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Sport: WIMBLEDON-TURNIER WIEDER VOM REGEN GESTÖRT: Andre Agassi rastete förmlich aus

LONDON .Alle Beschwörungen haben nichts genutzt.

LONDON .Alle Beschwörungen haben nichts genutzt."Wir können nur hoffen, daß nach dem schlechten Wetter des letzten Jahres diesmal unser Programm mit Sonnenschein gesegnet sein wird", hatte sich John A.H.Curry, der Vorsitzende im Komitee der 112.All England Championships, in seinem Grußwort gewünscht.Wimbledon ohne Regen? Das gab es erst fünfmal seit 1922, seit das bedeutendste Tennisturnier der Welt zwischen Somerset und Church Road stattfindet.1997 hatten die Wetterkapriolen zwei Turniertage völlig ins Wasser fallen lassen; sehr zum Unwillen der traditionsbewußten und honorigen Herrschaften des All England Lawn Tennis & Croquet Clubs mußte gar zum zweitenmal in der Geschichte am "Middle Sunday" gespielt werden.So schlimm ist es zwar diesmal noch nicht gekommen, aber wie schon am Dienstag führten auch gestern Regenschauer zu stundenlangen Verzögerungen.

Im Regen standen somit bis zum Redaktionsschluß dieser Ausgabe auch Andre Agassi und sein deutscher Gegenspieler Thomas Haas.Dem US-Amerikaner stand das Wasser sogar bis zum Hals, und der 28jährige schäumte, dies allerdings aus anderen Gründen.Sein acht Jahre jüngerer Kontrahent hatte beim Abbruch wegen Dunkelheit am Mittwoch abend überraschend mit 2:1 Sätzen (4:6, 6:1, 7:6) geführt.Wobei eine Fehlentscheidung zu seinen Ungunsten den Wimbledonsieger von 1992 beinahe aus der Fassung gebracht hätte.Im Tie-Break führte Haas 5:3, als ein Passierball von ihm eindeutig im Aus landete.Doch im schummerigen Licht blieb die Linienrichterin still, kein "Out!" Der schottische Stuhlschiedsrichter John Frame überstimmte sie nicht, Andre Agassi rastete aus: "Das war die schlechteste Entscheidung, die ich in zwölf Jahren erlebt habe." Trotzdem hatte Agassi noch die Gelegenheit, diesen Satz zu drehen, aber einen unplazierten Volley des Amerikaners nutzte Haas entschlossen zum Passierschlag und Satzgewinn.

Die Führung war natürlich nicht das Ergebnis dieses einen Balles.Andre Agassi, der in diesem Jahr mit Turniersiegen in San Jose und Scottsdale sowie weiteren Finalteilnahmen in Key Biscayne und München auf dem Weg zu alter Stärke schien, ist weit von seiner Bestform entfernt.Nie fand er die richtige Länge in seinen Schlägen, nicht einmal in seinen Aufschlägen, die oft einen Meter hinter der T-Linie aufschlugen.Vielleicht hat er auch Haas nicht ernst genommen, denn beim einzigen Aufeinandertreffen der beiden im Halbfinale von Scottsdale unterlag der gebürtige Hamburger 2:6, 1:6.Zudem macht jener kein Hehl daraus, daß von allen Belägen ihm Rasen der unangenehmste ist.

Diesen Eindruck hatte man gegen Agassi jedoch nur zu Beginn, als Haas vor lauter Nervosität gleich zweimal sein Aufschlagspiel abgab.Er blieb aber konzentriert und fand noch in diesem Durchgang zu seinem Spiel, nahm dem nachlassenden Amerikaner einmal dessen Service ab und hatte von nun an offensichtlich seinen Respekt abgelegt.Mutig attackierte Haas von der Grundlinie.Eindeutig dominierte der 20jährige deutsche Daviscupspieler im zweiten Satz.Im dritten verlor er erneut ein Aufschlagspiel zum 0:2, kämpfte jedoch verbissen und ärgerte Agassi ein ums andere Mal mit plazierten Lobs.Im fünften Spiel schließlich wurde der Einsatz belohnt - einen weiteren hohen Abwehrschlag von Haas prügelte der Amerikaner ins Netz.Danach produzierte er einen Doppelfehler, und Haas war beim 2:3 wieder im Match.Auch er mußte kurz darauf eine Fehlentscheidung hinnehmen, bei einer Breakchance zum 4:3.Dieselbe Linienrichterin, die ihm später half, gab hier einen guten Ball des Deutschen aus.Es spricht für das gewachsene Selbstbewußtsein von Thomas Haas, daß er den Satz dennoch gewann.Agassi, der Haas aus gemeinsamen Zeiten bei Trainer Nick Bollettieri in Florida kennt, sollte wissen, daß man den Deutschen nicht so ins Spiel kommen lassen darf.

DIETMAR WENCK

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