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Obwohl eine Demonstration der sogenannten "Hooligans gegen Salafisten" abgesagt wurde, haben vereinzelt angereiste Hooligans und Rechtsextreme sich am Alexanderplatz Auseinandersetzungen mit linken Gegendemonstranten geliefert.

© dpa

Willmanns Kolumne: Gästefazit: Nachttischlampen und dürre Weiber

Der BFC Dynamo Berlin traf im Jahnsportpark auf den 1. FC Magdeburg - und unser Kolumnist Frank Willmann war selbstverständlich dabei. Im Anschluss fand er noch den letzten Beweis, wer wirklich hinter der HoGeSa steckt.

Um es gleich vorweg zu nehmen, was Hooligans in ihrer knapp bemessenen Freizeit tun, ist ihr Ding. Der eine sammelt Briefmarken, die nächste alles über Helmut Kohl, der dritte haut seinesgleichen auf feuchten Wiesen Knöchel wund und Lippen dick. Was uns der Samstag an Erkenntnisgewinn im außerfußballerischen Bereich brachte? Das HoGeSagetöse aus dem fernen Köln hat es nicht in die Köpfe der Berliner geschafft. Beim Duell der beiden ehemaligen DDR-Größen lief alles soft über die Bühne. Die Berliner Hools sind doch nicht so doof, wie mancher im Vorfeld annahm. Sicher gehen einige von ihnen mit rechtem Gedankengut schwanger, doch ist es dieser Minderheit nicht gelungen, ihren Scheffel über den BFC zu stülpen.

Auch die für den Sonntag angekündigte Versammlung rechter Hooligans und Neonazis am Alexanderplatz kam fast ohne Fußballfans aus. Obwohl ein gewisser Steven, BFC-Fan und NPD-Sympathisant, eine Demo für 80 Personen unter dem Motto „Das deutsche Volk wehrt sich“ angemeldet hatte. Der BFC ist intern gegen das Mitglied des Fanclubs „Black Boys Dynamo“ vorgegangen, die Fanvereinigung hat sich öffentlich distanziert, ein positives Zeichen des Clubs und seines Fanbeauftragten. „Gegen das System der Salafisten & Flüchtlinge“  demonstrierten letztlich knapp 30 verwirrte Brandenburger Neonazis nebst einigen Berliner NPD-Nasen. Das war hoffentlich im Nachgang allen Hooligans der letzte Beweis, wer hinter HoGeSa wirklich steckt. 

Viertligafußball wurde selbstverständlich Samstag gespielt. Die Verdammten dieser Erde standen auf dem Rasen, also jene, die bis zum Lebensende vom ganz großen Fußball nur träumen werden. Trotzdem schaffen es selbst Resterampekicker in die Herzen der Fans. Was bleibt uns auch übrig? Wir lieben unsere ostdeutschen Clubs, und die Siege im Europapokal von gestern lassen höchstens etwas Pippiwasser auf der Wange zurück. 

Nach dem Aufstieg in die Regionalliga sagte BFC-Chef Peter Meyer in Richtung der neuen Konkurrenz, wir sind euer weinrotweißer Schatten. Daran muss noch gefeilt werden, denn Magdeburg unter Superjens Härtel entführte die Punkte in einer mittelmäßigen Partie aus dem Prenzlauer Berg. Trotzdem freuten sich mehr als viertausend Berliner und eintausend Magdeburger ihres Lebens. Viele grauhaarige Hools, bzw. Exhools saßen auf der Tribüne und wärmten ihre Geheimratsecken im goldenen Herbstlicht. Von Bannern grüßten „Alt-Hool`s im Beamtenstatus“ und „THE NEW AXIS OF EVIL“. Diese besteht aus dem BFC Dynamo, dem FC Aberdeen und GAIS Göteborg. Die Welt ist nicht mehr, was sie einmal war. GAIS hat in Göteborg viele Fans aus der Alternativszene. Ist der BFC pünktlich im hippen Prenzelberg angekommen, ohne es selbst zu wissen? Der Prenzlauer Berg war in den 80ern Stammland des BFC, unheimlich viele Jungs aus den zu jener Zeit dort ansässigen Arbeiterfamilien strömten zu Dynamos Spielen. Immerhin gab es für Kleingeld Europapokal und berüchtigte Rabauken, die den Unionern Ostberlin streitig machten. Das zog die Halbstarken aus den halb verfallenen Hinterhöfen magisch an.

Üblicherweise verliert der FCM immer dann in Berlin, wenn ich Jens vom Fanprojekt Magdeburg vorm Spiel die Hände schüttele. Am Samstag hatte sich Jens sehr gut getarnt. Trotz intensiver Suche rutschte er mir durch die Lappen. Sorry BFC, ihr habt möglicherweise wegen mir verloren.

Der Jahnsportpark liegt am Mauerpark, dem Wochenendtreffpunkt aller Berlintouristen und Prenzelbergmuttis. Vor und nach dem Spiel: Alieninvasion! Magdeburger Bördeferkel im Prenzelberg gelandet! Das bedeutet Kaffee Latte gegen Flaschenbier, Blattgold am Kinderwagen gegen Wir-sind-die-Größten-der Welt. „Nüscht als Nachttischlampen und dürre Weiber“, war somit das nachvollziehbare Fazit eines Magdeburger Fans. Trotz Feinrippunterhemd trafen etliche Szenemuttis anscheinend nicht seinen Geschmack. Und auch die für den nächsten Tag avisierte Lichtinstallation kann man schnell in den falschen Hals bekommen. Wo sich die Touristen nur am Weekend brav ums Karaokerondell versammeln, ist für den Fußballfreund das ganze Leben Ball, Schall & Rauch. Ein draller Clash der Kulturen, den in schöner Regelmäßigkeit die Neuprenzelberger und die Fußballzombies veranstalten werden. Man wird bestimmt noch viel Spaß miteinander haben. Die Polizei hielt die Fanscharen gepflegt auf Abstand, nur an den Rändern kam es zu charmanten Diskussionen zwischen Berliner und Magdeburger Wonneproppen, wer denn nun hier wieso und warum regiert. 17 Uhr alles wieder wie immer um und im Mauerpark.

Volkan Uluc, der BFC-Aufstiegstrainer stand am Samstag nicht mehr am Spielfeldrand. Warum genau? Leider nicht exakt zu verifizieren. Das schöne Wort „persönliche Befindlichkeiten“ trifft es vermutlich am ehesten. Eitelkeiten, Pferdeflüsterei und unzulängliche Kommunikation. Uluc fühlte sich von der Vereinsführung beschädigt, diese wiederum war trotz ersprießlicher Tabellensituation nicht mehr auf Ulucs Seite. In Sachen Außendarstellung ist der BFC noch nicht in der Regionalliga angekommen. Ab morgen ist Thomas Stratos taufrischer BFC-Trainer. Hinabgestiegen aus höheren Gefilden. Der ausgelegte Lockstoff muss a´ la bonne heure gewesen sein. Das ist unbedingt als Zeichen zu betrachten. Warten wir also gespannt ab, in welche Richtung sich der BFC bewegt.

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