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Abendstund hat Silber im Mund. Arnd Peiffer ließ sich in Oberhof auch nicht von Nacht und Nebel irritieren.

© dapd

Wintersport: Biathlon: Neue Männer hat das Land

Biathlet Arnd Peiffer überrascht mit seinem zweiten Platz in Oberhof selbst die erfolgsverwöhnten Frauen. Peiffer sicherte sich damit auch das Ticket für die Weltmeisterschaft in Russland.

Von Katrin Schulze

Die Geschichte seines ersten Einsatzes muss Arnd Peiffer immer noch oft erzählen. Ziemlich genau zwei Jahren ist es her, dass er seinem Kumpel Christoph Stephan beim Fußballspielen nach einem Zusammenstoß das Nasenbein brach - und für ihn in die Staffel rückte. Vor 20 000 Zuschauern absolvierte der junge Ersatzläufer Arnd Peiffer damals ein souveränes Rennen, mit dem er sich für weitere Weltcupeinsätze empfiehl. Zwei Jahre später kehrte ein erwachsenerer Mann Arnd Peiffer an den Ort seiner Biathlon-Fügung zurück – und lief sich diesmal ganz alleine in den Vordergrund. Im Sprint belegte der 23-Jährige am Freitagabend in 26:06.4 Minuten hinter dem Norweger Tarjei Boe (25:49.7) den zweiten Platz. Dritter wurde Michal Slesingr aus Tschechien. „In Oberhof fühle ich mich eigentlich immer sehr gut“, sagte Peiffer vielleicht auch im Hinblick auf die Vergangenheit.

Mittlerweile können Stephan und Peiffer über den Vorfall des Jahres 2009 schmunzeln, auch wenn Peiffer die Sache immer noch leid tut. Wie gut die beiden miteinander können, bewies eine Szene beim gestrigen Wettkampf. Nachdem Peiffer beim Stehendschießen unter widrigen Begegnungen nur einmal danebengezielt hatte, sprang sein ein Jahre älterer Freund, der noch auf seinen Start wartete, vor Freude ein paar Mal hintereinander in die Oberhofer Luft. Womöglich freute sich Stephan für seinen Kumpanen besonders ausgiebig, weil sich Erfolge der deutschen Männer zu einer Art Rarität im Weltcup entwickelt haben. In der jüngeren Vergangenheit mussten sie sich all zu oft mit weniger guten Platzierungen begnügen, „nicht optimal lief es vor allem vor Weihnachten“, sagte Peiffer. Das ist die harmlose Variante.

Christoph Stephan würde sagen, die Biathleten sind zuletzt ziemlich „rumgegurkt“. Rumgurken ist eine vage Beschreibung für die Tatsache, dass die Männer ihren eigenen Erfolgen und Ansprüchen seit nunmehr fast fünf Jahren hinterherspurten. Von „unbefriedigenden Ergebnissen“ hat Männer-Trainer Mark Kirchner gesprochen, von „Leistungen, die nicht unseren Vorstellungen entsprechen“ der Chefcoach Uwe Müssiggang. Während die Frauen reihenweise vorne gelandet sind, haben die männlichen Kollegen sich oft versteckt; manchmal drohten sie sogar im großen Feld der Biathleten unterzugehen. Aus Vancouver von den Olympischen Spielen des Jahres 2010 fuhren sie anders als die Frauen gar ohne eine einzige Medaille nach Hause.

Im Januar 2011 befindet Peiffer, dass seine Mannschaft erstmal „alle Kritiker verstummen lässt“. Nun wäre es nach dem Staffelerfolg der Biathleten am Mittwoch, dem ersten seit mehr als vier Jahren, und Peiffers zweiten Platz im Sprint sicherlich verfrüht, von wiedererstarkten Männern zu sprechen. Erst recht, da allen anderen deutschen Starter gestern Platzierungen unter den Top Ten verpassten. Dennoch sieht Peiffer in den jüngsten Erfolgen zumindest ein Signal. „Wir haben uns ein bisschen Selbstbewusstsein zurückgeholt und können die nächsten Aufgaben nun lockerer angehen“, sagt er.

Wie schnell sich die Dinge im Biathlon ändern können, zeigten Peiffers weibliche Kollegen. Gerade noch hatten sie beim Weltcup in Hochfilzen die Staffel gewonnen, nun landeten sie in Oberhof nach miserablen Schießergebnissen nur auf Platz sechs – so schlecht war ein deutsches Frauenquartett fünf Jahre lange nicht mehr. Eine sichtlich verdutzte Magdalena Neuner analysierte nach ihrem Rennen, dass es „die Männer schlicht umgekehrt zu uns gemacht haben“.

Tatsächlich herrscht in Oberhof aus deutscher Sicht derzeit so etwas wie verdrehte Biathlon-Welt. Und das Wetter dreht daran fleißig mit. Schon am Mittwoch, als die Männer in die Staffel starteten, verursachten Wind und widrige Verhältnisse unverhältnismäßig verrückte 100 Strafrunden und mehr als 350 Nachlader. Am Donnerstag dann peitschte der Wind noch heftiger, es regnete in Strömen, und die beinahe 20 000 Zuschauer am Grenzadler erkannten wegen des tiefen Nebels nur noch ungefähre Konturen der Athletinnen. Statt eines vernünftigen Wettkampfs sei das eher „Kampf und Krampf“ gewesen, befand Neuner.

Den Männern erging es am Freitag nicht wesentlich besser. Ganz im Gegenteil. Als „ganz schön düster“ empfand Chefcoach Müssiggang die Mischung aus Dunkelheit, Nieselregen und Nebel. Und auch Arnd Peiffer, der als vierter Starter ins Rennen gegangen war, hatte nach seinem Zieleinlauf nur noch eine Sorge: „Ich habe die ganzes Zeit gehofft, dass das Rennen nicht abgebrochen wird.“

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