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Sport: „Wir brauchen ein neues Sportfernsehen“

Deutschlands Sportchefs Steinbach und von Richthofen über die Vormacht des Fußballs, die deutsche Olympiabewerbung und die Einsamkeit im Fitnessstudio

Herr von Richthofen, Herr Steinbach, mögen Sie Fußball?

STEINBACH: Na klar. Aber ich habe nie im Verein gespielt. Früher als Schwimmer musste ich andere Sachen üben als Rennen oder Schießen. Deshalb habe ich nur ein bisschen auf der Straße gebolzt.

RICHTHOFEN: Ich habe in meiner Jugend oft Fußball gespielt, weil das Ähnlichkeiten mit meinem Lieblingssport hatte: Hockey. Zum Aufwärmen haben wir immer gekickt. Und wenn wir dann ein bisschen müde waren, haben wir Hockey gespielt. Da braucht man ja nicht so viel Puste.

Sie sind die Präsidenten der beiden größten deutschen Sportverbände. Wie ist denn heute Ihr Verhältnis zum Fußball?

RICHTHOFEN: Es gibt viele attraktive Sportarten, das wird leider oft vergessen. Aber Fußball interessiert nun mal die meisten Leute. Daran können wir nicht vorbei.

STEINBACH: Ja, wir können nicht dagegen angehen. Wir können aber die Popularität des Fußballs für andere Sportarten nutzen. Fußball ist bei Olympia nur eine Sache von vielen. Das sollte sich auch in der Berichterstattung der Medien niederschlagen, finde ich.

RICHTHOFEN: Genau deshalb wollen wir ja einen neuen Sportkanal. Im öffentlichrechtlichen Fernsehen haben viele interessante Sportarten bisher wenig Raum, in den privaten schon gar keinen. Deshalb benötigen wir ein neues Programm, das zum Beispiel Volleyball, Basketball oder Skilanglauf zeigt.

STEINBACH: Ich bin mir nicht sicher, ob wir gleich einen neuen Sender brauchen. Aber es muss wenigstens eine andere Struktur der öffentlich-rechtlichen Sportprogramme geben. Es gibt so viele attraktive Mannschaftsspiele: Deutschland ist Weltmeister im Hockey. Aber wann kommt mal Hockey im Fernsehen? Es ist nur Fußball, Eishockey und ein bisschen Handball zu sehen. Das war’s.

Also, Herr Steinbach, ist jetzt das Nationale Olympische Komitee für einen Sportkanal oder nicht?

STEINBACH: Zunächst einmal stellen wir fest, dass der bunte Bilderbogen des Sports zu selten im Fernsehen zu sehen ist. Natürlich muss da auch der Sport seine Attraktivität erhöhen. Im Winter gelingt das schon ganz gut. Bei den Weltcuprennen an den Wochenenden stimmen sich die einzelnen Verbände bei ihren Anfangszeiten ab – und schon haben wir fünf Stunden unterschiedlichsten Wintersport live im Fernsehen. Wenn so etwas auch im Sommer gelingt und unsere bisherigen Partner beim Fernsehen mitziehen, dann brauchen wir nicht unbedingt einen neuen Kanal.

RICHTHOFEN: Die Sache ist doch ganz einfach: Ohne Übertragungen gibt es keine Sponsoren. Und ohne Sponsoren gibt es keine Erfolge. Wegen dieser Rechnung fordern wir als Deutscher Sportbund einen neuen Sportsender. Der könnte übrigens auch viel Aufklärung über gesundheitliche Fragen bieten, also auch ein Gesundheitskanal sein. Über all das werden wir jetzt mit den Ministerpräsidenten der Länder und den Fernsehanstalten reden.

STEINBACH: Aber die Sache hat natürlich eine andere Seite. Wir müssen auch aufpassen, dass unsere olympischen Sportarten bei der Einrichtung eines neuen Senders nicht in ein Nischenprogramm abgeschoben werden. Beim Kinderkanal ist das ja passiert – dort laufen jetzt die Kindersendungen, und bei ARD und ZDF kommt kaum noch was.

Ein neuer Fernsehsender würde auch eine Menge Geld kosten. Und eine Gebührenerhöhung für Volleyball ist ja wohl das Letzte, was Deutschland derzeit braucht, oder?

RICHTHOFEN: Das Thema Fernsehgebühren ist politisch schwierig, das gebe ich zu. Aber das Entscheidende an der Debatte ist doch, dass sich was bewegt bei den Fernsehsendern. Egal, wie die Sache ausgeht: Der Sport lässt sich mit seinen Wünschen nach mehr Programmvielfalt nicht mehr abschütteln.

STEINBACH: Das wollen wir ja beide – nur auf unterschiedlichen Wegen.

Sieht so das neue Miteinander Ihrer beiden Dachverbände aus?

STEINBACH: Warum nicht? Wir haben doch ein gemeinsames Interesse, auch wenn sich der Sportbund eher um die Breitensportler in den Vereinen kümmert und wir uns eher um olympische Medaillengewinner. Beide möchten wir junge Menschen für den Sport begeistern, damit es eine möglichst große Auswahl für zukünftige Topathleten gibt. Bei der Förderung unserer Talente dürfen wir nicht alles dem Zufall überlassen. Das geht nicht mit Zwang, nur mit Motivation.

Derzeit sind Jugendliche eher motiviert, ins Fitnessstudio zu gehen als in einen Sportverein...

RICHTHOFEN: Das stimmt so nicht. Viele, die in einem Verein sind, gehen noch zusätzlich in ein Gerätestudio. In einem Verein haben die Menschen viel mehr Möglichkeiten. Hier gibt es soziale Verbindungen zwischen Alt und Jung, zwischen Nord und Süd, zwischen Arm und Reich. Das ist doch erstrebenswert. Und es ist für alle bezahlbar. Aber es stimmt auch: Es gibt heute viele Jugendliche, die sich vom Wettkampfsport nicht mehr so angezogen fühlen. Das hat auch mit der zunehmenden Individualisierung in der Gesellschaft zu tun. Viele meinen, dass sie keinen Partner an ihrer Seite mehr brauchen. Auch den Sport nicht.

STEINBACH: Es gibt auch Nachwuchsprobleme bei den Trainern. Mein Vater wird im nächsten Sommer 76 Jahre alt, er ist seit Ewigkeiten Übungsleiter in unserem Verein CSV Kleve. Eigentlich wollte er mit 60 Jahren aufhören – aber er hat immer noch keinen Nachfolger gefunden. Heutzutage ist es schwer, jungen Leuten den Sinn eines Ehrenamtes zu vermitteln. Viele wollen zwar was Nützliches tun. Aber sie wollen auch Geld dafür haben.

RICHTHOFEN: Das ist eines der Grundprobleme unserer Gesellschaft. Niemand will sich für lange Zeit an etwas binden. Aber wir brauchen engagierte Übungsleiter, die die Kinder betreuen. Deshalb muss es Entlastungen für die Menschen geben – etwa im Steuersystem oder bei der Anrechnung als Arbeitszeit. Dafür brauchen wir ein Ehrenamtsgesetz, in dem das festgeschrieben wird.

Damit werden Sie aber nicht alle Probleme lösen können. Wegen der schlechten Haushaltslage der Kommunen wird die Sportförderung zusammengestrichen – und die Vereine müssen ihre Mitgliedsbeiträge erhöhen.

RICHTHOFEN: Ja, das wird sich leider nicht verhindern lassen. Das ist eine große soziale Frage für die nächsten Jahre. Da muss sich der Sport zur Wehr setzen und seinen eigenen Wert herausstellen.

STEINBACH: Es gibt ja auch genügend gute Beispiele. Gerade im Zuge der Bewerbung um die Olympischen Spiele 2012 findet der Sport wieder mehr Beachtung. Die fünf Städte und Regionen, die sich um Olympia bewerben, investieren derzeit in Sport-Eliteschulen und in die Sanierung von Turnhallen und Sportplätzen. Dieses Schwungrad müssen wir jetzt in Bewegung halten.

Wie schätzen Sie denn die Chancen der deutschen Bewerberstädte für Olympia 2012 ein?

STEINBACH: Die Chancen sind groß.

RICHTHOFEN: Das muss er sagen, ist doch klar. Aber Spaß beiseite: Es gibt in den internationalen Sportverbänden sehr positive Signale für eine deutsche Bewerbung. Das sagt sogar der Chef des Internationalen Olympischen Komitees, Jacques Rogge. Ja, wir haben eine Chance. Wenn wir daran glauben.

STEINBACH: Und wenn wir aus den Fehlern der Berliner Bewerbung für Olympia 2000 lernen. Nur ein Beispiel: Die organisatorische Führung einer Bewerbung darf der Sport nicht aus der Hand geben. Fremde Gesellschaften und Agenturen verwischen unsere Ziele bloß. Und dann muss die Unterstützung durch die Bevölkerung stimmen. Bei Berlin 2000 ist einiges schief gelaufen.

Und Manfred von Richthofen war sehr stark daran beteiligt...

RICHTHOFEN: Über das „sehr stark“ streite ich mit Ihnen gerne. Ich war damals im Aufsichtsrat der Olympia GmbH, das stimmt schon. Es stimmt auch, dass wir die Bewerbung auf internationaler Ebene nicht mit einer Stimme vorangetrieben haben. Und die Stimmung in der Bevölkerung für Olympia war, sagen wir mal, eher negativ.

STEINBACH: Das war einfach nicht gewollt. Jetzt ist die Situation anders, in den fünf Bewerberstädten herrscht Begeisterung. Und wir haben nach außen viel zu bieten: gute Organisation, neue Sportstätten, ökologische Baukonzepte. Unsere Bewerbungen sind nachhaltig. Das liegt genau im Trend. Manche sagen sogar, Nachhaltigkeit sei sexy.

RICHTHOFEN: Ach was?

STEINBACH: Ja, das hört man so von Marketingstrategen.

Wird denn unter Marketingstrategen auch der Fall diskutiert, dass Deutschland das Rennen verliert? Gehen wir dann für die Spiele 2016 noch einmal an den Start?

STEINBACH: Das ist jetzt nicht unsere Frage. Aber jede Stadt weiß, dass sie unter Umständen auch einen langen Atem haben muss.

RICHTHOFEN: Ich habe ja mal gesagt, Berlin könnte 2016 ein Joker der Deutschen sein. Aber heute meine ich: Eine Stadt, die eine gute Bewerbung für 2012 abgeliefert hat, hat einen Vorteil bei einem neuen Anlauf. Und Berlin ist bekanntlich aus der ersten Runde ausgestiegen. Momentan hat die Stadt sowieso ganz andere Probleme als Olympia.

Derzeit hat Deutschland mit internationalen Bewerbungen Pech. Selbst sicher geglaubte Großveranstaltungen wie die Leichtathletik- WM 2005 und die Handball-WM 2005 wurden verpasst. Die Politik sagt, die unprofessionellen Sportfunktionäre seien daran schuld.

RICHTHOFEN: Deutschland ist Weltmeister beim Bewerben um Sportveranstaltungen. Da muss man auch mal verlieren können. Ich mahne einfach zu mehr Gelassenheit.

STEINBACH: Natürlich gibt es Handlungsbedarf. In internationalen Verbänden ist der deutsche Sport oft zu schwach vertreten. Da tun wir jetzt auch was: Durch bessere Vernetzung untereinander wollen wir stärker werden. Das leben wir beide vor.

RICHTHOFEN: Wenn wir den internationalen Entscheidungsträgern entgegentreten, muss klar sein: Deutscher Sportbund und Nationales Olympisches Komitee haben gemeinsame Ziele. Und wer den besten Kontakt zu einer bestimmten Person hat, der wirbt bei dieser für beide Organisationen. Danach tauschen wir die Informationen aus. Zu diesem Zweck wird es ein neues Gremium zwischen beiden Verbänden geben. Das Nebeneinander ist jedenfalls zu Ende.

STEINBACH: Wir sind gerade dabei, neue Grundsätze einer Zusammenarbeit zu erarbeiten. Auf alle Fälle wollen wir die Synergien ausbauen – etwa bei der internationalen Lobbyarbeit oder im Leistungssport. Das heißt aber auch, dass wir gemeinsam Werbung machen für eine stärkere Rolle des Schulsports und für die olympische Erziehung zu Fairness und Leistung. Diese Bereiche werden wir zusammenlegen.

Warum fusionieren Ihre beiden Verbände nicht einfach?

RICHTHOFEN: Nun, ich habe das 1996 versucht und bin gescheitert. Es werden weiterhin beide Verbände existieren, mit unterschiedlichen Aufgaben und Akzenten. Aber es wird nur noch eine Stimme des deutschen Sports geben.

STEINBACH: Früher hat sich der Sport durch viele Eitelkeiten selbst behindert. Das brauchen wir nicht mehr. Ich habe bei olympischen Wettkämpfen meine Medaillen gesammelt, als Funktionär muss ich keine Egotrips mehr machen.

RICHTHOFEN: Ich auch nicht. Für Eitelkeiten bin ich schon zu lange in der Sportpolitik.

Gibt es denn gar keine Unterschiede zwischen Ihnen?

RICHTHOFEN: Ich bin Hockeyspieler gewesen, und er war Schwimmer.

STEINBACH: Das wollte ich auch sagen.

Das Gespräch führte Robert Ide.

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