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Mustafi ohne Wert? Der Verteidiger gilt für viele als erster Streichkandidat. Foto: dpa

© REUTERS

WM 2014: Shkodran Mustafi - der große Unbekannte in der Nationalmannschaft

Shkodran Mustafi ist der große Unbekannte unter den deutschen Nationalspielern. Er steht zwar im vorläufigen Aufgebot für die Fußball-Weltmeisterschaft in Brasilien, doch große Chancen werden ihm nicht zugerechnet. Ein Portrait.

In der vergangenen Woche hat Miroslav Klose zusammen mit Shkodran Mustafi einen offiziellen Termin für die Nationalmannschaft wahrgenommen, und bei der gemeinsamen Anfahrt hat Klose interessante Neuigkeiten über seinen jungen Kollegen erfahren - dass sich beide schon einmal als Gegenspieler gegenüber gestanden haben nämlich. Nun hat Klose in seiner langen Karriere schon so viele Spiele bestritten, dass man auch mal eins vergessen kann; seine Begegnung mit Mustafi aber liegt erst ein Jahr zurück. Am vorletzten Spieltag der Saison 2012/13 trafen beide in der Serie A aufeinander. 2:0 hieß es am Ende für Lazio, auch weil Klose kurz vor Schluss noch einen Elfmeter herausholte.

„Das hat mir die letzte Kraft geraubt“, sagt Shkodran Mustafi. Dass ihn die Leute noch nicht so richtig auf dem Schirm haben, scheint den jungen Mann weniger zu plagen.

Shkodran Mustafi, 22 Jahre alt und Innenverteidiger von Sampdoria Genua, ist der große Unbekannte unter den deutschen Nationalspielern. Er steht zwar im vorläufigen Aufgebot für die Fußball-Weltmeisterschaft in Brasilien, doch vermutlich kann Mustafi sich noch immer weitgehend unerkannt in jeder deutschen Fußgängerzone bewegen. „In Italien bin ich ein bisschen zum Fanliebling gereift“, sagt er, „in Deutschland bin ich Mr. Unbekannt.“ Auch deshalb war der Fußballspieler überrascht, als er im März von Bundestrainer Joachim Löw erstmals zur Nationalmannschaft berufen worden war und im Kader für das Testspiel gegen Chile stand: „Ich hatte gedacht, dass ich in Deutschland ein bisschen von der Bildfläche verschwunden bin.“

Klose glaubt an das Talent des Spielers

Der Sohn albanischer Eltern, in Bad Hersfeld geboren, ist bisher unter dem Aufmerksamkeitsradar der hiesigen Öffentlichkeit hinweggeflogen. Vermutlich liegt das in seiner Biografie begründet. An seinem Weg, der eher ein Umweg war. Mit 17 ist Mustafi aus der Jugend des Hamburger SV in den Nachwuchs des FC Everton gewechselt. Seitdem hat er nur noch mit den Juniorenteams des DFB in Deutschland gespielt. Von der U 16 bis zur U 21 hat er alle Nationalmannschaften durchlaufen. Mit der U 17 gewann er 2009 den EM-Titel – an der Seite von Mario Götze und Marc-André ter Stegen, die sich in Deutschland längst einen Namen gemacht haben.

Shkodran Mustafi ist in dieser Hinsicht ebenfalls auf einem guten Weg, wenn auch weiterhin fernab der Heimat. Nachdem er für Evertons Profis nur in einem bedeutungslosen Europa-League-Spiel zum Einsatz gekommen war, wechselte der Innenverteidiger vor zweieinhalb Jahren zu Sampdoria Genua. Seitdem hat er 50 Spiele in der Serie A bestritten. „Ich habe Musti oft gesehen, und ich muss sagen: Er ist zu Recht hier“, sagt Miroslav Klose im Trainingslager in Südtirol. „Für mich macht er in der Defensive bei Sampdoria den Unterschied, er ist der Eckpunkt in der Abwehr.“ Auch Joachim Löws Eindruck aus den Einheiten im Passeiertal ist „überragend gut“.

Englische Athletik gepaart mit italienischer Disziplin

Trotzdem werden Mustafis WM-Chancen als nicht besonders groß erachtet. Vielleicht, weil ihn in Deutschland noch kaum jemand richtig einschätzen kann. Immerhin fehlt der großen Masse – abgesehen von seinem Länderspieldebüt gegen Polen vor zwei Wochen – die eigene Anschauung. Zudem hat Löw noch drei Spieler zu viel in seinem vorläufigen Aufgebot, Mustafi gilt den meisten als erster Streichkandidat.

„Ich bin in den letzten Monaten sehr erfolgreich damit gewesen, gar nicht zu rechnen“, sagt der Innenverteidiger. Und seinen Antrieb bezieht er auch nicht daraus, es irgendjemandem zu beweisen. „Meine Motivation ist einfach, weiterhin meinen Traum zu leben. Aber ich weiß, dass es schneller bergab geht als bergauf.“ Der junge Mann macht einen sehr überlegten Eindruck. „Ich bin der Meinung, dass ich als 22-Jähriger früher gereift bin als manch anderer in meinem Alter“, sagt Mustafi. Er spricht vier Sprachen (Deutsch, Albanisch, Englisch, Italienisch) fließend, wirkt klar im Kopf – und verfügt über einen Vorzug, der angesichts der gesammelten Unwägbarkeiten in Löws Kader nicht zu unterschätzen ist. Mustafi kann nicht nur Innenverteidiger.

„In dieser Saison habe ich so ein bisschen alles gespielt“, sagt er. Dreierkette, Viererkette, in der Innenverteidigung auf beiden Seiten, linker Außenverteidiger, rechter Außenverteidiger. „Ich habe es ganz gut hinbekommen, mich immer anzupassen.“ Mustafi will kein wilder Zerstörer sein, er begreift die Rolle des Verteidigers eher als die des ersten Aufbauspielers. „Wenn ich den Ball habe, spiele ich gerne Fußball“, sagt er.

Shkodran Mustafi kommt inzwischen deutlich windschnittiger daher als noch zu Jugendzeiten. Als er nach England ging, wog Mustafi 82 Kilogramm, jetzt sind es nur noch 73. „In England habe ich mich körperlich weiter entwickelt“, sagt er, „und in Italien ist die taktische Schule hinzugekommen.“ Englische Athletik gepaart mit italienischer Disziplin – für einen Innenverteidiger ist das ganz sicher nicht die schlechteste Kombination.

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