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Wirtschaftliche Bilanz: Schlechte Geschäfte mit der EM

Am Anfang war die Euphorie: Politiker und Wirtschaftsvereinigungen in der Schweiz und in Österreich priesen die gemeinsam veranstaltete EM als große Chance für die heimische Wirtschaft. Hunderte Millionen Euro und Franken wurden in die Infrastruktur investiert. Doch zur Halbzeit der EM gibt es enttäuschte Gesichter.

In acht Austragungsstädten überwiegen die Klagen. Der erwartete Touristenansturm blieb ebenso aus wie der Run auf die großen Fanzonen. Das unerwartet schlechte Wetter tat ein übriges.  Besonders frustriert ist die Tourismusbranche. Viele Hotels meldeten lange vor dem ersten Anpfiff: „Wir sind ausgebucht.“ Doch der Jubel war voreilig. „Bis auf die großen Fünf-Sterne-Hotels gibt es praktisch in allen Städten noch genügend Hotelbetten“, sagt der Salzburger EM-Beauftragte Martin Roseneder.

In Österreich ist es fast überall das gleiche Bild. „Wir haben allerdings die Hoteliers schon im März 2007 angeschrieben und sie vor zu hohen Erwartungen gewarnt“, sagt Vera Schweder von der Wiener Tourismus-Zentrale. „Aus den Erfahrungen von Deutschland während der WM wussten wir, dass man nicht mit einem großen Boom rechnen konnte.“

Was den Deutschen passierte, geschah nun auch in Österreich und der Schweiz: „Große Reiseveranstalter hatten vorab große Zimmer-Kontingente gebucht und sie dann kurz vor der EM wieder abbestellt.“ Wien traf es gleich doppelt hart: Nicht nur viele der üblichen Städtetouristen blieben der Hauptstadt fern. Für die Zeit der EM wurden auch alle internationalen Kongresse abgesagt, die sonst Zehntausende an die Donau ziehen. Das Ergebnis: Halbleere Straßencafès zur Mittagszeit und unerwartet leere Geschäfte.

Vor allem die Taxifahrer jammern. Die vielen Absperrungen in den Städten machten ihnen das Leben schwer, „und die meisten Fußball-Fans fahren eben kein Taxi“.

Besonders laut sind die Klagen der Geschäftsleute, die für Zehntausende Euros oder Franken Lizenzen für Stände in den Fanmeilen erworben hatten. Nach dem Ausscheiden der Heimmannschaften ist das Interesse am Public Viewing in beiden Ländern weiter gesunken. In Klagenfurt, aber auch in Wien herrscht in den abgesperrten Zonen außerhalb der Spielzeiten oft gähnende Leere. In Klagenfurt wurde bereits eine Fanzone geschlossen, auf den übrigen verloren sich nach dem Ausscheiden Österreichs am Mittwochabend rund 150 Fans. In Wien gaben deshalb 20 von 86 „Standler“ schon nach wenigen Tagen ihre Lizenz zurück. Nur in Innsbruck konnte man bisher nicht klagen. Zehntausende treue Fans sorgten hier überwiegend für gute Geschäfte.

Nicht gut sieht es dagegen auch in der Schweiz aus, wo der Dauerregen in der ersten Woche den Veranstaltern das Geschäft versalzte. Prognosen über den zu erwarteten Touristenstrom stellten sich als weit überhöht heraus. Die von einer großen Schweizer Bank gesponserten, aufwendig gebauten Fan-Arenen in den größeren Schweizer Städten, in denen selbst keine Spiele stattfanden, waren häufig nicht ausgelastet. Die umgerechnet rund zehn Euro teuren Sitzplätze blieben oft leer.

Selbst während der Schweizer Beteiligung waren nur drei der 16 Fan-Arenen, die alle rund 4000 bis 5000 Steh- und um die 1000 Sitzplätze boten, ausverkauft. Angesichts der schlechten Umsätze schloss Migros, der größte Einzelhändler der Schweiz, einige seiner 30 Cateringstände in Basel und setzte 80 von 300 Teilzeitmitarbeiter auf die Straße.

Ein Erfolg war allerdings die Fankurve Bodensee auf der Bregenzer Seebühne. Hier, von wo das ZDF übertrug, waren häufig die 5000 Plätze belegt und für das Viertelfinale wurden die Kapazitäten sogar noch einmal ausgeweitet.   Gewinner der EM 2008 dürfte erwartungsgemäß die Bauwirtschaft sein, die in beiden Ländern Hunderte Millionen Euro und Franken in den Stadien und in der Infrastruktur der Städte verbauten. Und die Werbebranche kann ebenso frohlocken wie die Logistikbranche oder die Eventmanager.

Auch der Staat und die Telekommunikationsbranche, so rechnen Experten, werden ordentlich kassieren, ganz zu schweigen vom Fußballverband Uefa, der mit Milliardeneinnahmen rechnet.

Langfristig, so glaubt Vera Schweder von der Tourismus-Wien, werde sich das Turnier aber auch für den Fremdenverkehr auszahlen. „Wir haben von Anfang an auf die Nachhaltigkeit gesetzt“, sagt sie: „Der weltweite Werbeeffekt der EM mit 9000 internationalen Medienleuten im Land ist unbezahlbar.“ (dpa)

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