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Sport: „Wir werden viel Schwarz-Rot-Gold sehen“

Nationalmannschaftskapitän Markus Baur über die Handball-Weltmeisterschaft in Deutschland

Herr Baur, wie haben Sie die Fußball-Weltmeisterschaft erlebt?

Die ersten Spiele habe ich noch vor Ort mitgekriegt. Ich war nicht im Stadion, aber in der Stadt, da war eine Rieseneuphorie. Ab dem Achtelfinale habe ich dann im Urlaub mitgefiebert, mit vielen anderen Leuten vor der Großbildleinwand.

In drei Wochen beginnt die Handball-Weltmeisterschaft in Deutschland. Wie stellen Sie sich diese WM vor?

Ich gehe davon aus, dass es eine ähnliche Euphorie und eine positive Stimmung wie beim Fußball geben wird, allerdings in einer anderen Dimension. Im Handball ist alles ein bisschen kleiner. Wir haben aber große Arenen, die auch mit Sicherheit voll werden, und da wird auch richtig Stimmung sein.

Und jetzt wird Deutschland eben im Handball-Weltmeister.

Ich träume nicht. Wir wissen, dass wir eine gute Mannschaft haben und viel erreichen können. Wenn wir dann am Ende den Pokal hochhalten könnten, wäre das natürlich eine Riesensache.

Nach Umfragen weiß nur ungefähr jeder Zehnte, dass am 19. Januar in Deutschland die Weltmeisterschaft beginnt.

Wenn das so ist, ist es traurig. Die Öffentlichkeit wurde zu spät mit der WM malträtiert, sage ich mal. Bis zum Ende der Fußball-WM im Juli war es nicht möglich, die Handball-WM zu pushen, weil Fußball zu Recht im Vordergrund stand. Ich weiß auch nicht, wer dafür verantwortlich ist, aber danach wurden die Kampagnen zu spät gestartet. Wahrscheinlich ist es auch zu teuer, aber man sieht keine Fernsehwerbung, und in den Städten hängen nur vereinzelt Werbeplakate. Da ist nicht so in die Offensive gegangen worden, wie es hätte sein sollen. Deswegen wissen es die Handballkenner und die Leute in den Austragungsstädten, wo Plakate hingen oder noch hängen. Ich denke, dass das auch ein Grund dafür ist, dass – wenn es so ist – nur jeder Zehnte Bescheid weiß. Das ist natürlich ärgerlich. Ich gehe aber davon aus, dass das Interesse jetzt im Januar stark steigen wird.

Im Fußball schnellen die Mitgliedszahlen beim Nachwuchs seit der WM in die Höhe. Was bedeutet die WM in Deutschland für den Handball?

Ich glaube schon, dass es einen unheimlichen Schub für uns geben wird. Handball ist meiner Meinung nach die Sportart Nummer zwei in Deutschland, es werden richtig viele Leute auf den Beinen sein. Es wird viel berichtet werden. Das ist für unseren Sport ein wichtiges Turnier.

Werden Ihre Freunde und Bekannten auch in den Hallen mitfiebern?

Ja, natürlich. Sofern sie Karten gekriegt haben. Das war ja nicht so einfach, weil die Tickets für die deutschen Spiele schnell vergriffen waren. Einige müssen vor dem Fernseher sitzen, andere werden in der Arena sein.

Wie bei der Fußball-WM wird es Public Viewing geben. Riesige Fanmeilen beim Handball sind aber nicht so einfach vorstellbar.

Es wird sicher so sein, dass man das lieber in der Masse anschaut als alleine vor dem Fernseher. Wer das Flair mitkriegen will, wird das in den Hallen machen, wo es Public Viewing gibt. Das ist im Januar natürlich anders als bei der Fußball-WM, weil man es nicht draußen machen kann.

Ist Handball nicht sogar die bessere Sportart für Public Viewing? Man muss nicht so lange bis zum nächsten Tor warten.

Im Handball passiert wesentlich mehr als beim Fußball. Auf der anderen Seite passiert so viel, dass man gar nicht ständig jubeln kann. Man hat gerade die Hände hochgerissen, da kann man sie schon wieder runternehmen, weil der andere auch getroffen hat. Handball ist eine interessante Sportart zum Anschauen, ausgelassen jubeln nach einem Tor kann man aber vor allem, wenn es kurz vor Schluss das entscheidende war.

Viel Zeit, sich für diese Tore noch einmal einzuspielen, hat die Nationalmannschaft nicht.

Im Handball ist es jedes Jahr das Gleiche. Die großen Turniere starten ungefähr am 20. Januar. Da der letzte Spieltag der Bundesliga um den 30. Dezember des Vorjahres herum ist, hat man nur drei Wochen Zeit, sich vorzubereiten. Nur vor den Olympischen Spielen ist etwas mehr Zeit dafür. Es findet halt jedes Jahr ein großes Turnier statt.

Sind Sie wegen der kurzen Vorbereitung im Nachteil?

Mannschaften, die lange zusammenspielen, haben mit Sicherheit einen Vorteil. Die Laufwege spielen im Handball eine große Rolle. Auf der anderen Seite muss man sehen, dass alle Spitzennationen mit Spielern aus der starken Bundesliga oder Spanien besetzt sind. Die treffen sich auch erst am 3. Januar, deshalb herrscht Chancengleichheit.

Wie sind denn die Chancen Ihres Teams? Sind Sie so stark wie 2004, als Sie Europameister wurden und Silber bei Olympia holten? Außer Ihnen sind danach viele Leistungsträger zurückgetreten.

Es ist falsch, frühere Mannschaften mit der jetzigen zu vergleichen. Das wäre so, als wenn man die Weltmeister-Mannschaft von 1978 mit dem Europameisterteam von 2004 vergleichen würde. Das sind andere Spieler. Die Mannschaft hat bei der WM in Tunesien 2005 gute Ansätze gezeigt, gegen die Teams gewonnen, gegen die man gewinnen muss, und gegen die Topteams war sie immer ganz dicht dran. 2006 in der Schweiz wurde nur ein Spiel verloren, gegen den Europameister Frankreich. Das hat Platz fünf bedeutet. Die Weltspitze ist eng zusammen, und die Mannschaft ist in der Lage, gegen die großen Teams zu bestehen und auch zu gewinnen. Es ist wichtig und in den Köpfen der Spieler drin, dass man gegen jeden eine Chance hat.

Was kann die Mannschaft nicht so gut?

Der Unterschied besteht darin, dass die Mannschaft, die 2004 Europameister geworden ist, zehn Jahre lang zusammengespielt hat. Jetzt ist die Mannschaft neu formiert mit vielen jüngeren Spielern. Aber unsere Art, Handball zu spielen, hat sich nicht verändert. Insofern ist die Ausgangslage vor der WM ähnlich wie vor zwei Jahren. Auch da konnten wir gegen sieben oder acht große Nationen verlieren oder gegen alle gewinnen. Die Frage wird sein, ob wir über das ganze Turnier konstant spielen können. Es ist wichtig, dass wir gut reinkommen.

Im Fußball wäre das Eröffnungsspiel gegen Brasilien gleich ein Knüller.

Ja (lacht). Im Fußball sind sie vielleicht die Nummer eins der Weltrangliste, im Handball ist Brasilien aber etwas weiter hinten.

Sie sind der Kapitän. Müssen Sie eingreifen, wenn der Funke in den nächsten Wochen auf die Sportnation überspringt?

Das ist ein Thema in der Mannschaft, und die Außendarstellung wird auch koordiniert. Es ist wichtig, vorher zu wissen, was alles passieren kann. Die Erwartungserhaltung wird sehr hoch sein, damit muss man sich auseinandersetzen. Aber das wird schon alles angesprochen, wir haben ja auch einen erfahrenen Trainerstab. Ich finde es einfach toll, wie man das jetzt beim Fußball gesehen hat, dass man stolz sein kann, Deutscher zu sein, und das auch nicht mehr versteckt. Das finde ich nicht negativ, sondern sehr positiv. Ich denke, dass wir in den Hallen und auch beim Public Viewing viel Schwarz- Rot-Gold sehen werden. Da wird automatisch eine gute Stimmung aufkommen. Wichtig ist, dass wir uns als Mannschaft auch positiv darstellen und gut spielen. Das ist natürlich ausschlaggebend.

Wir sind gespannt.

Es wird nicht so groß werden wie im Fußball. Aber es wird größer werden als alles, was bisher im Handball war. Da bin ich mir sicher.

Das Gespräch führte Mathias Klappenbach.

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