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Wintersport: Bobfahren in der Halle

Wie Kanada zur besten Wintersportnation der Welt aufsteigen will: 2010 in Vancouver – oder später.

Die Beleuchtung macht nicht viel her. Ein paar Lampen beleuchten fahl den festgetretenen Schnee auf dem Weg in eine Halle. Und auch die lang gezogene Arena mit der gläsernen Eingangstür, zu welcher dieser Weg führt, ist von einiger Tristesse. Dabei ist diese Halle etwas Besonderes. Sie ist die Herzkammer des Olympic Parks in Calgary, Kanada.

Hinter der gläsernen Tür, die langsam ins Schloss fällt, steht Michael Watson. Er ist ein älterer Mann mit grauen Haaren. Unauffällig mit unauffälliger Stimme. Sie nimmt der Botschaft das Pathos. Watson verkündet: „Unsere Vision ist es, Kanada zur Wintersportnation Nummer eins der Welt zu machen.“ Er fühlt sich mitverantwortlich für diesen Plan. Michael Watson ist Kommunikationsdirektor des Olympic Central Parks.

Medaillenschmiede könnte man auch sagen. Zwölf Wintersportarten haben hier ihr Trainingszentrum, in diesem riesigen Komplex am Stadtrand von Calgary. Den Komplex gibt es schon mehr als 20 Jahre, er wurde gebaut für die Olympischen Winterspiele 1988 in Calgary. Aber er wurde und wird auf ein neues Niveau gehoben, es geht schließlich um die ganz großen Werte. Prestige, Geld und ein Maximum an Medaillen. 2010 finden die Olympischen Winterspiele in Vancouver statt. Kanada bereitet sich hochprofessionell auf diese Spiele im eigenen Land vor. Und diese Halle im Olympic Parc ist ein bedeutender Punkt in dem Konzept.

„Ice House“ nennen sie den Bau in Calgary. Eis ist hier die entscheidende Grundlage. Im „Ice House“ trainieren Rodler, Bob- und Skeletonfahrer. Sie kommen aus der ganzen Welt. „Deutsche Bobfahrer und Rodler sind jedes Jahr hier“, sagt Watson stolz. Diese Halle ist einzigartig, nur hier liegt dauerhaft von April bis November Eis auf Bob- und Skeletonbahnen. Gut, es sind keine Originalbahnen natürlich, nur die Startrampen und ein, zwei Kurven. Die Halle kann keine komplette Bahn ersetzen, soll sie auch gar nicht. Die Sportler sollen möglichst professionell Starts einstudieren können. Und das ist nur auf Eis möglich. Wer das nicht zur Verfügung hat, wenn die Sonne vom Himmel brennt, der muss Rollen unter seinen Bob schrauben.

2001 wurde das „Ice House“ errichtet, es kostete eine Million Dollar, und es hat Kanadas Wintersport noch erfolgreicher gemacht. „Kanada hat in den vergangenen Jahren die Zahl seiner Medaillen bei Olympischen Spielen und Weltmeisterschaften erheblich vergrößert“, erzählt Watson. Bei den Winterspielen in Turin 2006 hat Kanada in der Medaillenwertung den fünften Platz belegt, mit sieben Gold-, zehn Silber- und sieben Bronzemedaillen. An der Hallenwand sind die Medaillengewinner aufgeführt, viele davon Skeletonfahrer. Duff Gibson zum Beispiel, 2004 Weltmeister. Auch Pierre Lueders, schon 1998 Olympiasieger im Zweierbob, nutzte die Vorteile der Halle. Bei den Olympischen Spielen 2006 in Turin gewann er im Zweierbob Silber. Schneller war nur der Deutsche André Lange.

In der Halle sind jetzt die Bahnen als Betonkunstwerke zu sehen. Es ist Winter, es muss kein Eis auf dem Untergrund liegen. Und so wirkt die Halle noch funktionaler als sonst. Ganz am Rand einer riesigen Fensterfront liegt die Startrampe der Skeletonfahrer, daneben die Anlagen für Bobfahrer und Rodler.

Nicht weit vom „Ice House“ entfernt, im Olympischen Museum, liegt ein voluminöser Hochglanzprospekt. Hier ist mit vielen Zahlen, Bildern und Computermodellen die nächste Stufe der Vision dargestellt. Im Olympic Parc entsteht ein weiterer Sportkomplex, um einiges größer als das „Ice House“. Vier Eishockeyhallen, eine Halle mit Fußballfeld sowie überdachte Tennisplätze. Hier können auch Eiskunstläufer trainieren. Drei Eishockeyfelder haben nordamerikanisches Maß, das vierte hat internationales Maß, es ist damit größer. Diese Hallen sind speziell für die Nachwuchsarbeit gedacht, aber auch Schulen können hier trainieren. Das gehört zur Vision: Kinder und Jugendliche noch stärker an den Wintersport heranführen, und aus dem Kreis der Talente die Besten an die Leistungsspitze zu hieven. Zum neuen Komplex gehört eine nationale Sportschule und Appartements für Sportler. „Es ist der größte Ausbau in der Geschichte des kanadischen Sports“, sagt Watson. Der Komplex soll 2011 fertig sein, zu spät für die Spiele in Vancouver. Aber Watson stört das nicht sonderlich, der kanadische Wintersport liegt im Plan.

Die Biathleten trainieren intensiv im Canmore Nordic Center, eine Stunde von Calgary entfernt, auf der gleichen Anlage, wo 1988 die olympischen Biathlon-Wettbewerbe ausgetragen wurden. Als Trainingszentrum wurde die Anlage schon 1989 gebaut, aber erst 2004 hievte man die Anlage auf internationalen Standard. Ron Henderson ist ein untersetzter Mann mit schwarzem Schnauzbart. 1988 war er in Canmore Operations Manager bei den Olympischen Spielen, jetzt leitet er das Center. „Wir wollen in Zukunft einen Biathlon-Weltcup ausrichten“, sagt er. Der Ski-Weltverband Fis wolle mehrere Weltcup-Rennen nach Kanada bringen, einen Langlauf-Weltcup wollen sie in Canmore gleich mitausrichten. Sie haben die Loipen ausgebaut, die Strecken sind anspruchsvoller geworden, das nützt auch den kanadischen Biathleten, wenn sie hier mal trainieren.

Aber nicht bloß Topathleten kommen hierher, vor allem Freizeitsportler und Talente benutzen die Loipen. Die Zahl der Touristen habe sich 2007 gegenüber 1988 verzehnfacht, sagt Henderson. 2007 zählt er 400 000 Touristen, darunter viele Jugendliche. Das zeigt ihm, dass die Begeisterung für Wintersport in seinem Land enorm zugenommen hat. Eishockey erdrückt mit seiner Popularität nicht mehr alles. Und Vancouver 2010 soll einen weiteren Schub bringen.

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