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Sport: „Wir sind die Geisel der Hooligans“

Die Fußballvereine in Italien wollen sich gegen die steigende Einflussnahme von gewaltbereiten Fans zur Wehr setzen

Eigentlich gilt Fabrizio Piscitelli nur als Mitläufer. Aber er hat sich mit Haut und Haaren einer römischen Gruppierung von Fußballfans verschrieben, die sich „Irriducibili Lazio“ nennt. Dort organisieren sich größtenteils faschistisch orientierte Anhänger des Klubs Lazio Rom. Irriducibili heißt übersetzt so viel wie „die Unbeugsamen“.

Mit Fabrizio Piscitelli hatten die Richter jüngst ein Einsehen. Just in diesen wirren Fußballtagen konnte er das baufällige und kalte Regina-Coeli-Gefängnis verlassen. Er darf die Zeit bis zum Prozess zu Hause verbringen – unter Hausarrest, was für ihn eine große Erleichterung darstellt. Der Kopf der „Irriducibili Lazio“, Fabrizio Toffolo, muss hingegen im Gefängnis bleiben. Er und seine anderen Sekundanten Yuri Alviti und Paolo Arcidiacono warten darauf, dass man ihnen den Prozess macht. Bei einer spektakulären Polizeiaktion im Oktober 2006 wurden sie verhaftet. Ausgerechnet Lazio Roms Klubpräsident Claudio Lotito hatte sie angezeigt. Wegen Erpressung und Morddrohungen, die er erhalten hatte. „Seit zwei Jahren habe ich Personenschutz. Ich habe Morddrohungen erhalten, habe mich aber nicht beirren lassen, auch wenn ich mich oft allein gelassen fühle“, sagt der römische Reinigungsunternehmer und schwang sich zum Paladin des Fußballs auf, der die Allmacht der Tifosi beschränken will. Ein Fall, der an die Ereignisse in Leipzig erinnert, wo es nach Krawallen nun Morddrohungen gegen Funktionäre gibt, die Gewalttäter der Polizei melden wollen.

Fabrizio Toffolo und seine „Irriducibili“ hätten ihn erpresst und Morddrohungen ausgesprochen, sagt Lotito, damit er die Aktienmehrheit des börsennotierten Klubs an eine ominöse Käufergruppe aus Ungarn abgebe. Die Staatsanwaltschaft ermittelte, dass hinter der Gruppe die neapolitanische Camorra stand. Lotito zeigte die Anführer der Fangruppe an und lebt seitdem mit Personenschutz.

Ohne die Macht der „Irriducibili Lazio“ wäre Lotito, der mit dem Präsidenten der rechten Nationalen Allianz, Gianfranco Fini, befreundet ist, jedoch nicht so billig an die Aktienmehrheit von Lazio Rom gekommen. Nach der Pleite des früheren Präsidenten Sergio Cragnotti schien die Insolvenz von Lazio Rom unabwendbar. Allein die Steuerschuld des Klubs betrug über 140 Millionen Euro. In der Not bediente sich Lotito der „Irriducibili“. Sie belagerten tagelang entweder den Verbandssitz oder das Finanzministerium, was schließlich Erfolg hatte. Der Fiskus gewährte eine Ratenzahlung der immens hohen Steuerschuld auf 23 Jahre. Ein Novum in der italienischen Steuergeschichte. Fabrizio Toffolo hatte immer wieder mit den über 10 000 Mitgliedern seiner „Irriducibili Lazio“ gedroht.

Der Präsident, der wegen seiner Metaphern und seines aufgesetzten Gehabes ein beliebtes Objekt von Karikaturisten ist, zeigte sich danach jedoch nach Ansicht der „Irriducibili“ undankbar. Er versuchte, ihren Einfluss im Klub mit aller Macht zu beschneiden. Die „Irriducibili“ fordern nun Lotitos Rücktritt. Mehrmals wurden deswegen die Lazio-Spiele spektakulär boykottiert. Widerstand zu leisten und sich aufzulehnen, das haben sie ein Leben lang gemacht, um den römischen Elendsvierteln zu entkommen.

Lazio Rom wurde wegen Ausschreitungen der „Irriducibili“ vom italienischen Fußballverband mehrmals zu Geldstrafen und Platzsperren verurteilt. Die „Irriducibili Lazio“ finanzieren sich durch eigene Merchandising-Artikel wie T- Shirts, die sie durch eigene Läden in Rom sowie übers Internet vertreiben. Mittlerweile gibt es nur noch einen offiziellen Fanshop des Vereins, alle anderen wurden durch die der „Irriducibili“ verdrängt. Ihr Anführer, Fabrizio Toffolo, hatte zuletzt Stadionverbot. Er verletzte einen Polizeibeamten auf dem Weg zu einem Auswärtsspiel am Bahnhof Termini und wurde zu 18 Monaten Haft verurteilt. Die Fans fielen auch durch Rassismus und Verherrlichung des Faschismus auf. Unter anderem wurden gegnerische Fans der AS Rom 1999 mit einem 18 Meter langen Transparent mit der Aufschrift „Auschwitz ist eure Heimat, die Öfen euer Zuhause“ und 2001 auf einem 30 Meter langen Transparent als „Schwarze Mannschaft und Judenfans“ begrüßt.

Der frühere Kapitän von Lazio Rom, Paolo di Canio, der den Klub im Streit mit dem Präsidenten verlassen hat und nun beim viertklassigen Verein Cisco Rom spielt, ist Sympathisant der „Irriducibili Lazio“. Im Stadtderby gegen AS Rom im Januar 2005 zeigte der bekennende Neofaschist di Canio als Torjubel den Fans aus der Nordkurve den faschistischen Gruß.

Es ist auch andernorts üblich, dass Fangruppen von den Vereinen finanziert werden. Sie erhalten entweder Gratiskarten oder bekommen die Reisen zu Auswärtsspielen bezahlt. Und sie üben einen enormen Druck auf die Klubs aus. „Seit drei Jahren sind wir Geisel der Hooligans“, bekennt Catania-Präsident Antonino Pulvirenti. Wegen wiederholter Ausschreitungen musste sein Klub zuletzt 200 000 Euro Strafe zahlen. „Wir brauchen die Unterstützung von Kriminellen nicht“, sagt Pulvirenti und mahnt Hilfe an, denn „alleine kommen wir dagegen nicht an.“

„Damit der Fußball wieder funktioniert, müssen jene Herren mit den unfeinen Ideen hart bestraft werden“, fordert Torwart-Legende Dino Zoff. Zoff kennt insbesondere die „Irriducibili Lazio“ aus seiner Zeit als Trainer und Präsident gut. Jetzt plädiert er für mehr Härte.

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