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Banger Blick. Brasiliens Fans fürchten bei der Heim-WM nichts mehr als eine Wiederholung des historischen Desasters von 1950. Die potenziell schwere Gegnerschaft in der K.-o.-Runde lässt manchen zittern. Foto: Imago

© imago sportfotodienst

WM 2014: Hölle auf den zweiten Blick

Nach der Freude über die WM-Gruppe dämmert dem Gastgeber Brasilien, dass ihm im Achtelfinale Spanien oder Holland drohen.

Später an diesem Abend von Costa do Sauipe öffnete sich die Hölle einen Spalt weit und die Trompeten spielten auf. Erst einmal nur symbolisch und entsprechend leise, aber doch nicht zu überhören. Das war, nachdem sich die Zufriedenheit der Brasilianer gelegt hatte über dieses kommode Los bei der Zusammenstellung der Vorrundengruppen der Fußball-WM im kommenden Jahr. Kroatien, Mexiko und Kamerun – hätte schlimmer kommen können.

Ein wenig später ging ihnen dann auf, dass so eine Weltmeisterschaft ja erst nach der Vorrunde so richtig beginnt. Im Achtelfinale, dem ersten K.-o.-Spiel in Richtung Finale. Als mögliche Gegner im Fall eines fest eingeplanten ersten Platzes in der Vorrundengruppe A stehen bereit: Weltmeister Spanien, schlimm genug. Und, schlimmer noch, weil mit dunklen Erinnerungen belastet: die Niederlande. „Die Fußballgötter waren erst sehr freundlich, aber danach könnte es noch sehr anstrengend werden“, titelte die Zeitung „Lance“.

Im Sommer jährt sich zum vierten Mal der Tag, an dem sich die Brasilianer höchst unrühmlich von der Weltmeisterschaft 2010 in Südafrika verabschiedeten. Es ging damals im Viertelfinale gegen die Holländer. Das geschah im Stadion von Port Elizabeth, es trug den Namen von Nelson Mandela, dessen Tods die Brasilianer am Freitag während der Auslosung so feierlich gedachten. Im abergläubischen Brasilien wird so etwas schon mal als schlechtes Omen gewertet.

In diesem Viertelfinale spielte Brasilien nicht, Brasilien kämpfte nicht und folgerichtig gewann Brasilien auch nicht. Irgendwie war Brasilien nicht Brasilien. 1:2 hieß es gegen die Niederländer, und noch während im Mannschaftshotel tränenreich der Abschied von Trainer Carlos Dunga begangen wurde, sammelten sich draußen die Fans. Sie hatten ihre Vuvuzelas dabei, die südafrikanischen Trompeten, sie klangen wie Trompeten aus der Hölle und bereiteten der Mannschaft eine schlaflose Nacht, die wohl keiner der damals Beteiligten je vergessen hat.

Das Inferno von Port Elizabeth aber wäre nur eine lauschige Nachtmusik im Vergleich zu dem, was die Brasilianer im Falle eines frühen Abschiedes von der WM daheim erwarten würde. Das Land hätte ein neues Trauma, größer noch als das nationale Unglück von 1950. Damals, bei der ersten WM in Brasilien, wurde im Maracana von Rio gegen den kleinen Nachbarn Uruguay der fest gebuchte Titel verspielt. 1:2 verlor Brasilien, das finale Tor schoss Alcides Ghiggia, er lebt immer noch und war eine der Losfeen am Freitag in Costa do Sauipe.

Es war dies die einzige WM, bei der es eine Endrunde mit vier Mannschaften gab und kein Endspiel. Wie zum Trotz merkte Brasiliens Trainer Luiz Felipe Scolari an: „Wir werden jedes Spiel wie ein Finale spielen.“ Scolari hat Brasilien zur bislang letzten gewonnen Weltmeisterschaft geführt. Das war in Yokohama gegen Deutschland und ist jetzt auch schon bald zwölf Jahre her. Scolari sprang spät ein und er hat es geschafft, der Mannschaft einen neuen Stil von Arbeitsethos und Fantasie zu vermitteln. Das zeitigte im Sommer einen ersten Prestigeerfolg beim Confed-Cup mit einem 3:0-Sieg im Finale ausgerechnet gegen den potenziellen WM-Achtelfinalgegner Spanien, aber so weit mochte Scolari in Costa do Sauipe noch nicht denken. Erst einmal zählt Kroatien, der Gegner im Eröffnungsspiel. „Es ist immer gut, mit einem europäischen Team zu beginnen, denn die Europäer brauchen in Brasilien immer eine Zeit der Eingewöhnung“, sprach der Mann, den sie alle Felipao nennen, den großen Felipe. „Wir leben und arbeiten hier und kennen das Land. Das ist ein Vorteil.“

Wohl wahr, aber auch Luiz Felipe Scolari weiß, wie schnell dieser Vorteil in einen Nachteil umschlagen kann. Für Brasilien zählt bei der WM nichts als Platz eins, und mit diesem Druck kommt nicht jeder klar. Die Zeitung „O Globo“ bemühte sich denn auch gleich, die Rolle des Favoriten an den brasilianischen Lieblingsfeind zu delegieren: „Den leichtesten Weg zum Finale hat Argentinien.“ Zum Beispiel mit einem gar nicht so unwahrscheinlichen Spiel im Viertelfinale gegen Deutschland.

Die Auslosung am Freitagabend in Costa do Sauipe ergab folgende Vorrundengruppen:

Gruppe A

Brasilien

Kroatien

Mexiko

Kamerun

Gruppe B

Spanien

Niederlande

Chile

Australien

Gruppe C

Kolumbien

Griechenland

Elfenbeinküste

Japan

Gruppe D

Uruguay

Costa Rica

England

Italien

Gruppe E

Schweiz

Ecuador

Frankreich

Honduras

Gruppe F

Argentinien

Bosnien-Herzegowina

Iran

Nigeria

Gruppe G

Deutschland

Portugal

Ghana

USA

Gruppe H

Belgien

Algerien

Russland

Südkorea

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