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Goldjunge: David Storl siegte beim Kugelstoßen in Daegu.

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Update

WM-Gold im Kugelstoßen: Das erwachsene Kind: David Storl wird Kugelstoßweltmeister

Kugelstoßer David Storl gewinnt bei der Leichtathletik-Weltmeisterschaft in Daegu in Südkorea die Goldmedaille, weil er sehr schnell Wettkampfhärte entwickelt hat.

Dieses Lachen, dieses gelöste Lachen vor dem letzten Versuch, das war eigentlich ein deutlicher Hinweis: Leute, von mir kommt nichts mehr, die Spannung ist raus. David Storl, der 21-Jährige, plauderte entspannt mit Ralf Bartels, seinem fast väterlichen Kumpel. Für Bartels war das Kugelstoß-Finale schon zu Ende, mit 20,14 Meter war er nicht in den Endkampf gekommen. Aber eigentlich hatte auch Storl den Wettkampf seines Lebens schon hinter sich. Er hatte bei der Leichtathletik-WM 21,60 Meter gestoßen und seine persönliche Bestleistung um 55 Zentimeter gesteigert, er lag auf Platz zwei, er konnte locker ein letztes Mal in den Ring steigen. Dann stieß er nochmal, starrte der Kugel nach, und dann, ja dann riss Storl die Arme hoch und schrie in die Nacht. 21,78 Meter, David Storl aus Döhlen bei Chemnitz war Weltmeister. Vor Dylan Armstrong (Kanada/21,64), vor Andrej Michnewitsch (Weißrussland/21,40). Und vor den Weltstars aus den USA. Ein 21-Jähriger mit den sanften Gesichtszügen eines Teenagers ist der erste deutsche Weltmeister im Kugelstoßen. Und der Jüngste noch dazu. „Ich bin megastolz“, sagte Storl. „Ich wollte doch nur unter die ersten Sechs kommen.“ Für seine Verhältnisse klangen die Sätze emotional, normalerweise brummt er. Und dann hat er gelacht, so ungezwungen, wie ein Kind, das zum ersten Mal eine schwierigere Turnübung bewältigt hat. Storl sieht immer noch aus wie ein Schüler, der Angst vor der ersten Tanzstunde hat. „Er ist immer noch wie ein großes Kind“, sagte sein Trainer Sven Lang vor der WM. Aber dieses Kind ist extrem schnell erwachsen geworden, das ist die Geschichte hinter diesem Gold. Erwachsen im Sinne von Wettkampfhärte. David Storl hat eine Nervenstärke entwickelt, die fast unglaublich ist.

Es gibt andere Bilder von Storl, sie sind zwei Jahre alt. Da stand der 19-jährige Storl in der WM-Qualifikation von Berlin. Er hatte eine Bestweite von 20,43 Meter, aber er schied mit 19,19 Meter aus. Einige der Gegner, die er gestern besiegte, die hatten den Neuling schon beim Einstoßen mit ihren Tricks zermürbt. Immer wieder stießen sie erschreckend weit, beobachtet von einem zunehmend nervöseren Storl. Doch der merkte nicht, dass es leichtere Kugeln waren. „Er muss verlieren lernen, das bringt ihn weiter“, sagte Bartels damals. 2009 holte er Bronze. Gestern wurde er Zehnter.

Wird Storl von seiner eigenen Größe erdrückt?, das war im Grunde genommen bis gestern die Frage bei Storl. U-18- und U-20-Weltmeister, „Jahrhunderttalent“ (ein Bundestrainer), Zahlen und Titel schufen das Bild eines Athleten, den immer größere Erwartungen unter zunehmend größeren Druck setzten. Lang hatte nach der WM 2009 Angst, dass die Pleite Storl nachhaltig belasten könnte. „Die Frage ist, wie er den Übergang zu den Erwachsenen hinbekommt“, sagte auch Bartels. Er war 27, als er erstmals über 21 Meter stieß. Storl schaffte es als 20-Jähriger. Er hatte keinen Einbruch, obwohl er nur 121 Kilogramm wiegt. Aber im Ring ist keiner schneller als er. EM-Fünfter (2010), Vize-Weltmeister in der Halle (2011), und im Juni dann der symbolisch aufgeladene Stoß: Storl übertraf erstmals die 21-Meter-Marke (21,03). Aber würde er auch bei der WM bestehen? Das war die Frage. Doch dann erreichte Storl in der Qualifikation 21,50 Meter und brummte: „Ich hoffe, im Finale geht’s ein bisschen weiter.“

Vermutlich hat diese Nervenstärke auch damit zu tun, dass er immer noch der unkomplizierte Junge aus Döhlen ist. Storl liefert keine Sprüche, er bedient nicht die Leute, die ihn mit ihren Hymnen größer machen wollen, als er sich fühlt. 2011 hat er Bartels sportlich überholt, den Mann, der ihn durch seine Dominanz immer wieder gepuscht hat und den er als Rivalen braucht. Aber Storl zeigt unverändert Respekt vor dem zwölf Jahre Älteren, mit dem er das Zimmer teilt. So einer verkrampft nicht angesichts der eigenen Bedeutung.

„David wird 2012 Olympiasieger“, hatte Ex-Weltrekordler Udo Beyer im Juni gesagt. „Ach, das nehme ich nicht so ernst“, hat Storl nur gebrummt. Aber gestern legte einer nach. „David hat das Zeug, Olympiasieger zu werden.“ Es war Dylan Armstrong. Der Vize-Weltmeister.

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