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Sport: Wimbledon: Stechmücke mit Instinkt

Wäre Andy Roddick Boxer geworden, so würde er von der Fachwelt wohl als neuer Muhammad Ali bezeichnet werden. Der 18-jährige aus Boca Raton, USA, begeisterte am Centre Court, schlug Johansson Ball um Ball um die Ohren, tanzte seinen Gegner aus.

Wäre Andy Roddick Boxer geworden, so würde er von der Fachwelt wohl als neuer Muhammad Ali bezeichnet werden. Der 18-jährige aus Boca Raton, USA, begeisterte am Centre Court, schlug Johansson Ball um Ball um die Ohren, tanzte seinen Gegner aus. Von neun Turnieren hat Roddick in diesem Jahr, seinem ersten auf der ATP-Tour, zwei gewonnen. Seine Matchbilanz steht bei 24:7. Bereits bei seinem zweiten Gras-Auftritt in Nottingham hatte er das Semifinale erreicht.

Roddick ist jener Typ, nach dem sich der Tennis-Zirkus so lange gesehnt hat. Er ist keiner dieser Dosedels und Schüttlers, die nicht einmal ihre engsten Verwandten interessieren. Nein, Roddick ist ein junger Mann mit Emotionen, Kampfeslust und Showtalent. Hektisch wie eine Stechmücke, die Blut gerochen hat, hastet er über den Platz. Der Aufschlag ist sein Element, 220 Kilometer pro Stunde sind die Norm. Seine Vorhand zieht er öfter mit einem lauten Schrei voll durch, und auch Roddicks Rückhand kann sich sehen lassen.

Seine Eltern Blanche und Jerry hatten es ihrem talentierten Jungen erlaubt, in ihrer Garage herumzuballern. Das alles ist noch nicht so lange her. Vor ein paar Monaten wurde Andy Roddick in Miami von einem Ordner gefragt, auf welchem Platz er denn Balljunge sei. Zwei Stunden später hatte er Pete Sampras deklassiert. "Ich bin ein Instinkt-Spieler", sagt Roddick über Roddick, "wenn ich auf dem Platz stehe, gibt es kein Nachdenken." Gegen Johansson stand er also, schmiss den Schläger, und das britische Publikum war not amused. "Das gehört zu meinem Spiel dazu. Ich will mich nicht verstellen müssen."

Wäre sein nächster Gegner, Goran Ivanisevic, Boxer geworden, so würde dieser von der Fachwelt wohl als der nimmer müde George Foreman bezeichnet werden. Der Kroate, der sich nicht mehr daran erinnern kann, wann er zuletzt ohne Schmerzen aufgeschlagen hat, ist in Wimbledon wieder da. Der dreifache Finalist, dem die Veranstalter ob dieser Verdienste eine Wildcard schenkten, ist sogar doppelt in der dritten Runde vertreten. "Der andere Goran, mit dem ich immer rede, wenn ich allein bin, ist auch in London, und das stimmt mich zuversichtlich. In den letzten Jahren war er immer irgendwo, nur nicht bei mir." Ob er Angst habe vor Andy Roddick, der sich heute vor ihm aufbauen wird? "Ich habe vor niemandem Angst. Wenn ich mein Spiel spiele, kann ich gegen jeden gewinnen. Wenn nicht, dann nicht einmal gegen eine Frau."

Ein bisschen Respekt vor Roddick wäre allerdings schon angebracht. Nicht nur sein Coach Tarik Benhabiles sagt dem 18-Jährigen eine große Zukunft voraus. "Wenn er weiter so hart an sich arbeitet, wird er spätestens in zwei Jahren jedes Match gewinnen und die souveränste Nummer eins der Welt sein." Irgendwie beunruhigend, dieses Zitat ist zwei Jahre alt.

Erich Schäfer

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