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Von Kiew nach Manaus. Im Viertelfinale der EM 2012 trafen England und Italien, hier Joe Hart (rechts) und Mario Balotelli, aufeinander. Die Revanche 2014 wird definitiv wärmer werden.

© Imago

WM-Auslosung: Risikoreise in den Urwald

Die italienische Fußball-Nationalmannschaft zeigt sich entsetzt über das schwere WM-Los, das ihr ausgerechnet Frankreichs größter Spieler Zinedine Zidane bescherte, und wittert wieder einmal eine Verschwörung.

Ob das wirklich so eine gute Idee war, Zinedine Zidane als Paten für den zweiten Lostopf nach Costa do Sauipe zu laden? Im zweiten Lostopf fanden sich am Freitag die nicht gesetzten Teams aus Südamerika und Afrika – plus eine Mannschaft aus Europa, bei der die ganze Welt davon ausgegangen war, es werde sich wohl um Frankreich handeln, wegen der schlechtesten Weltranglistenposition aller nicht gesetzten Europäer. Das hätte Zidane in eine unangenehme Lage bringen können, denn ein bisschen Befangenheit ist ja immer im Spiel. Wenn also der größte Fußballspieler, den Frankreich je hatte, seine Nation bei der Weltmeisterschaft im kommenden Jahr in Brasilien in eine kommode Vorrundengruppe gelost hätte, dann wäre das Geschrei wohl groß gewesen.

Es war dann auch groß, allerdings vor einem anderen Hintergrund. Der Weltverband Fifa entschied nämlich kurzfristig, die europäische Mannschaft für den Afrika-Südamerika-Topf ebenfalls durch das Los zu bestimmen. Es traf die Italiener. Als das erst einmal feststand, mochte Zidane ihnen nicht den Gefallen eines lockeren Aufwärmprogramms erweisen. Er platzierte seine lieben Freunde aus Turin, Mailand und Rom in Gruppe D zu Uruguay und England. Die Gazettas und Corrieres wählten nur deshalb nicht den Terminus „Gruppo della morte“, weil Costa Rica als Vierter im Klub doch ein wenig zu schwach ist für eine Todesgruppe.

In Italien sprechen sie lieber vom Risiko, als Dritter die K.-o-Runde zu verpassen. „Zidane schenkt uns eine Risikogruppe“, titelte die Gazzetta dello Sport. Ausgerechnet Zidane... Der Mann hat eine ganz eigene Geschichte mit Italien. In der Serie A sind sie immer noch stolz darauf, dass der filigrane Franzose seine Weltkarriere bei Juventus Turin begann und dort auch auf seinem höchsten Niveau spielte, bis er 2001 zu Real Madrid wechselte. Fünf Jahre später führte ihn sein allerletztes Spiel noch einmal mit den Italienern zusammen und ganz besonders mit Marco Materazzi. Die Geschichte mit Zidanes Kopfstoß in Materazzis Magengrube ist oft erzählt und noch öfter gedeutet worden, und richtig entspannt ist das Verhältnis zwischen dem Franzosen und seiner einstigen Heimat nicht mehr. Da passte das Los von Costa do Sauipe ganz gut rein, zumal sich die Italiener ohnehin verschaukelt fühlten. „Das war eine beschämende Auslosung“, zeterte der Corriere dello Sport. „Wir bekommen Uruguay und England. Frankreich, das weit hinter uns stand, bekommt eine einfache Gruppe. Die Fifa und die Uefa haben Frankreich begünstigt.“

Ohne derartige Verschwörungstheorien wäre der Fußball nicht der Fußball und Italien nicht Italien. Ja, es hätte besser laufen können für den Weltmeister von 2006. Das Los bescherte ihm auch zwei Spiele in Natal und Recife sowie eine Reise in den tropischen Regenwald nach Manaus, wo es viele aufregende Tiere und ein wunderschönes Opernhaus zu bestaunen gibt, das Fußballspielen aber zu einer überaus schweißtreibenden Angelegenheit ausartet. Dazu hat die Fifa dieses Urwaldduell zwischen Italien und England auch noch drei Stunden vorgezogen. Das ist gut für die Fernsehzuschauer in Europa, die jetzt nicht um 3 Uhr nachts aufstehen müssen, um das Spiel zu verfolgen. In Manaus ist es dann allerdings erst 18 Uhr und so heiß und feucht, dass unbedarfte Touristen schon im Stehen schwitzen.

Für Prandelli ist Costa Rica der schwerste Gegner

Engländer und Italiener veranstalten also unter denkbar ungünstigen Umständen eine Neuauflage des EM-Viertelfinals von 2012. Damals gewann Italien im Elfmeterschießen, wie übrigens auch beim letzten Duell mit den nun für Brasilien gesetzten Uruguayern. Das war im vergangenen Sommer im heißen Salvador beim Confed-Cup, als keiner so laut über die klimatischen Bedingungen klagte wie der italienische Trainer Cesare Prandelli.

Dafür ist es doch ganz gut gelaufen, mit Platz drei und einer Halbfinalniederlage im Elfmeterschießen gegen Weltmeister Spanien. So schlecht sieht es also gar nicht aus für seine Mannschaft in der jüngsten Bilanz gegen ihre Risikogruppengegner. Prandelli hat denn auch gesagt, für ihn seien die Costa Ricaner der schwerste Gegner, „weil wir so wenig über sie wissen“.

Hat Zinedine Zidane also doch ein gutes Händchen bewiesen. Und was seine persönliche Loyalität zu seiner alten Heimat betrifft: Da gibt es noch eine Pointe. Zidanes Vater wanderte Anfang der Sechziger Jahre aus Algerien nach Frankreich ein, Zinedine selbst ist in Marseilles nordafrikanisch geprägtem Problemviertel La Castellane groß geworden. Die algerischen Fußballspieler hatten am Freitag in Costa do Sauipe ebenfalls ein Plätzchen im zweiten Lostopf erhalten. Zidane loste sie in Gruppe H zu Belgien, Russland und Südkorea. Bis heute hat sich keiner der Beteiligten über eine Todes- oder Risikogruppe beschwert.

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