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Murks hoch zwei. Schweinsteiger sieht die Rote Karte, Deutschland unterliegt Kroatien im zweiten Spiel der EM 2008 mit 1:2.

© picture-alliance/ dpa

Wird's schwer gegen Polen?: Das verflixte zweite Spiel für die deutsche Mannschaft

Die deutsche Nationalmannschaft tut sich im zweiten Turnierspiel oft schwer. Zufall? Oder ist Schlimmes zu erwarten für das Spiel gegen Polen?

Friedrich Nietzsche hat vermutlich nicht besonders viel Ahnung vom Fußball gehabt, dafür hat er die menschliche Seele umso besser verstanden. „Kein Sieger glaubt an den Zufall“, hat Nietzsche einmal festgestellt. Wenn er Recht hat, glauben also nur Verlierer an Zufälle. Sie helfen einem über das eigene Versagen hinweg. Gerade im Fußball, der für jede Lebenssituation die passende Statistik bereit hält. Kein Sieg gegen Gegner X seit soundsoviel Jahren? Zufall! Reiner Zufall!

Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft zum Beispiel hat jedes große Turnier mit einem Sieg begonnen, seitdem Joachim Löw Bundestrainer ist, zuletzt am Sonntag in Lille gegen die Ukraine. Nicht einmal ein Gegentor haben die Deutschen in diesen fünf Begegnungen kassiert, ihrerseits aber 13 Tore erzielt. Bitte, das kann doch kein Zufall sein. Nein, das ist natürlich perfekte Vorbereitung gepaart mit fußballerischer Klasse und mentaler Stärke.

Es ist das schlimmste zu befürchten

Zufall ist höchstens, dass sich die Nationalmannschaft im zweiten Turnierspiel schwer tut. „Wenn es dafür eine Formel geben würde, hätten wir es längst abgestellt“, sagt Sami Khedira. „Vielleicht waren wir nach dem guten ersten Spiel zu zufrieden.“ Im zweiten tut sich die Mannschaft so schwer, dass der „Spiegel“ den „Fluch des zweiten Spiels“ ausgerufen hat und man vor dem Duell mit Polen heute das Schlimmste befürchten muss.

Von vier zweiten Turnierspielen hat Löw als Bundestrainer nur eins gewonnen. Das war 2012 bei der EM gegen Holland. Alle anderen zweiten Spiele sind eher unerquicklich verlaufen. Löw folgt damit einer zweifelhaften Tradition des deutschen Fußballs. Schon vor seiner Zeit, bei den Weltmeisterschaften 1994 (1:1 gegen Spanien), 1998 (2:2 gegen Jugoslawien nach 0:2) und 2002 gegen Irland (1:1 durch ein Gegentor in letzter Minute), endete das zweite Gruppenspiel nicht wie erhofft.

In Brasilien kam Deutschland glimpflich davon

Bei Löws ersten beiden Turnieren als Cheftrainer hat die Nationalmannschaft sogar verloren. 2008 unterlag sie Kroatien 1:2. Der damals noch jugendlich wilde Bastian Schweinsteiger sah zudem kurz vor Schluss für eine Tätlichkeit die Rote Karte. 2010, bei der Weltmeisterschaft in Südafrika, flog Miroslav Klose gegen Serbien mit Gelb-Rot vom Platz, das Spiel ging 0:1 verloren. Vor zwei Jahren in Brasilien kam Löws Team gerade noch glimpflich davon: Miroslav Klose traf gegen Ghana nach seiner Einwechslung noch zum 2:2-Endstand.

Letztlich ist sowieso alles gut ausgegangen. In der Gruppenphase sind die Deutschen noch nie gescheitert. Und vielleicht lag das auch daran, dass die Niederlagen eine belebende Wirkung hatten: weil sie der Nationalmannschaft schon früh im Turnier die Sinne geschärft haben und die Spieler bereits in der Vorrunde in den Alles-oder-nichts-Modus schalten mussten. Heilsam werden solche Niederlagen in der Sprache des Fußballs genannt. Oder, um es mit dem Philosophen Diogenes zu sagen: Zufälle sind unvorhergesehene Ereignisse, die einen Sinn haben.

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