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Der andere Anführer. Javier Mascherano führte Argentinien ins WM-Finale gegen Deutschland.

© AFP

WM 2014 - Argentinien vor dem Finale: Javier Mascherano: Der kleine Chef

Alles Messi, oder was? Von wegen. Javier Mascherano, nur 1,72 Meter groß, ist der heimliche Anführer der Argentinier. Die Kapitänsbinde benötigt er dafür nicht.

Der Spielplan der Weltmeisterschaft wollte es, das Argentinien sein Halbfinale gegen die Niederlande ausgerechnet am 9. Juli bestreiten musste, dem argentinischen Unabhängigkeitstag. Für die Fans der Südamerikaner ein willkommener Anlass, politische Geschichte und Fußball zusammen zu führen. Im Morumbi-Stadion von Sao Paulo hielten sie Transparente mit Abbildungen von heldenhaften Argentiniern hoch. General José de San Martín war da zu sehen, der Unabhängigkeitskämpfer und Che Guevara. Nur hatten alle Figuren auf den Plakaten das gleiche Gesicht: das von Javier Mascherano, dem Mittelfeldspieler, der dann 120 Minuten lang tatsächlich einen heldenhaften Kampf für sein Land führte. Mascherano rackerte, scheute keinen Zweikampf und war mit traumwandlerischer Sicherheit immer dort, wo er gerade gebraucht wurde. Als er in der ersten Halbzeit mit seinem Gegenspieler zusammenstieß, lag er kurz benommen auf dem Boden, rappelte sich aber bald wieder auf. Im Halbfinale rausgehen? Nicht mit ihm!

Sein Ausscheiden hätte vermutlich auch das Aus für Argentinien bedeutet. Neben Lionel Messi ist Mascherano der wichtigste Spieler im Team. Er ist das Bindeglied zwischen Abwehr und Angriff, den zwei Mannschaftsteilen, die bei den Argentiniern traditionell ein Eigenleben führen. Verbinden, zusammenführen, vermitteln – Javier Mascherano hat sich all das zur Aufgabe gemacht. Nicht nur auf dem Feld.

innige Freundschaft mit Lionel Messi

In der Nationalmannschaft ist er der heimliche Chef. Wie die Rollenverteilung in der Selección lautet, war im Spiel gegen die Niederländer vor der Verlängerung zu erkennen. Nachdem Trainer Alejandro Sabella eine kurze Ansprache gehalten hatte, übernahmen die zwei, auf die es bei Argentinien wirklich ankommt: Zuerst redete Messi, dann ergriff Mascherano das Wort. Seine Stimme ist nicht besonders tief und auch nicht besonders laut, aber Mascherano verfügt über die Gabe, das rechte Wort zur rechten Zeit zu finden. Er ist ein begnadeter Redner. Seine Worte vor dem Viertelfinale gegen Belgien rührten einige Mitspieler zu Tränen. Messi heulte hemmungslos, wie die Zeitung „Olé“ später herausfand.

Die zwei verbindet eine innige Freundschaft, nicht erst seit ihrer gemeinsamen Zeit in Barcelona. Beide kamen ungefähr zur gleichen Zeit zur Nationalmannschaft, Messi war 18, Mascherano 21 Jahre alt. Mascherano, unter Diego Maradona noch Kapitän der Auswahl, war es, der Sabella darin bestärkte, Messi zum Kapitän zu machen. Er war überzeugt, dass Messi mit der Binde am Arm mehr Sicherheit in der Nationalmannschaft erlangen und endlich Verantwortung übernehmen würde. So kam es auch.

Guardiola: "Er ist sehr intelligent und fleißig"

Mascherano benötigt keinen Stofffetzen, um Einfluss auszuüben. In Barcelona, bei seinem Klub und in der Nationalmannschaft nennen sie ihn „el jefecito“, den kleinen Chef. Eine Anspielung auf seine geringe Körpergröße, Mascherano ist nur 1, 72 Meter groß. Keine idealen Voraussetzungen für einen, der entweder als Innenverteidiger (in Barcelona) oder im defensiven Mittelfeld (Argentinien) zum Einsatz kommt. Seine fehlende Größe macht er durch außergewöhnliches Spielverständnis wett. Mascherano sieht Dinge auf den Feld, bevor sie passieren. Sein ehemaliger Trainer Pep Guardiola sagte vor wenigen Tagen bei einer Podiumsdiskussion in Buenos Aires über ihn: „Er ist sehr, sehr intelligent.“ Und fleißig. Als er vor vier Jahren aus Liverpool nach Barcelona wechselte, raunte das anspruchsvolle Publikum im Camp Nou. „Der hat kein Barça-Niveau“. Die Kritik ließ Mascherano nicht verzweifeln, im Gegenteil. Nach den Trainingseinheiten ging er nicht wie die anderen nach Hause, sondern schaute im Innenraum des Stadions stundenlang Videos, um das anspruchsvolle Spiel unter Guardiola zu verstehen.

Bald darauf war er fester Bestandteil der besten Mannschaft der jüngeren Fußball-Historie.

Mascherano gewann die Champions League, den Weltpokal, die spanische Meisterschaft, die Copa del Rey und den Supercup. Nur der WM-Pokal, der fehlt ihm noch. Sebastian Stier

Vor dem Spiel gegen Belgien hielt er in der Kabine eine Rede, die Messi zu Tränen rührte

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