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Sport: Wir lassen uns nicht mehr demütigen

Schalke 04 hat heute einige Rechnungen mit den Bayern zu begleichen

Als Schalke zum letzten Mal Deutscher Meister wurde, war ich minus zwei und habe den Endspielsieg 1958 gegen Nürnberg daher nicht richtig mitbekommen. Später wurde mir jedoch klar, dass es sich bei dieser Meisterschaft nur um eine Reprise handelte, ein beiläufiges Echo größerer Tage. In den Dreißigern war Schalke so etwas gewesen, wie es der FC Bayern heute ist, Seriensieger, die Mannschaft, die den Fußball langweilig machte. Ich fände es schön, wenn Schalke bald wieder die Liga langweilig machen würde. Dann wären wir der FC Bayern, und alle würden uns hassen, so wie jetzt alle die Bayern hassen. Aber was wäre dann noch der Unterschied zwischen uns und denen? Das ist die entscheidende Frage.

Und die ist leicht zu beantworten: mit der elend langen Zeit dazwischen. Damit, wie wir gelitten und gehofft haben. Wie wir enttäuscht wurden und gedemütigt – vor allem von den Bayern. Für mich fing das Drama mit der verlorenen Meisterschaft 1972 an. Wir hatten die bessere Mannschaft, eine junge, kreative, zukunftsträchtige. Dann kam am letzten Spieltag die Niederlage in München. Ich war dabei, und ich war zum ersten Mal in meinem kleinen Leben am Ende mit der Welt. Allerdings nur eine Woche lang, denn dann gewannen wir den Trostpreis: den Pokal mit 5:0 gegen Kaiserslautern.

Im Grunde war nach dieser Saison klar, dass die junge Schalker Mannschaft der nächste oder übernächste Deutsche Meister werden würde. Dachte ich. Doch dann schaltete ich eines Tages die Sportschau an und ein mir völlig unbekannter alter Mann mit dem suspekten Namen Canellas erschien. Er sprach mit zerriebener Stimme und spielte ein Tonband ab. So begann der Bundesliga-Skandal, es ging um Bestechung. Und mein FC Schalke mitten drin. Fortan hießen wir FC Meineid, weil meine Idole im Zuge der Affäre vor Gericht gelogen hatten. Zwar kamen die Schalker nach der Sperre noch einmal wieder und wurden erneut Zweiter, aber der Höhenflug der Siebziger war vorbei, ohne dass wir einmal Meister geworden wären.

Es brach eine lange, graue, grauenhafte Zeit an, mit mehreren Abstiegen in die Zweite Liga. In dieser Phase gab es nur ein echtes Glanzlicht: Wir spielten 1984 als Zweitligist im Pokal zu Hause gegen die Bayern. Ein überragender junger Mann erkämpfte, erzauberte und erspielte Schalke ein 6:6 nach Verlängerung. Olaf Thon hieß er und war das Einzige, was Schalke zu der Zeit spielerisch vorzuweisen hatte. Damals gab es im Pokal noch das Wiederholungsspiel. Das verloren wir natürlich. Und dann verloren wir Olaf Thon – an die Bayern. Denn die kauften schon damals alles und jeden.

Gegen Ende der Neunziger begann der Wiederaufstieg des FC Schalke 04, sogar international, wo wir noch nie etwas gerissen hatten. Wir holten 1997 den Uefa-Cup. Schöne Sache, tolle Sache. Jedoch, wenn wir ehrlich sind, dann gibt es im Fußball nur drei wirkliche Trophäen: die Meisterschaft, die Champions League und, Krone aller Kronen, den WM-Titel. Und vom Eigentlichen hat Schalke seit 1958 eben nichts geholt.

Das hätten wir alles aushalten können, denn wir Schalker können verdammt viel aushalten. Wenn da nicht dieses Wiederholungstrauma in der Saison 2000/2001 gewesen wäre. Alles war wie 1972: Schalke hatte die bessere Mannschaft, eine kreative, zukunftsträchtige. Dann schossen die Bayern in der letzten Minute des letzten Spieltages noch ein Tor, und Schalke war wieder nur Zweiter. Und wieder gab es als Trostpreis den DFB-Pokal.

Rache würde ich es nicht nennen. Aber diese Sachen müssen bereinigt werden. Darum muss Schalke heute gewinnen, darum wird Schalke gewinnen. Und warum ist man nun lebenslang Schalker, warum Nicht-Bayer? Weil es ein Spiel unten gegen oben ist. Immer. So reich und erfolgreich kann Schalke gar nicht werden, dass sich das jemals ändern würde.

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