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Sport: WM 2006: Bewerbung um den Cup am Kap

Sein erstes Fußballturnier organisierte Danny Jordaan auf ungewöhnlichem Terrain: Das Spielfeld war ein staubiges Rund, das von Metallzäunen und Wachtürmen umgeben war. Wie anderswo wurde auch auf Robben Island, der früheren südafrikanischen Sträflingsinsel, stets am Sonnabendnachmittag gespielt.

Sein erstes Fußballturnier organisierte Danny Jordaan auf ungewöhnlichem Terrain: Das Spielfeld war ein staubiges Rund, das von Metallzäunen und Wachtürmen umgeben war. Wie anderswo wurde auch auf Robben Island, der früheren südafrikanischen Sträflingsinsel, stets am Sonnabendnachmittag gespielt. Unter den Augen bewaffneter Aufseher trotteten oft bis zu zehn Teams aus dem kargen Innern der Haftanstalt in den kalten Atlantikwind hinaus. Die Spiele zwischen den hier inhaftierten politischen Häftlingen, darunter Ex-Präsident Nelson Mandela, waren legendär. Jordaan war es zu verdanken, dass die Turniere gut organisiert waren. "Der Fußball und der Befreiungskampf", sagt er heute im Rückblick auf seine siebenjährige Haftzeit auf der Insel, "gehören für mich zusammen."

War es Jordaan damals bereits gelungen, ideologisch verfeindete Widerstandsgruppen zumindest auf dem Fußballplatz zusammenzubringen, will der 49-Jährige nun seinen größten Coup landen: Er möchte die Fußballnationen der Welt im Jahr 2006 zum World Cup am Südzipfel von Afrika vereinen. Der Chef des südafrikanischen Bewerbungskomitees weiß, dass sein Land weltweit einen enormen Sympathiebonus genießt. "Die WM war schon je neunmal in Europa und Amerika, das nächste Turnier wird in Asien stattfinden. Danach muss die WM einfach nach Afrika kommen", sagt er.

Wenn nur politische Überlegungen ins Gewicht fielen, hätte Südafrika keine Konkurrenz zu fürchten. Der Fußball überdeckt hier ein trostloses soziales Umfeld: die hohe Arbeitslosigkeit von rund 40 Prozent, die Armut - und die Gewalt. Fußball ist für viele schwarze Südafrikaner in ihrem täglichen Elend ein Lebenselixier. In den Townships träumt jeder Junge davon, eines Tages für die südafrikanische Elf "Bafana Bafana" (unsere Jungs) zu spielen. Schon deshalb trägt die Bewerbung zur Ausrichtung der WM für viele die große Hoffnung auf eine bessere Zukunft. "Der World Cup", doziert Danny Jordaan, "wird Hunderttausenden Arbeit bringen, den Menschen in unserem Land neuen Mut und der Entwicklung überall in Afrika neue Anstöße geben."

Südafrika befindet sich kurz vor der Vergabe des Turniers in gespannter Erwartung. Selbst die sonst stets formell gekleideten Nachrichtensprecher haben ihre Anzüge abgestreift und sich statt dessen seit einer Woche in lockere Poloshirts mit dem Logo der südafrikanischen Bewerbung gehüllt. Doch Jordaan weiß, dass die Fifa-Oberen nicht so sehr auf Effekt haschende Gags achten, sondern vor allem eine solide finanzielle Grundlage wünschen. Weit entfernt vom Rest der Welt und ohne ein echtes fußballerisches Hinterland stellt Südafrika gerade in dieser Hinsicht ein weit größeres Risiko als etwa Deutschland dar. Unvergessen ist auch die Afrika-Meisterschaft am Kap vor vier Jahren, bei der viele Spiele wegen des geringen Interesses fast unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfanden. Dies soll bei einer WM natürlich anders werden: Ein unterschiedliches Preissystem für Einheimische und Ausländer soll laut Jordaan die Eintrittspreise auch für Schwarze erschwinglich machen und obendrein die weißen Südafrikaner ins Stadion locken, die bislang lieber zum Rugby oder Cricket pilgern.

Zudem hat Südafrika aus der fehlgeschlagenen Olympiabewerbung Kapstadts vor zwei Jahren gelernt. Sein Bewerbungskomitee verließ sich nicht mehr nur auf die dem Land entgegengebrachten Sympathien. Statt dessen unterbreitete man der Fifa eine technisch einwandfreie Bewerbungsstudie. Das Land stützt sich dabei auf seine Erfahrungen mit sportlichen Großereignissen wie dem Rugby-World-Cup vor fünf Jahren. Ironischerweise ist es dem Apartheidsystem zu verdanken, dass die meisten der acht zur Austragung vorgesehenen Städte bereits jetzt Rugbystadien besitzen, von denen die meisten die Fifa-Kriterien erfüllen. Stadionneubauten werden kaum nötig sein. Ebenso klar ist, dass Südafrika als einziges Land des Kontinents die Infrastruktur für eine WM besitzt: gut ausgebautes Straßennetz, ausreichend Hotelbetten und eine funktionierende Telekommunikation.

Doch halten die Afrikaner heute bei der Wahl auch zusammen? Leidvolle Erfahrung hat die Südafrikaner gelehrt, den Treueschwüren seiner Verbündeten zu misstrauen. Schon bei der Olympiabewerbung brach die angeblich felsenfeste afrikanische Allianz im ersten Wahlgang auseinander. Dennoch ist Fifa-Chef Sepp Blatter, ein Befürworter der Bewerbung Südafrikas, so optimistisch, dass er nach dem jüngsten Deal mit Brasilien privat bereits einen Sieg Südafrikas in der ersten Runde prophezeit.

Was dem Land am Kap den Sieg noch streitig machen könnte, ist die Gewalt. Immer wieder hat sich Danny Jordaan in den letzten Monaten darüber beklagt, dass die englische und deutsche Presse zu negativ über Südafrika berichten würde, um damit angeblich der Bewerbung der eigenen Länder zu helfen. Dabei zeigt bereits ein flüchtiger Blick in eine südafrikanische Zeitung, dass die Gewalt am Kap Ausmaße erreicht hat, die alle europäischen Dimensionen sprengt. Seit Wochen tobt zum Beispiel in Kapstadt ein Krieg zwischen Bus- und Taxifahrern um die lukrativsten Routen in die Townships, dem bereits mehrere Passagiere und Busfahrer zum Opfer gefallen sind.

Andererseits ist da die "Mandela-Magic". Jordaan hoffte zwar vergeblich von seinen alten Kontakten auf Robben Island zu profitieren und den inzwischen 81-Jährigen für einen Auftritt in Zürich zu gewinnen. Doch per Video-Clip betonte Mandela: "Afrikas Zeit ist gekommen. Mit der WM 2006 in Südafrika würde nicht nur mein Wunsch in Erfüllung gehen, sondern der einer ganzen Nation." Und die Entwicklung des Landes hat gezeigt: Mit Mandela ist alles möglich.

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