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Jubel und Trauer. Links dreht Angel di Maria ab, neben ihm liegt der Schweizer Torwart Diego Benaglio enttäuscht auf dem Rasen.

© Reuters

Update

WM 2014 - Achtelfinale in Sao Paulo: Spätes Tor in der Verlängerung - Argentinien besiegt Schweiz 1:0

Lange Zeit bieten Argentinien und die Schweiz in Sao Paulo wenig Erbauliches. Auch Superstar Lionel Messi ist weitgehend abgemeldet. Doch am Ende der Verlängerung überschlagen sich die Ereignisse.

Der Himmel war ausnahmsweise mal strahlend blau über Sao Paulo und die Argentinier verneigten sich demütig dankend unter ihm, nachdem sie noch einmal mit dem Schrecken davon gekommen waren. Der große WM-Favorit hatte schon das Aus vor Augen. Den K.o. im Achtelfinale der Fußball-Weltmeisterschaft von Brasilien. Nicht gegen eine Großmacht, sondern gegen die kleine Schweiz.  

Vor 63 255 Zuschauern im Estadio Itaquerao  quälten sich die Argentinier 90 torlose Minuten plus 28 von 30 Minuten der Verlängerung. Dann kam der Mann, der wie so oft den Unterschied machte. Lionel Messi lief den nach großartigem Kampf müde gewordenen Schweizern davon und spielte quer auf Angel di María, der noch die Kraft und die Übersicht hatte, den Ball vorbei am Schweizer Torhüter Diego Benaglio vorbei ins linke Eck zum späten und glücklichen 1:0 zu zirkeln.

Im Gegenzug des verzweifelten Aufbäumens hatte die Schweiz noch die große Chance zum Ausgleich. Benaglio stürmte nach vorn und versuchte sich mit einem Fallrückzieher im argentinischen Strafraum. Xherdan Shaqiri flankte und Blerim Dzemaili traf per Kopf den Pfosten, der zurückprallende Ball sprang an sein Bein und knapp am Tor vorbei. Di María schoss von der Mittellinie knapp über das leere Tor. Ein letzter Freistoß von Shaqiri landete in der Mauer, und dann erst war Schluss. Was für ein Drama!

Hertha-Neuzugang Valentin Stocker saß nur auf der Ersatzbank

„Heute zählt nur der Sieg“, sagte Argentiniens Trainer Alejandro Sabella. „So viele großartige Mannschaften sind schon gescheitert, aber wir sind immer noch dabei“, trotz einer keineswegs großartigen Leistung. Die Schweizer hatten sich hervorragend verkauft im letzten Spiel des scheidenden Trainers Ottmar Hitzfeld. „In den letzten drei Minuten habe ich noch einmal alles erlebt, was ein Trainerleben mit sich bringt“, sagte Hitzfeld. „So etwas erlebt man nur im Fußball, deswegen lieben wir alle den Fußball.“ Gleich sieben Bundesligaspieler hatte er auf den Platz geschickt, genau so viele standen  am Montag beim Abpfiff gegen Algerien in der deutschen Mannschaft. Für den Mittelfeldspieler Valentin Stocker aber reichte es an seinem ersten Arbeitstag als Angestellter von Hertha BSC nur zu einem Platz auf der Ersatzbank.

Das Spiel bestimmten zwar weitgehend die Argentinier, aber die  großen Chancen hatten erst mal die Schweizer. Die erste vergab der Mönchengladbacher Granit Xhaka  nach klugem Rückpass des Münchners Shaqiri. Die zweite bot sich Josip Drmic. Der gerade aus Nürnberg nach Leverkusen gewechselte Stürmer lief aus halblinker Position ganz allein auf  das argentinische Tor und wollte den Ball dann elegant über Sergio Romero chippen. Es blieb beim Versuch und einem lächelnden Romero, dem der Ball in die Arme flog.

Lionel Messi, für solche Kunststücke auch immer zu haben, hatte sich zu diesem Zeitpunkt schon das eine oder andere Mal in der dichten Schweizer Abwehr festgerannt. Es war Hitzfelds Konzept, Messi aus dem Spiel zu nehmen und damit erst gar kein argentinisches  Spiel zuzulassen. Das war so einfallsreich nicht und zeigte doch mit genau dieser Schlichtheit auf, woran es bei den Argentiniern schon in der Vorrunde gehakt hatte. Da verlässt sich eine ganze Mannschaft auf das Genie eines einzelnen, und das ist halt ein bisschen wenig für den ganz großen Erfolg.

Die Schweizer hätten aus der Ratlosigkeit ihres Gegners mehr machen können

Natürlich ist einer wie Messi nie ganz auszuschalten,  auch gegen die Schweiz hatte er reichlich gute bis sehr gute Szenen. Wo aber blieb die Unterstützung seiner Kollegen? Wo war die Verve, mit der Angel di María im Alltag bei Real stürmt?  Wo die Gefahr, die Gonzalo Higuaín beim SSC Neapel verbreitet? Die wertvollsten Beiträge für die argentinische Offensive kamen von Marcos Rojo, was bei allem Respekt vor dem Linksverteidiger von Sporting Lissabon genug sagt über die Spielfreude des vermeintlichen WM-Favoriten.

Die Schweizer hätten aus der Ratlosigkeit ihres Gegners schon ein bisschen mehr machen können, aber ihr laufintensives Spiel kostete viel Kraft, so dass sich das Geschehen mit zunehmender Zeit immer weiter in ihre Hälfte des Platzes verlegte, ohne dass den Argentiniern mehr eingefallen wäre. 

In der Verlängerung bolzten die müden Schweizer erst einmal nur noch  nach vorn. Bis sie dann merkten, dass ihr Gegner auch nicht mehr zu bieten hatte. Also machte sich der Außenseiter einen Spaß daraus, den Ball in gemächlichem Tempo durch die eigenen Reihen laufen zu lassen, was die brasilianischen Zuschauer im Itaquerao mit begeisterten Olé!-Rufen feierten.

Selten ist einer so hoch gehandelten Mannschaft so wenig eingefallen wie dieser argentinischen. Angst lähmte die Schritte in den finalen Minuten der Verlängerung. Die Angst, vielleicht doch noch in einen dummen Konter zu laufen. Die Angst vor den irrationalen Abläufen eines Elfmeterschießens. Und am meisten natürlich die Angst vor einem so frühen Ausscheiden, vor der Wut in der Heimat und der Häme in der restlichen Welt. Aber dann lief Messi allen davon, passte auf di María und das Schicksal nahm seinen Lauf.

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