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Wellenreich. Blick vom Campo Bahia, dem WM-Quartier des deutschen Nationalteams.

© dpa

WM 2014: Interview mit Arne Friedrich: „Man kriegt es irgendwann am Kopf“

Der frühere Nationalspieler und Hertha-Kapitän Arne Friedrich hat schon viele Turnier-Unterkünfte erlebt. Im Interview erzählt er, warum die Stars auch mal Kind sein wollen und wie man einen Lagerkoller vermeiden kann.

Herr Friedrich, waren Sie schon drin?
Wo, im Campo Bahia?

Darum geht es doch, oder?

Nein, war ich noch nicht. Aber das wird sich bestimmt noch ergeben.

Sie sind also nicht ausgesperrt, weil Sie als Co-Kommentator beim chinesischen Fernsehen auf der falschen Seite stehen?

Nein, Uli Voigt …

… von der Presseabteilung des DFB …

… hat mich schon gefragt, ob ich mal im Quartier vorbeischauen möchte. Irgendwann werde ich das bestimmt machen. Aber der Zeitpunkt muss auch passen.

Aber wenn Philipp Lahm einen Gegner beim Tischtennis benötigt, stünden Sie bereit.

Am Ende haben wir gar kein Tischtennis mehr gespielt, sondern Snooker. Nein, das wird nicht passieren. Die Mannschaft hat hier einen wichtigen Job zu erledigen. Wenn ich das Quartier besuche, wäre ich nur noch Gast.

Nach allem, was man über das Campo Bahia weiß, ist die Unterkunft herausragend, sie liegt dazu noch direkt am Meer. Sind Sie ein bisschen neidisch?

Meine Unterkunft liegt auch direkt am Meer. Ich kann mich nicht beklagen. Natürlich ist für die Nationalmannschaft alles noch ein bisschen luxuriöser. Ich habe das schon öfter gesagt: Als Nationalspieler ist es wie im Paradies, man hat die allerallerbesten Bedingungen. Aber neidisch bin ich nicht. Das ist mir fremd.

Im Campo Bahia hat man kurze Wege, die Spieler leben in einer Art WG. Die Idee dahinter: Wenn ich im richtigen Leben Wege für meinen Kollegen gehe, mache ich das auch im Spiel. Ist das zu hoch gegriffen?

Überhaupt nicht. Das ist eine brillante Idee. Man unternimmt vielleicht auch mal was mit jemandem, mit dem man sonst wenig zu tun hat; man löst Probleme in der Gruppe – das ist doch genau das, was wir auch auf dem Platz brauchen. Ich bin gespannt, wie weit das funktioniert. Deshalb würde ich das Camp auch gerne mal sehen. Das ist schon eine Neuheit.

Was die Mannschaft beim Quartier mitentscheiden darf

Ist es wichtig, ein Einzelzimmer zu haben?

Bei einem Turnier braucht man definitiv ein Einzelzimmer. Wenn man 24 Stunden aufeinanderhängt, kriegt man es irgendwann am Kopf. Man muss auch mal einen Rückzugsort haben, wo man für sich sein kann, in Ruhe telefonieren kann und mal niemanden sieht. Wenn man fünf Tage zusammen ist, sind Doppelzimmer kein Problem. Über sieben Wochen schon.

Welche Rolle spielt das Quartier für den Turniererfolg?

Es ist sehr wichtig. Wenn man wirklich ins Halbfinale oder ins Endspiel kommt, ist man fast sieben Wochen zusammen, und das nur unter Männern. Irgendwann kommt bestimmt ein Tag, wo einem die Decke auf den Kopf fällt, wo vielleicht sogar ein kleiner Lagerkoller entsteht – für den Teamgeist ist das nicht gerade förderlich. Deshalb achten Oliver Bierhoff und seine Mitarbeiter darauf, dass die Mannschaft wirklich die besten Bedingungen vorfindet. Dass man sich wohlfühlt, kann kein Nachteil sein, definitiv nicht.

Hat die Mannschaft Einfluss auf die Entscheidung, wie das Quartier aussieht?

Auf jeden Fall. Natürlich nicht bei den elementaren Fragen, wo die Mannschaft unterkommt. Aber es werden Details besprochen. Der Trainer und der Manager haben da auch immer ein Feedback aus der Mannschaft gewollt. Wir sind schließlich alle erwachsene Menschen. Und wenn offen miteinander kommuniziert wird, kommt auch Gutes dabei heraus.

Was darf in einem Quartier auf keinen Fall fehlen?

Gute Espressomaschinen.

Für den Bundestrainer?

Nein, für uns alle. Die Freizeitmöglichkeiten sind auch ganz wichtig. Ein guter Spa, Tischtennisplatten, ein Snookertisch. Das hört sich jetzt an wie ein Paradies für große Kinder, aber es ist wichtig, auch Dinge zu machen, bei denen man sich von dem Stress lösen kann. Es ist gut, wenn man ein bisschen zum Kind werden, ein bisschen spielen und Spaß haben kann. Bei der WM 2010 sind wir alle mit Videokameras ausgerüstet worden, da gab es sogar einen Videoschneidekurs. Das macht der DFB sensationell. Man kommt auf andere Gedanken.

In der eigenen Stadt in einem Hotel statt Zuhause wohnen

Es gibt aber auch Kritik an der Rundumversorgung der Nationalspieler.

Man kann natürlich darüber diskutieren, wie weit man gehen muss und wie viel Geld ausgegeben wird. Aber das ist einfach eine Frage der Möglichkeiten, und die hat der DFB. Er hat noch nie einen Kredit für das Quartier der Nationalmannschaft aufnehmen müssen. Deshalb ist das völlig okay und legitim. Wichtig ist nur, dass am Ende eine gute Leistung herauskommt. Wenn wir in der Vorrunde rausfliegen, kommen die Kritiker natürlich gleich um die Ecke. Dann wird alles infrage gestellt. Aber die Nationalmannschaft hat zuletzt immer mit Leistung überzeugt, auch wenn es zum Titel nicht gereicht hat.

Wissen Sie, wie es bei anderen Teams aussieht?

Oh ja. Ich war hier in Porto Seguro mal im Hotel der Schweizer. Eigentlich ist das ein ganz normales Hotel. Beim DFB ist es noch mal ein, zwei Nummern besser, das muss man ganz klar sagen. Das ist ein Unterschied wie Tag und Nacht. 2006 war das im Grunewald genauso. Das Hotel wurde extra für uns umgestaltet. Die dunklen Möbel kamen raus und wurden durch hellere ersetzt.

Sie haben vier große Turniere mit der Nationalmannschaft gespielt. Welches Quartier steht in Ihrer Hitliste ganz oben?

Ganz klar Berlin. Das war perfekt für mich. Ich kannte die Stadt, ich konnte jederzeit mal nach Hause. Das war schon das schönste Camp. Mir hat aber auch Südafrika sehr gut gefallen, obwohl wir relativ abgeschottet waren. Aber das war schon phänomenal. Allein mal in dieser afrikanischen Kultur zu sein.

War es 2006 nicht komisch: in der eigenen Stadt im Hotel zu leben?

Das war definitiv komisch. Vor allem weil ich damals gar nicht weit vom Hotel entfernt gewohnt habe. Meine Freundin war nur ein paar Häuser entfernt, und trotzdem war man nicht zusammen. Aber die Weltmeisterschaft ist für jeden Fußballer ein so großes Ereignis, dass man unglaublich auf den Erfolg fokussiert ist. Dadurch war das kein Problem.

Haben Sie sich mal zum Hinterausgang rausgeschlichen, um zu Hause vorbeizusehen?

Ich bin auch mal nach Hause gefahren, aber das war natürlich alles abgesprochen. Anders wäre es auch gar nicht gegangen. Das Hotel war eigentlich ständig von Fans belagert, da war es nicht so einfach, sich einfach mal rauszuschleichen.

Fredi Bobic hat einmal erzählt: Bei der EM 2004 sei das Quartier die Hölle gewesen. An der Algarve, weit ab vom Schuss, unter lauter Golf spielenden Rentnern aus England. Das habe für das schlechte Abschneiden auch eine Rolle gespielt.

Unter Rudi Völler haben wir meistens Hotels auf dem Land bezogen, selbst bei den Länderspielen in Deutschland. Die Spieler bevorzugen größere Städte, wo man auch mal was anderes erleben kann. Das war an der Algarve nicht der Fall – aber mit Sicherheit auch nicht der Grund, warum wir so schlecht gespielt oder, man muss es ja so klar sagen: versagt haben.

Sind Sie später noch mal in einem der Turnier-Quartiere gewesen?

Nein, aber gute Idee eigentlich. Das Hotel im Grunewald liegt ja nicht weit weg. Vielleicht schaue ich mal auf einen Kaffee vorbei. Es wäre schon interessant zu sehen, wie es dort heute aussieht.

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