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Sport: „Wir sind ein revolutionäres Volk“

Warum Dirigent Kurt Masur findet, dass seine Heimatstadt Leipzig die Olympischen Spiele 2012 austragen sollte

Fünf deutsche Städte bewerben sich um die Olympischen Spiele 2012. Für wen sind Sie?

Für meine Heimatstadt natürlich, für Leipzig. Ich war erst kürzlich wieder dort, und Sie glauben gar nicht, was da für eine Begeisterung herrscht. Die ganze Stadt ist voller bunter Plakate, und jeder ist stolz auf unsere Erfolge. Wir haben eine große sportliche Tradition, bei uns treibt jeder Sport.

Übertreiben Sie nicht ein bisschen?

Die Sachsen sollte niemand unterschätzen, diesen Fehler haben schon einige zu DDRZeiten gemacht. Wussten Sie, dass die meisten deutschen Olympiasieger aus Leipzig kommen? Wir hatten hier die wichtigste Sporthochschule der DDR, und viele Menschen haben auch in Vereinen gespielt. Jeder Betrieb hatte eine eigene Mannschaft. Ich selbst stand lange Zeit im Fußballtor des Leipziger Gewandhauses. Aber nachdem ich einmal einen Ball total unglücklich durch die Beine bekommen hatte, habe ich aufgehört.

…und sich der Musik zugewandt.

Sport und Musik haben eine Menge miteinander zu tun, sie bilden oft sogar eine Einheit. Ich habe viel mit Katarina Witt gearbeitet, habe ihr Musik vorgespielt für ihre olympischen Kürprogramme. Und dann will ich noch von einem Erlebnis auf den Leipziger Montagsdemonstrationen 1989 erzählen: Damals waren viele Fußballfans auf den Straßen, um für die Demokratie zu demonstrieren. Einige von ihnen haben ein Stadionlied angestimmt: „Schiedsrichter ans Telefon.“ Sie haben nur den Text geändert und gerufen: „Stasi in die Produktion.“ Kurze Zeit später hat das die ganze DDR im Chor gesungen.

Und Sie finden, deshalb soll Leipzig nun Olympia bekommen?

Wir sind ein revolutionäres Volk. Und wir sind sportbegeistert. Das wäre doch für Olympia ideal. Vielleicht kann gerade so eine aufgeweckte ostdeutsche Stadt wie Leipzig helfen, dass Deutschland wieder vorankommt und sich die Jugend mehr engagiert.

Meinen Sie, dass sich im Internationalen Olympischen Komitee jemand dafür interessiert?

In der Sportwelt geht es nicht nur um große Namen, glauben Sie mir. Ich bin viel unterwegs, ich spiele oft in New York, bin jetzt gerade in Paris. Beide Städte wollen sich ja auch um die Spiele 2012 bewerben, aber so viel Begeisterung wie in Leipzig habe ich nicht erlebt. Hier in Paris sieht man gar nichts von Olympia. Aber vielleicht ist das ganz gut so. Da kann ich mich wenigstens auf meine Musik konzentrieren.

Das Gespräch führte Robert Ide.

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