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Attention, please! Wladimir Klitschkos WM-Kampf gegen Bryant Jennings im Madison Square Garden droht etwas unterzugehen neben all den Konkurrenzveranstaltungen. Zudem mindert Klitschkos Serie von 17 Titelverteidigungen in Folge die Spannung.

© afp

Wladimir Klitschko gegen Bryant Jennings: Kampf um Aufmerksamkeit

Boxweltmeister Wladimir Klitschko möchte den US-Markt erobern, doch sein heutiger Kampf gegen Bryant Jennings in New York steht im Schatten des Hypes um Mayweather und Pacquiao.

Die Aufmerksamkeit gehört nicht allein dem 300-Millionen-Dollar-Showdown Mayweather gegen Pacquiao am 2. Mai. New York und der Madison Square Garden sind selbst- und geschichtsbewusst genug, dem Mega-Spektakel in Las Vegas eigene Glorie entgegenzusetzen. „The Champion Returns“ heißt das nostalgische Motto für die Schwergewichts-Weltmeisterschaft im Boxen an diesem Samstag zwischen Wladimir Klitschko als dreifachem Titelverteidiger (WBA, WBO, IBF) und Bryant Jennings als frei gewähltem Herausforderer.

Die Rückkehr des Weltmeisters aller Klassen in den Madison Square Garden nach sieben Jahren wird freilich nicht mit einer Parade auf der 5th Avenue willkommen geheißen. Immerhin: Die altehrwürdige „New York Times“ widmete dem historischen Thema die erste und letzte Seite von „Sports Thursday“ mit zwei Artikeln von zwei Autoren. „Wladimir Klitschko als Person ist für die Leserschaft der New York Times interessanter als der Hype um Mayweathers Money, Money, Money“, sagt der Autor des Aufmachers, Joe DePaolo. Die Schlagzeile: „Fighting for Attention“, kämpfen um Aufmerksamkeit. Für sich selbst und die Ukraine. Das ist das spannendere Thema.

Denn es ist ja nicht nur Wladimir Klitschkos persönliche Rückkehr in das Mekka des Boxens, sondern generell das Comeback des Heavyweight Champions of the World, „der einmal als der härteste Bursche auf dem Planeten galt“ („New York Times“). Die Tradition endete mit dem jüngeren Klitschko 2008 und dessen langweiligen Punktsieg über den Russen Ibragimow. Legenden wie Jack Dempsey (1920), Joe Louis (allein achtmal zwischen 1938 und 1947), Muhammad Ali, Joe Frazier (mit ihrem Jahrhundertkampf 1971), Larry Holmes (1979), Evander Holyfield gegen Lennox Lewis (1999) und selbst Witali Klitschko (2003, K.o.-Sieg in der zweiten Runde gegen Kirk Johnson) füllen die Ruhmesliste der schwergewichtigen Garden-Attraktionen.

Klitschkos Rückkehr nach New York wird von dem 300-Millionen-Dollar-Kampf üebrschattet

Natürlich ist der 25. April ein etwas sehr unglücklicher Termin. Der Kampf zwischen Floyd Mayweather und Manny Pacquiao eine Woche später überschattet Klitschkos Rückkehr nach New York in der öffentlichen Wahrnehmung. Und in der Propaganda. Über zwei Millionen erwartete Pay-Per-Views der Bezahlsender HBO und Showtime wollen erst mal verkauft sein. Wladimir Klitschko hingegen ist live und kostenlos im HBO-Abonnement von 60 Millionen Kunden zu sehen. Sportsbars oder Restaurants wie das „Promenade“ auf der 3rd Avenue locken mit Plakaten beider Kämpfe. Klitschko gibt's „free“, sozusagen als visuelle Beilage. Mayweather – Pacquiao kostet minimum 40 Dollar „cover charge“, wie sie die Eintrittsgelder in der Gastronomie hier nennen. Die Aufmerksamkeit für Klitschko leidet auch unter den Playoffs in der NHL mit den New York Rangers und in der NBA mit den Brooklyn Nets. Zudem mindert Klitschkos Dominanz die Spannung. „Es ist kaum zu befürchten, dass er verliert“, merkt die „New York Times“ an.

In Europa füllt Klitschko ganze Fußball-Stadien

Amerika, New York, der Garden wollen wieder Heimat des Heavyweight Champions werden und dessen Terrain nicht weiterhin dem alten Europa überlassen, wo Klitschko Fußball-Stadien füllt. Daher der Vertrag mit HBO, zur Prime Time in New York zu boxen, jetzt gegen Jennings, danach gegen Amerikas Hoffnung Deontay Wilder (33 Siege, 32 durch K.o.). Dann, so der „logische Plan“ (Klitschko), natürlich im lukrativen Pay-Per-View. Jetzt boxt Klitschko etwa für ein Fünftel der Mayweather-Börse.

Wladimir Klitschko reagiert auf alles Gerede und Geschriebene über seinen zu taktischen Kampfstil mit Gelassenheit: „Ich spüre keinen Druck. Ich muss niemanden mehr beeindrucken, nicht das Publikum und nicht die Fernsehsender. Ich weiß, was ich kann. Draufgehen wie es die Amerikaner lieben, ohne auf die Schläge zu achten, die man dabei einsteckt, ist nicht mein Ding. Ich muss nichts mehr beweisen.“

Der Beweis, alle 67 Kämpfe, darunter 27 um die Weltmeisterschaft (Weltrekord), steht am Samstag golden gestickt auf seinem roten Mantel und seiner roten Hose. 17 Titelverteidigungen in Serie, seit neun Jahre Champion – über beiden Marken steht nur noch Joe Louis, nach dem die Plaza vor dem Madison Square Garden benannt ist.

Hartmut Scherzer

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