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Update

WM 2014 - Spanien geht gegen Holland unter: Niederlande jetzt Favorit?

Spanien geht gegen die Niederlande zunächst 1:0 in Führung, wird in der zweiten Halbzeit von den Holländern aber regelrecht zerlegt. Am Ende steht ein unfassbares 1:5, an dem der Weltmeister bei der WM 2014 zu kauen haben wird.

Was für ein Tag. Die angekündigten Proteste in Salvador de Bahia waren ausgeblieben, dafür gab es schon vor Anpfiff in der Arena mächtig Rabatz. Die Gastronomie hatte plötzlich vor der wartenden Kundschaft die Rolläden heruntergelassen. Bei 27 Grad unter Himmel regte sich nun Unmut bei den Durstigen. Doch es handelte sich nicht etwa um eine gezielte Guerillaaktion der Stadiongastronomie, sondern schlicht um eine Panne: Die Getränke waren ausgegangen.

Ärger befürchteten viele auch auf dem Rasen. Schließlich handelte es sich um die Neuauflage des WM-Finals von 2010, indem ich die sonst so eleganten Niederländer eher als rustikale Klopper entpuppt hatten.

Nigel de Jong schien anfangs noch die Geister der Vergangenheit zu beschwören, doch bald wurde deutlich, dass die junge Elf von Louis van Gaal von seiner Philosophie ganz anders gegen den amtierenden Weltmeister aufzutreten gedachte, als die Mannschaft von Bert van Marwijk vor vier Jahren in Johannesburg.

Die Holländer hatten den Tag fast wie WM-Touristen begonnen. Wesley Snejder, der an diesem Tag sein 100. Länderspiel für die "Elftal" absolvierte, fläzte nach dem Frühstück beim Espresso in der Lobby des Hotel Deville im Küstenvorort Itapua, wo die Mannschaft für zwei Tage gastierte. Ersatzmann Jan Klaas Huntenlaar kam von einer Joggingrunde zurück. Teile des Stabs aalten sich bis zur Abfahrt am Pool in der gleißenden Sonne. Und jetzt sind sie womöglich einer der großen WM-Favoriten.

Aus der Finalmannschaft von 2010 hatte van Gaal neben Snejder, de Jong nur noch Arjen Robben und Kapitän Robin van Persie in die Startelf berufen. Sein Gegenüber Vincente del Bosque setzte hingegen auf eine Mannschaft mit sieben Spielern, die schon vor vier Jahren in Soccer City gespielt hatten, ergänzt um Atléticos Stürmerstar Diego Costa in der Spitze.

Der Anfang vom Ende aus spanischer Sicht. Robin van Persie trifft mit diesem Flugkopfball kurz vor der Pause zum 1:1.
Der Anfang vom Ende aus spanischer Sicht. Robin van Persie trifft mit diesem Flugkopfball kurz vor der Pause zum 1:1.

© dpa

Ein umstrittener Elfmeter bringt Spanien die Führung

Eben jenen spielte in der 26. Minute Xavi mit einem Steilpass in den niederländischen Strafraum an. Der 22-jährige Rechtsverteidiger Stefan De Vrij grätschte ein wenig zu tief, Diego Costa nahm das Geschenk an, fädelte ein und Schiedsrichter Nicola Rizzoli entschied auf Elfmeter. Xabi Alonso traf sicher zum 1:0. 

Bis dahin hatte das Spiel in der Hand der juvenilen Niederländer gelegen. Nach acht Minuten war Jubilar Snejder – der vor dem Match großzügig verkündet hatte, eine Niederlage sei kein Problem, man habe ja noch zwei weitere Gruppenspiele – allein vorm spanischen Tor auf, scheiterte wie im Finale 2010 sein Partner Arjen Robben an Iker Casillas.   

Durch das Gegentor waren die mutigen Niederländer zunächst in ihrem Spielfluss gestört. In der 42. Minute spielte Andres Iniesta einen seine berüchtigen Steilpässe, David Silva nahm ihn auf und versuchte einen Lupfer über den verdutzten Jasper Cillessen, doch der Ball verfehlte um Zentimeter den Kasten. Nur zwei Minuten später flankte dann der niederländische Rechtsverteidiger Bruno Martins Indi von der Mittellinie in die Spitze. Van Persie war gestartet, an der Strafraumgrenze hob er ab wie ein Kunstturner und wuchtete den Ball mustergültig per Flugkopfball ein. 1:1.

Van Persie stellt das Spiel mit dem 1:1 auf den Kopf

Mit Wiederanpfiff tat sich über in der nicht ganz ausverkaufen Arena Fonte Nova der Himmel auf. Für Minuten schüttete es wie aus Eimern. Und als es aufgehört hatte, machten sich die Niederländern  – angetrieben von der Übermacht der Oranje-Fans auf den Rängen – auf den Weg, dieses Match für sich zu entscheiden. Arjen Robben befreite sich von seinem Final-Trauma, als er eine Flanke von links in der Luft annahm, erst Sergio Busquets, dann Sergio Ramos ausspielte und mit einem Schuss in die Tormitte vollendete.

Der angeschlagene Weltmeister mühte sich, doch es gelang den Spaniern nie mehr sein legendäres Kurzpassspiel aufzuziehen. Holland machte sich die Konfusion des Weltmeisters zunutze. Ein Freistoß von Martins Indi fand in der 64. Minute im spanischen Fünf-Meter-Raum keinen Abnehmer. Ganz hinten aber wartete De Vrij und drückte die Kugel über die Linie.

In der Schlussphase wird der Weltmeister regelrecht vorgeführt

Spätestens nach dem 3:1 wurde es ein historisches WM-Match. Spanien versuchte die drohende Katastrophe mit spielerischen Mitteln zu lösen, lief aber immer wieder in Konter der kombinationssicheren Niederländer. Van Persie spitzelte dem für einen Moment desorientierten Casillas den Ball, trickste den spanischen Rekordinternationalen aus und traf zum 4:1. Mit einem Sprint über den halben Platz machte Robben seinen Abend perfekt. Er vernaschte Iker Casillas, der traurig durch seinen Strafraum irrte, und traf zum Endstand von 5:1. Eine Demonstration der Macht. Holland hätte noch viel höher gewinnen können.

"Dafür lebt man, dafür spielt man Fußball. Das können wir genießen. Ich hatte immer Vertrauen in diese Mannschaft. Wir können schon etwas. Wir müssen nur daran glauben", sagte Arjen Robben und Robin van Persie meinte: "Es ist unglaublich. Für die ganze Niederlande ist ein Traum wahr geworden. Ich kann es nicht erklären, aber es ist fantastisch. Niederländer, geht auf die Straßen. Das müsst ihr genießen."

Selten ist in der WM-Geschichte die Revanche so deutlich ausgefallen, nie haben sich die fußballerischen Vorzeichen, unter denen die beiden Teams gegeneinander antraten, derart ins Gegenteil verkehrt. Auf der einen Seite die Holländer mit ihrem geradezu erotisierenden Konterspiel, auf der anderen ein epochales Team, das erkennen muss, dass seine große Zeit zu Ende ist. Was für ein Tag.

"Wir haben verloren, das müssen wir akzeptieren. In der zweiten Halbzeit gab es viele, viele Fehler. Die Euphorie hat die Niederlande getragen. Wir haben uns in die schwierige Situation selbst gebracht", sagte Trainer Vicente Del Bosque.

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