Sparda-Bank-Stadion bietet seit 2012 den Kickers Heimat. Es entstand auf den Ruinen des Stadions am Bieberer Berg, der einigen Freunden der Konferenzschaltung noch ein Begriff sein sollte. 2012 ging Offenbach nach diversen delikaten Kapriolen in die Insolvenz. Auch ein garstiger Staatsanwalt ließ sich samt Schergenschar blicken. Mit Insolvenzen haben Ostvereine wie der 1. FCM ebenfalls (hoffentlich heilsame) Erfahrungen gemacht. Demzufolge ist das Duell der beiden echten Traditionsvereine das Aufeinandertreffen zweier Schlawiner vor dem Fußballgott. Beide Klubs haben eine große Anhängerschaft, die für fanatische Treue und viehisches Anfeuern stehen. Ich mag Offenbach, aber den FCM ein wenig mehr. Es werden zwei heiße Herzinfarktduelle am Rande des Nervenzusammenbruchs. Ein Klub wird auf der Strecke bleiben, der andere erhobenen Hauptes in die 3. Liga einreiten.

Der 1. FC Magdeburg muss in der Aufstiegsrelegation gegen Kickers Offenbach antreten

Dort stemmt sich gerade Hansa Rostock mit aller Macht gegen den Abstieg in die Regionalliga, die für viele Fußballklubs ein entsetzliches Grab ohne Wiederkehr ist. Rostock hadert mit dem Schicksal. Gegen die Gurk`s aus Cottbus beim letzten Heimspiel verloren, hängt Hansa am seidenen Faden. Das Fegefeuer der Vorhölle lockt. Ausgerechnet die Sportfreunde der SG Dynamo Dresden dürfen am Wochenende das Zünglein an der Waage spielen, bitterer geht’s für einen aufrechten Hanseaten kaum. Mit dem Aufstieg hat keine Ostmannschaft in den Ligen zwei und drei zu tun. Rote Brause Leipzig scheitert, trotz mordsmäßig teurem Kader, in der 2. Liga an Audi Ingolstadt. Ich beantrage beim Brauseteufel Mateschitz, die ganze ranzige und komplett nutzlose Sachsenbande um Rangnick zu entlassen und den Laden mir und Lotterbube Lothar Matthäus zu übergeben. Wir machen kaputt, was uns kaputt macht. Wir stehen bereit. Los jetzt hier, her mit Krone und Zepter!

Heutzutage ist es im Osten der Fußballrepublik schon etwas besonderes, in der 3. Liga zu spielen. Dort trifft man dann vielleicht auf Werder Bremen II oder Borussia Mönchengladbach II. Diese überflüssigen Zweitmannschaften haben sich leider in ihren Ligen durchgesetzt und spielen einen weiteren Aufsteiger aus. Es ist so bitter, mir blutet das Herz. Mönchengladbach hat einen Heimzuschauerschnitt von 569 Sportfreunden, das nenne ich solides Desinteresse der fußballinteressierten Bevölkerung. Daneben sorgen diese Fabrikate durch ständig wechselnden Kader für Unruhe in der Liga. Schmeißt die zweiten Teams endlich raus, kein ehrlicher Freund des Fußballs will sie.

Die FCM-Fans beeindrucken durch verträgliche Masse und sangeskräftige Wucht

In Magdeburg zweifelt niemand am Aufstieg. Zu grandios ist der gegenwärtige Lauf des Teams, das im Herbst einen kleinen Hänger überwand, um dann die Liga von hinten aufzurollen. Besonders auswärts beeindruckt der FCM durch gnadenlosen Angriffsfußball. Insofern sollte man sich vom Resultat des ersten Spiels in Magdeburg nicht täuschen lassen. Die Stadt ist reif für den Aufstieg. Die Fans beeindrucken durch verträgliche Masse und sangeskräftige Wucht. Auch wenn ich ein wenig Angst vor Jürgen Sparwasser habe. Nein, nicht wegen einer etwaigen Wiederholung seines Sparwassertors. Er ernannte, wahrscheinlich nicht durch demokratische Fanabstimmung legitimiert, den Schlagersänger Chris de Burgh neulich zum FCM-Ehrenspieler bei Deutschlands oberster Volksmusikantin Frau Nebel. Schmusegesang und kämpferischer FCM, was für eine bizarre Verbindung. Wollt ihr Bördefüchse oder Bördeclowns sein? Wo bleibt Magdeburgs Sinn für smarte Symmetrie! Magdeburg ist harter Rock. Schickt den Schmusefinger nach Ingolstadt!

Fieber, Fieber, in den Straßen der Stadt steigt das Fieber! Das Hoffen, Warten und Sehnen muss ein Ende haben. Magdeburger Männer und Frauen hält es nachts nicht in den Betten. In großen Gruppen bellen sie den Mond an, man hört es bis nach Halle. Eine entkrampfte Bewegung der Sinnlichkeit. Es scheint, als vervielfachen sich ihre Empfindungsbereiche. Die wilde Schar der Magdeburger Jungs hat Witterung aufgenommen. Der Schaum der Träume wartet in Offenbach. Das absolute Glück, diese glitzernde Vision, dieses Bild von Helligkeit, Höhenschwung und Triumph. Im Einklang mit dem Klub. In unbegrenzter Harmonie. Sie meinen, es sei das Glück, das sie sich vorstellen. Sie meinen, ihre Fantasie sei frei. Nächste Woche formt der FCM mit einem Wimpernschlag das Fußballuniversum.

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