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Sport: "Wir schämen uns"

Die schwersten Ausschreitungen deutscher Hooligans seit der EM 2000 haben 14 Monate vor der Fußball-Weltmeisterschaft die Sicherheits-Problematik wieder schlagartig bewusster gemacht. Bundestrainer Jürgen Klinsmann entschuldigte sich bei nach dem Spiel bei den slowenischen Gastgebern.

Celje (27.03.2005, 22:10 Uhr) - Von WM-Chef Franz Beckenbauer über DFB-Präsident Gerhard Mayer-Vorfelder bis hin zu Bundestrainer Jürgen Klinsmann zeigte sich die deutsche Delegation «erschüttert» über die Randale vor und während des 1:0- Erfolges der deutschen Nationalmannschaft in der Kleinstadt Celje gegen Slowenien. Insgesamt wurden 52 Randalierer, darunter 40 Deutsche, festgenommen.

Klinsmann distanzierte den deutschen Fußball von den Krawallmachern. «Das tut uns sehr, sehr leid, dafür schämen wir uns. Das gibt ein sehr schlechtes Bild für uns, vor allem als Gastgeber der Weltmeisterschaft 2006. Das hat absolut nichts zu suchen bei uns, bei den Länderspielen und im Sport generell, nirgends.»

Das deutsche WM-Motto («Die Welt zu Gast bei Freunden») wurde mit Ausschreitungen in der Innenstadt und danach in der «Petrol Arena» von einer kleinen Gruppe schwer beschädigt. Beckenbauer war darum bemüht, die Sorge vor ähnlichen Zwischenfällen bei der WM im kommenden Jahr zu zerstreuen: «Ich glaube, von den deutschen Sicherheitskräften wird alles getan. Ich weiß, dass sie unglaublich gut sind. Dafür sorgt schon unser Innenminister. Ich denke, dass Otto Schily jetzt sehr wütend sein wird», sagte der Präsident des WM- Organisationskomitees.

Beckenbauer erlebte die Vorfälle als TV-Experte hautnah mit. Das gläserne ZDF-Studio befand sich nur wenige Meter entfernt von dem Fanblock, in dem bis zum energischen Eingreifen der Polizei randaliert wurde. Mehrfach flogen Leuchtraketen auf den Platz. Der englische Schiedsrichter Graham Poll unterbrach sogar einmal kurz die Partie. Später flogen Schalensitze, die aus der Verankerung gerissen worden waren. Nach dem Abpfiff gingen die Jagdszenen weiter.

«Man muss sich schämen für diese so genannten Fans und offiziell entschuldigen bei den Slowenen. Das sind Verrückte, die den deutschen Namen so kaputt machen. Das erschüttert mich», erklärte DFB-Präsident Gerhard Mayer-Vorfelder. «Es ist eine mittlere Katastrophe.» «MV» kündigte am Tag danach an, dass er einen Brief an den Innenminister schreibe wolle, «weil ich mir Sorgen mache im Hinblick auf die WM 2006.» Mayer-Vorfelder fürchtet den «psychologischen Schaden in der Welt».

Torhüter Oliver Kahn, in dessen Nähe einige Raketen niedergegangen waren, fällte ein deutliches Urteil: «Das nennt man einfach kriminell.» Der 77-malige Nationalspieler erlebte derartige Fan-Ausschreitungen nicht zum ersten Mal mit: «Das ist eine kleine Minderheit, die immer wieder zu diesen Ausfällen neigt und relativ wenig im Kopf hat.»

Der DFB war über die Anreise von 200 bis 250 Problemfans nach Slowenien vorab informiert gewesen, berichtete DFB-Sprecher Harald Stenger. Während offiziell von einer sehr guten Kooperation der deutschen und slowenischen Sicherheitsbehörden die Rede war, äußerte Beckenbauer das Gegenteil: «Die Zusammenarbeit der Sicherheitskräfte hat nicht funktioniert. Das darf nicht passieren. Von slowenischer Seite ist das einfach unterschätzt worden», sagte der WM-Chef und übte Kritik: «Wir haben es ja schon 1998 in Frankreich bei der WM gesehen und vor allem 2000 bei der EM in Belgien. Da hat man die Situation auch unterschätzt.»

In Celje war es in der Innenstadt schon am Nachmittag vor dem Spiel zu ersten Ausschreitungen und Sachbeschädigungen gekommen. Auslöser sei zunächst eine Auseinandersetzung zweier deutscher Fan-Gruppen gewesen, hieß es. Zwei Personen wurden dabei leicht verletzt. Dabei handelt es sich um einen Deutschen und einen slowenischen Polizisten. Alle insgesamt 52 vorübergehend festgenommenen Randalierer wurde wenige Stunden nach Spielschluss wieder auf freien Fuß gesetzt. Der Sachschaden wurde auf drei Millionen Tolar (12 500 Euro) geschätzt.

Im Stadion war die Situation schon am Einlass eskaliert. Ein Tor hatte dem Druck der drängenden Fans nicht Stand gehalten, so dass einige Hooligans unkontrolliert auf die Ränge kamen. Viele von ihnen hatten noch an der Tageskasse Eintrittskarten erworben und konnten so nicht erfasst werden. Über den DFB waren nur 750 Tickets an deutsche Anhänger abgegeben worden. DFB-Sicherheitschef Alfred Sengle verwies darauf, dass der deutsche Verband in Slowenien «keine rechtlichen Möglichkeiten» besessen habe: «Wir können nur raten.»

Deutsche Hooligans haben in der Vergangenheit schon häufiger für schwere Ausschreitungen gesorgt. Bei der Weltmeisterschaft 1998 prügelten die Hooligans nach dem Vorrundenspiel gegen Jugoslawien in Lens den Polizisten Daniel Nivel halbtot. In Zusammenhang mit den Krawallen wurden 93 Personen festgenommen. Auch bei der Europameisterschaft 2000 sorgten deutsche Fans am Rande des Vorrundespiels gegen England in Charleroi für Randale. 98 Anhänger aus Deutschland und England wurden verhaftet. (tso) ()

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