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Prost. Franz Beckenbauer kann machen, was er will. Dem Kaiser nimmt seit 1990 niemand mehr etwas übel.

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Willmanns Kolumne: Sein oder Nichtsein

Endlich geht am Freitag die Bundesliga weiter. Unserem Kolumnisten Frank Willmann brummt bereits der spielfreie Schädel. Wird Deutschland Weltmeister? Ist Union der tollste Klub der Welt? Und wann bekommt Franz Beckenbauer endlich seinen Nobelpreis?

Nabelschauromantik ade, ab Freitag rollt das Leder wieder. Endlich, stöhnen wir Ballversessenen und nehmen uns für das kommende Jahr gleich etwas Schönes vor. Wir Fans wollen gleich sein mit unseren Idolen. Loddar, Bobbele, Jogi. Die haben sich nämlich richtig viel für 2014 ins Wunschbuch notiert. Loddar hat im „Spiegel“-Interview bewiesen, dass er neuerdings mindestens bis drei zählen kann. Bobbele hat den Tennis-Serben ergattert und ist gerade noch am Dschungelcamp vorbeigeschrammt. Er hat sich vorgenommen, endlich nicht mehr das Bobbele zu sein, sondern ein ernsthafter Familienvater. Sein oder Nichtsein.

Jogi hat erklärt, vermittels diverser Umstände, mit hoher Wahrscheinlichkeit, laut Aussage diverser Fachleute, entgegen den Unkenrufen der Miesmacher und Neider: es wird zu hundert Prozent in diesem Jahr die Fußball-WM ausgetragen. Und sie wird gewonnen werden. Vom Gewinner. Der es womöglich auch verdient hat. Also nach Lage der Dinge und im glücklichsten Fall der Fälle. Na spuck es aus, stöhnt Fußballdeutschland, sag endlich, wer gewinnen will. Arrrgghhh ist das bitter. Jogi ziert sich und schüttelt sein überhaupt nicht ergrautes Haupthaar. Wie macht das dieser Teufelskerl nur? Der Traum der Menschheit, forever young. Jogi, wir sind in Deutschland. Uns Deutsche beschäftigt ein schwuler Fußballer mehr als die Dauerbespitzelung durch die NSA. Wird Deutschland endlich Weltmeister?

Kaiser Franz, der alte Kaffeesatzgucker weiß bestimmt etwas. Doch der Kaiser schweigt beharrlich. Seitdem ihm in vorweihnachtlicher Bierlaune dieser überschwängliche Spruch zu den Kameltrei…, äh ausländischen Mensch…, äh Gazpr…, äh Sklav… Ist gut Franz, du bist und bleibst unser Kaiser. Du kannst machen, was du willst, dir nimmt seit 1990 niemand mehr etwas übel. Ein Gleichnis für das ganze Kaiser-Leben. Es ist keine Rutschpartie. Manche sinken hin, andere gleiten weit voraus, andere wieder bleiben Angsterfüllt stehen. Eine genügsame, direkte Weltanschauung. Nächste Ausfahrt Nobelpreis für Fußball, singt der Chor der Kaiserfans.

Mitgliedschaft bei RB Leipzig: dauert ein halbes Jahr und kostet 200 Euro

200 Wahnsinnige folgten dem 1. FC Union nach Spanien. So sind sie, die Unioner. Sie würden ihrem Verein höchstwahrscheinlich auch ins Fegefeuer folgen. Immer noch ne Schippe drauf, wenn alle denken, mehr Liebe geht nicht. Ist es nicht schön, wenn junge und alte Menschen in unserer übersättigten Gesellschaft überhaupt noch für etwas Leidenschaft empfinden? 

Hannovers Fußballpräsi Martin Kind sägt verbissen an der „50 plus 1“-Regel, der Fußball verändert sich und die Fans der sich verändernden Klubs schauen mehr oder weniger hilflos zu. Nun will auch der HSV die Profiabteilung ausgliedern. Um an mehr Geld zu kommen. Bayern München hat es vorgemacht. Erfolgreich, werden die meisten sagen. Man kann sich einen Guardiola leisten, einen Götze und wie sie alle heißen. Sogar einen Hoeneß. Bei RB Leipzig reibt man sich die Hände. Der Klub der Brausemacher kann sich Fußball ohne quakende Fans sehr gut vorstellen. Dort muss keine Profiabteilung aus dem Verein ausgegliedert werden, da es kaum stimmberechtigte RB-Mitglieder gibt. Ein Gremium entscheidet bei RB über jede Mitgliedschaft. Das kann ein halbes Jahr dauern und kostet 200 Euro im Jahr. Alles für den Erfolg. Der (Vereins-)Führer sagt, wo es lang geht. Sein oder Nichtsein. RB ist trotzdem ein Erfolgsmodell. Die Mehrheit der Fans will einfach nur guten Fußball. Egal wie.

Parallel hauen sich Freunde der dritten Halbzeit aufs Maul

Am Wochenende trafen sich 700 kritische Fans in Berlin zum zweiten Fankongress. Die immer noch glauben, sie könnten die Entwicklungen im Fußball beeinflussen. Ein schönes Bild, offene Gesichter, vereint im Wollen. Sogar einige hochrangige Polizisten schmückten die große Diskussionsrunde zur Gewalt beim Fußball. Obgleich die Fronten zwischen Fans und Polizei verhärtet scheinen - ein erfreulicher Moment. Natürlich hauten sich parallel in der Republik Freunde der dritten Halbzeit aufs Maul. Diese Leute erreicht man mit keinem Fankongress und keinem Fanprojekt. Mit denen muss man leben. Sind auch nur Menschen. Wir sind offenbar gegen Intensivstraftäter machtlos. Wie man auch mit einigen fehlgeleiteten Polizisten leben muss. Der sympathischere der beiden Gesetzeshüter auf dem Podium des Fankongress bestritt deren Existenz nicht. Er hat selbst schon Fehleinschätzungen der Polizei im Stadion erlebt, die zu unnötigen Gewaltausbrüchen führten. Im Überschwang der Gefühle bot er Fanvertretern einen Platz bei der Nachbereitung von Fußballeinsätzen an. Es gab schon unmoralischere Offerten.

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