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Und was sehen wir heute? Biahtlon ist vor allem wegen der deutschen Erfolge beliebt...

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Wintersport im Fernsehen: Das Rennen um Aufmerksamkeit

Immer neue Wettbewerbe, immer neue Startzeiten: Für möglichst viel Fernsehpräsenz lassen sich die Wintersportverbände eine Menge einfallen.

Von Katrin Schulze

Wer sich alles geben möchte, sitzt acht Stunden vor dem Fernseher. Bob, Nordische Kombination, Ski Alpin, Langlauf, Skispringen, Eisschnelllauf und Biathlon. Ab 9 Uhr gibt es auch an diesem Sonntag wieder das volle Wintersportprogramm – wie eigentlich jedes Wochenende zu dieser Jahreszeit. Dass der Sport läuft und läuft und läuft, daran haben Fernsehen und Verbände viel gedreht im vergangenen Jahrzehnt. Da wurden Flutlichtmasten an den Strecken errichtet, damit der Zuschauer auf dem Sofa auch noch mitfiebern kann, wenn es draußen längst dunkel ist. Und da wurden Wettbewerbe erfunden, die mitunter nicht mehr viel zu tun haben mit dem Ausgangsprodukt. „Es ist ein schwieriger Balanceakt zwischen Sport und Unterhaltung“, sagt Peter Schlickenrieder.

Der Bayer arbeitet mittlerweile als Experte im Fernsehen, ist nebenbei noch Vizepräsident des Deutschen Skiverbands. Als Schlickenrieder selbst noch durch die Loipen hetzte, hat es die Wintersportfernsehnation Deutschland noch nicht gegeben. Damals „beschränkten sich die Übertragungen der Langlaufwettbewerbe noch auf Großereignisse oder Weltcups in Deutschland“, erzählt er. Ansonsten ließen sich die langen Rennen durch die Wälder dieser Welt kaum verkaufen oder hübsch fürs Fernsehen aufarbeiten. Zehn Jahre später aber haben sich Langlauf-Disziplinen wie Massenstart und Team-Sprint etabliert. Oder Skiathlon – ein Jagdrennen, bei dem zwischen der klassischen Technik und der Skating-Technik fliegend gewechselt wird. Mehr Drama verspricht das, mehr Attraktivität und besonders mehr Zuschauer.

Langlauf lebt von den innovativen Wettkämpfen...
Langlauf lebt von den innovativen Wettkämpfen...

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Wie der Langlauf hat sich so jeder Sport zu revolutionieren versucht, um möglichst viel abzubekommen vom langen Wintersportwochenende, manchmal mit kräftiger Mithilfe von außen. „Weil das Fernsehen eine wichtige Einnahmequelle für die Verbände ist, richten sich diese auch nach den Wünschen der Sender“, sagt Peter Schlickenrieder. Ein Rodelrennen wird schon mal spontan um eine halbe Stunde nach hinten verlegt, damit es auch in die Übertragungslücke zwischen Skispringen und dem nächsten Biathlonrennen passt. Peter Leissl ist jemand, der solche Sachen organisiert. „Wir bauen das Programm so, dass sich die Sportarten zwischen 9 und 18 Uhr die Türklinke in die Hand geben“, sagt der Redaktionsleiter von Sport extra im ZDF. Vom Skirennen in Adelboden geht es zur Kombination nach Oberstdorf, von dort zum Biathlon nach Oberhof und schließlich zum Langlauf nach Italien. Aber so einfach ist es nun auch nicht, immerhin müssen Präferenzen beachtet werden.

Schnelligkeit, Abwechslung, Sensationspotenzial – darum geht es

Die Wintersport-Hierarchie richtet sich nach „den Erfolgen der Deutschen und den Interessen des Publikums“, sagt Peter Leissl. Im Moment bedeutet dies, dass Biathlon an erster Stelle kommt, dahinter Skispringen und Ski Alpin. Alle drei Sportarten haben das Vorrecht auf eine Liveübertragung, im Härtefall kommt eher Biathlon als Skispringen. Hinter den drei sogenannten „Premiumsportarten“ geht es allerdings eng zu. Da wetteifern ein Dutzend weiterer Wintersportarten um Fernsehzeit und den Sendeplatz nach dem Biathlon, um noch ein paar mehr Zuschauer zu gewinnen. Sportarten und Verbände, die sich dabei flexibel und innovativ geben, haben die größten Chancen. ZDF-Redaktionsleiter Leissl hält die jüngeren Wettkampfformen wie Team- oder Mixed-Staffeln für „belebend und dramaturgisch interessant“. Dass eine Sportart dagegen zwei Stunden am Stück gezeigt wird, kann er sich heute nur nur schwer vorstellen.

Der Skeletonsport muss auf Übertragungslücken hoffen.
Der Skeletonsport muss auf Übertragungslücken hoffen.

© Reuters

Schnelligkeit, Abwechslung, Sensationspotenzial – darum geht es. Selbst, wenn die Wettkämpfe mit so ulkigen Namen versehen werden wie „Penalty-Race“. Das ist ein neuer Wettbewerb in der Nordischen Kombination, bei dem den Athleten je nach Weite beim Springen für das anschließende Langlaufen Strafrunden aufgebrummt werden; ein bisschen Biathlon im traditionsreichen Kombinationssport. Für den Live-Zuschauer an der Strecke mag das nur schwer nachvollziehbar sein, er droht im Gewusel der Läufer eher den Überblick zu verlieren. Was vor allem zählt, ist das Interesse des Fernsehzuschauers, denn er bringt indirekt das Geld in die Verbände.

Und deswegen haben die Verbände in den vergangenen zehn Jahren einiges gemacht und oft auch mit sich machen lassen. Die Abstimmung mit dem Fernsehen, den Weltverbänden und den nationalen Verbänden bezeichnet Peter Schlickenrieder als schwierig. Viele wünschten sich mehr Kontinuität und weniger Experimente. Dabei profitiert gerade der Langlauf vom Neuen. „Dass wir auch ohne größere deutsche Erfolge viel im Fernsehen zu sehen sind, liegt an den neuen Wettbewerben“, sagt der ehemalige Langläufer. Seit 2002, als die deutschen Athleten bei den Olympischen Spielen in Salt Lake City ihre Hochphase erlebten, habe sich die Fernsehzeit für Schlickenrieders Sport mehr als verdoppelt oder verdreifacht. „Kleinere Sportarten wie Skeleton schauen hier und da schon mal neidisch zu uns rüber“, sagt Schlickenrieder.

Skeleton ist zwar durch die Ausführung an sich – kopfüber stürzen sich die Athleten in die Eisbahn – schon dynamisch, muss aber auf die Lücken zwischen den Übertragungen der Großen hoffen und läuft ähnlich wie Bob oder Rodeln manchmal als Zusammenfassung. Doch für mehr prominente Sendezeit wurden nun auch hier Staffelwettbewerbe eingeführt, außerdem sollen jetzt – wie im Biathlon schon eine Weile üblich – auch mehr Rennen unter Flutlicht stattfinden.

Schließlich weiß man ja nie, wann sich das Bild in der deutschen Wintersportwelt wieder ändert. ZDF-Mann Peter Leissl sagt: „Wenn es im Biathlon irgendwann mal nicht mehr so viele Erfolge gibt, kann das schnell passieren.“ Und dann warten viele andere Sportarten nur darauf, die Spitzenposition zu übernehmen im Wintersportfernsehen Deutschlands.

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