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Siehst du, so geht das. Becker mit Djokovic (r.) beim Training in Wimbledon.

© dpa

Wimbledon Championships: Boris Becker nimmt Novak Djokovic ins Wohlfühlzimmer

Vor ein paar Wochen war er nur einer von vielen Trainern von Novak Djokovic. Doch in Wimbledon wächst die Autorität von Boris Becker zusehends. Und der Serbe weiß die Tipps des dreifachen Champions zu schätzen.

Es war noch recht still am Freitagvormittag auf dem Trainingsgelände des Aorangi Parks. Der Bereich ist für die Fans im All England Club hermetisch abgeriegelt, hier können die Spieler ungestört vom Trubel der Anlage trainieren, ruhig und friedlich. Hin und wieder hört man das Ploppen der Tennisbälle, das ist schon alles. Umso mehr fällt es dann auf, wenn plötzlich wüstes Fluchen diese Idylle durchbricht. Novak Djokovic hatte etwas auf Serbokroatisch herausgebrüllt, es war unüberhörbar, dass er mit seiner Trainingsleistung haderte. Boris Becker stand am Rand des Platzes, nickte Djokovic kurz zu, machte eine beruhigende Geste. Mehr brauchte es nicht. Djokovic konzentrierte sich wieder, schlug weiter seine Bälle. Und Becker beobachtete. Gekleidet ganz in Weiß, wie es sich gehört. Hemd mit Pullunder, und die Hose rutschte ständig.

Boris Becker hat abgenommen, der Lebemann ist wieder ganz Profi geworden. Konzentriert wachte Becker über das Einschlagen seines Spielers, der zum zweiten Mal nach 2011 Wimbledonchampion werden will – und das mit Beckers Hilfe. Am Nachmittag lief es dann mit dem 6:4, 6:2 und 6:4-Erfolg über den Franzosen Gilles Simon nach Plan, Djokovic steht bereits in der dritten Runde. Sogar einen schmerzhaften Sturz auf die linke Schulter überstand er glimpflich.

Boris Becker ist vielleicht der berühmteste Wimbledon-Sieger aller Zeiten

Becker hat wie Djokovic sechs Grand-Slam-Titel in seiner Karriere gewonnen, der 46-Jährige ist aber wohl der berühmteste Wimbledonsieger aller Zeiten. Und das nicht nur, weil er weiterhin der jüngste Champion der Geschichte ist. Beckers Name steht beinahe schon als Synonym für Wimbledon. Er hatte diesen Ort beherrscht. Und Djokovic hofft nun auf die geheimen Tipps, die Becker dreimal dort triumphieren ließen. „Ich mag in meinem Leben nicht immer die besten Entscheidungen getroffen haben“, sagt Becker, „aber von Tennis verstehe ich mehr, als die meisten Menschen. Ob als Spieler, Trainer, Manager oder Kommentator – ich kenne alle Blickwinkel.“ Und mehr noch kennt Becker jeden Zentimeter hinter diesen Klubmauern an der Londoner Church Road. Und in diesen Tagen wirkt Becker auf einmal wieder wie der Herr in seinem Wohnzimmer. Wie ein unumstößliches Monument, vor dem andere ehrfürchtig einen Schritt zurück weichen. Kaum zu glauben, nach all den Peinlichkeiten und Demütigungen, mit denen Becker im vergangenen Herbst sogar seine treuesten Fans vergrault hatte.

In Wimbledon ist der Deutsche Cheftrainer von Novak Djokovic

In den jüngsten Jahren, als Becker im Dienste des britischen Senders BBC regelmäßig für ein horrendes Salär in Wimbledon Spiele mit mehr oder weniger fundierter Kenntnis über Spieler jenseits der Top 30 kommentierte, verblasste die Aura von einst. Die Briten himmelten ihn zwar immer noch als Tennis-Legende an, doch inzwischen amüsierten sie sich mehr über seine mitunter flapsigen Bemerkungen als TV-Experte. Doch nun, an der Seite von Djokovic, durchdringt Becker an diesem Ort wieder jene Aura, die ihm Bewunderung und bei seinen Gegnern Respekt und Schrecken gleichermaßen eingebracht hatte. Und Becker ist der Alleinherrscher, denn Marian Vajda fehlt in London. Zuletzt in Paris schien Djokovic’ langjähriger Coach klar in der Führungsrolle, doch in Wimbledon ist es Becker, der alles in der Hand hat: Er bucht täglich die Trainingscourts, verabredet sich mit den jeweiligen Trainingspartnern, organisiert, plant, kümmert sich um jedes Detail – die Arbeit eines Coaches eben. Bisher hatte man Becker stets unterstellt, er wäre für diese schlichteren Tätigkeiten nicht zuständig. Doch hier ist er präsenter denn je und dabei doch der Ruhepol im Hintergrund.

Während der Trainingseinheiten gibt Becker nur gedämpfte, kurze Hinweise, am Ende folgt noch auf dem Platz die gemeinsame Analyse. Und Djokovic hört aufmerksam zu. „Wir fühlen uns inzwischen sehr wohl miteinander“, sagt der serbische Weltranglistenzweite, „und wir haben uns jetzt viel besser kennen gelernt. Die Chemie stimmt.“ Das ist sichtbar. Becker beruhigt den Perfektionisten, redet ihn stark. Er baut ihn auf, denn vor Turnierstart schmerzte das Handgelenk des Serben wieder. Sie wirken wie eine verschworene Einheit. Zwei Champions unter sich, auf einer Ebene. „Wir sind beide sehr emotional“, sagt Becker, „aber nervös bin ich nie.“ Er ist es nie gewesen, nicht in seinem Wohnzimmer.

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