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Wimbledon: Mit königlicher Genehmigung

Die Briten träumen von einem Wimbledon-Sieg ihres Landsmannes Andy Murray, sogar die Queen hat ihm Glück gewünscht.

Schon als Andy Murray am Samstag den Centre-Court betrat, sprangen die 15 000 Zuschauer von ihren Plätzen auf, sie klatschten und johlten, einige riefen: „Andy, we love you!“ Vor der Videowand am Henman Hill gab es kein Fleckchen Platz zum Stehen mehr, der Jubel brandete bis hinüber ins Stadion. Und Murray bedankte sich artig. Wer hätte geglaubt, dass die Briten diesen jungen Schotten in ihr Herz schließen würden. Er hatte es ihnen nicht leicht gemacht, noch vor drei Jahren verärgerte Murray sie bei der Fußball-WM mit derben Sprüchen wie: „Ich drücke jedem Team die Daumen, das England schlägt.“ Als er vor einem Jahr in der dritten Runde von Wimbledon gegen Thomas Haas spielte, waren die Ränge halbleer und die Unterstützung für ihn eher mangelnden Alternativen geschuldet. Den Liebling Tim Henman vermochte Murray nicht zu ersetzen. Wann eigentlich ist die Duldung in echte Zuneigung umgeschlagen?

Vielleicht passierte es eine Runde nach dem Spiel gegen Haas, als Murray das dramatische Match gegen den Franzosen Richard Gasquet noch drehte und danach im Blitzlichtgewitter seinen enormen Bizeps im Superman-Stil präsentierte. Oder vielleicht, als er nun als erster Brite in der Open Era den Titel im Londoner Queen’s Club gewann. Vielleicht aber lag es auch schlicht daran, dass er seine Lockenmähne stutzte, seine großspurigen Äußerungen zügelte und sich ein Retro-Shirt von Fred Perry überzog, um diesen nach 73 Jahren als nächsten britischen Wimbledon-Sieger zu beerben. Inzwischen hat er dasselbe Management wie David Beckham. Es war wohl von allem ein bisschen, doch der Brief von Queen Elisabeth, den sie vor dem Turnier an Murray schickte, hat sicher den letzten Anstoß gegeben.

„So einen Brief bekommt man nicht jeden Tag“, sagte Murray stolz. „Sie hat geschrieben: Gut gemacht in Queen’s und viel Glück in Wimbledon.“ Es wirkte, wie ein vorgezogener Ritterschlag. Und mehr noch, die Königin wird zum Finale erwartet, sollte es Murray so weit schaffen. Die Queen habe am 5. Juli keine offiziellen Termine, ließ das Königshaus verlauten, was einer inoffiziellen Bestätigung gleichkam. Seit dem Sieg von Virginia Wade im Jahr 1977 war das Staatsoberhaupt nicht mehr im All England Lawn Tennis Club.

Das königliche Vertrauen ehrt Murray, doch es erhöht auch den Druck, obwohl das eigentlich kaum mehr möglich scheint. Die Erwartungen und Hoffnungen einer ganzen Nation lasten auf den Schultern des 22-Jährigen, umso beeindruckender ist, wie Murray diesem bisher standgehalten hat. Anstatt einzuknicken, wird der Weltranglistendritte von Runde zu Runde stärker. Seine Drittrundenpartie gegen Viktor Troicki war Murrays beste Leistung bisher, es wurde eine blamable Lehrstunde für den talentierten Serben. Nach der Absage von Titelverteidiger Rafael Nadal wird von Murray nichts weniger als der Einzug ins Finale erwartet. Inzwischen scheint das nicht mehr unrealistisch. „Ich würde mir für die erste Woche eine Eins geben“, sagte Murray selbstbewusst über seine Leistung, „aber ich werde das beste Tennis meines Lebens spielen müssen, wenn ich hier den Titel gewinnen will.“

Dass Murray in den letzten Monaten akribisch an seinem Spiel gearbeitet hat, zahlt sich nun aus. Besonders sein Aufschlag wurde weitaus gefährlicher. Gegen Ernests Gulbis ließ Murray nur einen einzigen Punkt bei eigenem Service zu. Er scheint gerüstet zu sein für den Weg ins Finale, so weit hat es Tim Henman nie gebracht. An ihn hatte die Queen vielleicht nicht genug geglaubt.

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