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1. FC Magdeburg.

© dpa

Willmanns Kolumne: Magdeburg - die letzte Regionalliga-Hoffnung des Ostens

Jena, BFC Dynamo, Zwickau, Neustrelitz - das wird doch alles nichts. Uns gebeutelten Fußballzonentierchen bleibt nur der Blick ins Bördeland. Die Magdeburger haben wenigstens ein drittligataugliches Stadion.

Pünktlich und ohne Spielausfälle verabschiedete sich die Regionalliga Nordost in den Winterschlaf. Dieser gilt leider nicht für Menschen. Wenn Bär, Salamander und Weinbergschnecke wegnicken, müssen wir arme Wichte weiter im Laufrad des Lebens hampeln. Winterschlafkapsel, du alter Traum der Menschheit! Weihnachten und Silvester verpennen, selig von all den geschlagenen Schlachten träumen und präzis zum ersten Spiel 2015 aufwachen.

Freitag war ich in Dortmund. Knapp achtzigtausend emphatische Ruhrgebietler feierten Messias Klopp und einen mittelmäßigen Sieg gegen die Emporkömmlinge aus Dietmar Hopps Hobbykeller. Samstag im Jahnsportpark BFC Dynamo gegen Jena. Tausendsechshundert unbelehrbare Optimisten beim Narrenspiel. Auch ein Distelbeet kann schön sein. Wenn die spitzen Distelzacken an der Sonne lecken und uns die ewige Wiederkehr des Gleichen in Erinnerung rufen. Werden und Vergehen. Mein Jenenser Herzensclub kullert noch immer von einer Phase des Niedergangs in die nächste. Ein dürres Blatt im Pustewind der Bedeutungslosigkeit. In Thüringen die Nummer drei. Knapp vor Traktor Meuselwitz. Seit einem Jahr Stimmungsboykott der aktiven Fanszene wegen des Einstiegs eines umstrittenen belgischen Investors. Das Stadion eine Ruine. Die Kasse leer. Gevatter Tod führt die Geschäfte. Der FC Carl Zeiss Jena steht hinter Zwickau, Nordhausen und Magdeburg auf dem vierten Platz der Regionalliga. Samstag wurde er vom BFC Dynamo mörderisch verbimmst. Jenas Fußball zum weglaufen schlecht, beim BFC ohne Siegchance. Eine tiefe Depression lähmt sämtliche Muskeln des Clubs. So kann es nicht weiter gehen. Den Trainer haben wir schon gewechselt, der Neue macht es nicht besser oder schlechter als der Alte. Die Spieler sind akzeptable Regionalligakandidaten, doch Grundlegendes fehlt. Keine Phantasie, kein Plan.

Ich bin des Herumwurschtelns müde. Schelme, PhilosophInnen und Poeten des Jenaer Fußballs aufgestanden! Nur gemeinsam lässt sich eine Perspektive zaubern. Neupräsi Lutz Lindemann setzt auf Offenheit, ein netter Fußballkerl, nicht ohne Witz. Nach Jahren des mildschweinigen Fußballstalinismus sitzen dank ihm Vereinsführung und aktive Fanszene immerhin wieder am Tisch. Wenn sich der Investor einsichtig zeigt, alle Seiten aufeinander zu gehen, muss eine Übereinkunft möglich sein. Unterstützende Lektüre könnte in den fußballfreien Tagen die kürzlich erschienene Jenaer Anekdotensammlung aus der Feder des Zeissfans Matze Koch sein. Seine 111 Gründe, den FCC zu lieben, bestechen durch herausragende Recherche. Ein exzellentes Buch für die Toilette.

Und dann die Augen und Ohren auf. Wer hat im Osten zuletzt gezeigt, wie man aus wenig viel macht? Richtig, der 1. FC Union Berlin.

Union Berlin war auch ganz unten. Dann kam Visionär und Oberschlingel Zingler und gab dem Verein seine Würde zurück. Natürlich nicht allein, er hatte die richtigen Leute dabei. Die sich im Hintergrund, mit ihm als Gallionsfigur, an die Arbeit machten. Vielleicht sollte die Jenaer Vereinsführung plus Investor mal ein Praktikum in Köpenick absolvieren? In Jena wurde viel zu lange den guten alten Zeiten nachgejammert. Anstatt die grauen Zellen zu bemühen, schmollten wir ob der Ungerechtigkeit im Allgemeinen und Besonderen. Doch nur über Stätten des Grauens wie Meuselwitz, Nordhausen oder Neustrelitz führt der Weg zurück ins Fußballglück. Man muss den Grusel annehmen, analysieren und mit fußballerischen Mitteln verspeisen

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Trostlose Fußballlaberer nehmen gern den Satz „Wir brauchen Eier“ in den Mund. Ich ersetze Eier durch Willen. Der Wille erlöst, nicht das dicke, womöglich faule Ei im Mankini (http://en.wiktionary.org/wiki/mankini).

Gestern zeigte der 1. FC Magdeburg Wille. Bei Unions Nachwuchsmannschaft gewann der „ewige“ Regionalligist mit 3:2. Fast eintausend BördebewohnerInnen hatten sich anlässlich der Partie im Stadion An der Alten Försterei eingefunden. Während die Ultras vorm Stadion mit der Polizei Fangen spielten, verkürzte ihre Mannschaft den Abstand zu Zwickau und Nordhausen. Ein Polizeihubschrauber zog fröhlich seine Runden, allerhand Berliner und Magdeburger Jungvolk geisterte wie gesagt durch Köpenick. Immerhin verlegten sie ihre anstrengenden Passionsgänge nicht ins Stadion. Magdeburg hat als einzige der sogenannten ostdeutschen Spitzenmannschaften ein drittligataugliches Stadion. Letzte Saison holte ein Dorfclub aus Neustrelitz die Meisterschaft und versagte kläglich in der Relegation zu 3. Liga. Auch in dem Wissen, über kein vernünftiges Stadion zu verfügen. In Zwickau und Nordhausen sieht’s ähnlich aus. Zwickau könnte nach Tschechien ausweichen, Nordhausen gen Magdeburg oder Göttingen. Wollen wir das? Nein! Deshalb bleibt uns gebeutelten Zonentierchen nur der 1. FCM. Beim Barte von Heinz Krügel: Magdeburger geht voran! Ihr müsst nicht gleich die Größten der Welt sein, reicht schon, wenn ihr nach Jahrzehnten des Nichtstuns endlich im Nordosten zeigt, wo der Magdeburger Bötel hängt. Was dem Thüringer die Bratwurst, ist dem Magdeburger sein Bötel (= Eisbein). An dem er hängt, zu dem`s  ihn drängt. Also Vorwärts, voran, lasst meinethalben eure blauweißen Fahnen wehen. 

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