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Spaniens Nationaltrainer Vicente del Bosque.

© AFP

WM 2014 - Auftaktspiel für Spanien: Das letzte große Turnier für die goldene Generation

Nach zwei EM-Titeln und dem Triumph bei der WM 2010 soll der nächste Erfolg der Spanier bei der Fußball-WM in Brasilien gelingen. Trainer Vicente del Bosque hat das Team dafür sanft reformiert.

Die wenigen freien Minuten vor dem ersten WM-Spiel gegen die Niederlande hat Vicente del Bosque mit Lesen verbracht. „Atrévete a motivarte“ von Jorge Carretero und Juan Carlos Cubeiro. „Wag es, dich zu motivieren.“

Gut möglich, dass der Trainer der spanischen Nationalmannschaft noch die eine oder andere Anregung aufnehmen wollte. Schließlich wird es für Spanien in Brasilien trotz der schweren Gruppengegner Niederlande, Chile und Australien genau darum gehen: um die Bereitschaft, sich zu motivieren.

Ein wenig Unterstützung dabei dürfte den Spielern gut tun. Sich zu motivieren ist eine Kunst, wenn man in den vergangenen Jahren so ziemlich jeden Pokal gewonnen hat, der im Fußball Relevanz besitzt. Mit ihren Klubs feierten sie Siege in der Champions League und der Europa League, mit dem Nationalteam liest sich die Bilanz nicht weniger beeindruckend: Europameister 2008, Weltmeister 2010 und wieder Europameister 2012. Seit sechs Jahren ist die „Selección“ bei den beiden wichtigsten Nationenturnieren ungeschlagen. Die vergangenen Jahre werden als die Epoche der spanischen Dominanz in die Historie des Fußballs eingehen. Drei aufeinander folgende Siege bei Welt- und Europameisterschaften gab es noch nie. Rein an den Resultaten gemessen handelt es sich um das erfolgreichste Nationalteam der Geschichte. Eine der meistgestellten Fragen vor der Fußball-WM in Brasilien lautet daher: Wann endet diese Ära?

Die größte Veränderung plant del Bosque im Angriff

Erste Anzeichen dafür wollen Experten 2013 beim Confed-Cup erkannt haben. Ein wie entfesselt aufspielendes Brasilien überrollte müde und in die Jahre gekommene Spanier 3:0 im Finale. Satt seien die Spieler, überfressen vom ständigen Siegen, hieß es in der Heimat. Den Hunger auf Pokale hätten sie inzwischen verloren.

Iker Casillas streitet das ab, aber der Kapitän verkündete jüngst im spanischen Fernsehen: „Das Ende der goldenen Generation des spanischen Fußballs ist nahe.“ Casillas plant, nach der WM womöglich aus dem Nationalteam zurückzutreten. Xavi, David Villa, Xabi Alonso oder Fernando Torres könnten ihm folgen.

Seit dem Gewinn der EM 2008 hat sich die Mannschaft personell auf den ersten Blick kaum verändert. Von jenen, die vor vier Jahren in Südafrika Weltmeister wurden, sind in Brasilien noch immer 16 Spieler dabei. Trotzdem hat es Trainer del Bosque geschafft, sein Team weiterzuentwickeln. Nicht brachial, sondern langsam, zurückhaltend, ja fast unbemerkt. Del Bosque bleibt der Philosophie von Ballbesitz und Kurzpassspiel treu, nur das Personal zur Umsetzung wurde jünger. Als linker Außenverteidiger hat sich Jordi Alba, 25, seit der EM 2012 etabliert. Auf der rechten Seite kämpft Cesar Azpilicueta, 24, um einen Stammplatz. Und als Ersatz für den in die Jahre gekommenen Xavi, 34, steht Koke von Atletico Madrid, 22, bereit. Eigentlich war Thiago dafür vorgesehen, aber der Mittelfeldspieler vom FC Bayern verletzte sich vor der WM. Vergessen wird oft, dass andere Leistungsträger wie Piqué, Sergio Ramos, Cesc Fabregas, David Silva, Sergio Busquets oder Juan Mata erst mitten in den Zwanzigern sind, weil sie schon so lange für die Nationalmannschaft spielen.

Ein eingebürgerter Brasilianer soll die Tore schießen

Die größte Veränderung plant del Bosque vorn. Bei der EM ließ der Trainer oft ohne echten Mittelstürmer spielen. Viele klein gewachsene, ballsichere Mittelfeldspieler ließen das spanische Kurzpassspiel zum Offensiv-Catenaccio werden. Spanien gab den Ball nur selten her, kassierte nur ein Gegentor, hatte aber Probleme, Tore zu erzielen. Das soll in Brasilien ein Brasilianer ändern. Der mit viel Getöse eingebürgerte Diego Costa, 25, von Atletico Madrid ist ein echter Mittelstürmer. Einer, wie ihn Spanien schon lange nicht mehr hatte. Groß, wuchtig und nervenstark vor dem Tor. In der abgelaufenen Saison erzielte Costa 27 Tore in der Primera Division. Obwohl der Angreifer Probleme mit Verletzungen hatte, scheint del Bosque gewillt, ihn bei der Neuauflage des Finales von 2010 gegen die Niederlande aufzubieten.

Costas sportliche Integration war vor der WM del Bosques größtes Projekt, konnte wegen der gesundheitlichen Probleme des Stürmers aber nicht komplett vollzogen werden. Spanien spielt anders Fußball, als es Costa von seinem Klub Atletico Madrid gewohnt ist. Dort hatte er stets viel Raum und konnte seine Schnelligkeit bei Kontersituationen ausspielen. Das wird ihm bei der ballbesitzorientierten Spielweise der Selección verwehrt bleiben. Bei seinem Debüt gegen Italien wirkte Costa im Passwirbel seiner neuen Mitspieler noch verloren. Jeder Fehlpass von ihm dürfte von den Brasilianern mit Häme begleitet werden. Seine Entscheidung für Spanien kam in Brasilien nicht gut an.

Diego Costa verfügt also über reichlich Motivation. Nachhilfe aus Büchern hat er nicht nötig.

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