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WM Kolumne: Die Vielfalt macht’s Anouschka Bernhard über Frankreichs gutes Nachwuchssystem –

und seine Gefahren

Frankreich hat tollen Wein, leckeres Essen – und jetzt können die Französinnen auch noch Fußball spielen! Vor zehn Jahren waren sie im Frauenfußball noch total unbedeutend, heute stehen sie gegen England im Viertelfinale der WM. Das liegt wohl auch daran, dass es in Frankreich ein sehr gutes zentrales Ausbildungszentrum gibt, in dem der Verband die begabtesten Spielerinnen schon frühzeitig zusammenzieht. Das System funktioniert: Am Donnerstag habe ich mit meiner deutschen U-16-Nationalmannschaft gegen Frankreich nur 1:1 gespielt. Die Französinnen hatten dabei einen sehr ausgeglichen Kader. Früher gab es vielleicht eine herausragende Spielerin – und dann kam lange nichts mehr. Das ist auch sicher eine Auswirkung der neuen Struktur im Jugendbereich und wird sich irgendwann auch im Erwachsenenbereich bemerkbar machen. Man sieht, dass viel in den Nachwuchs investiert wird, die Spielerinnen spielen alle auf einem hohen technischen Niveau.

Ich habe gegenüber diesem zentralen Ausbildungssystem allerdings auch Bedenken, weil es keine vielfältigen Ausbildungswege gibt. Das birgt auch Gefahren. So bekommen alle Spielerinnen mehr oder weniger dieselben Inhalte vermittelt, von denselben Trainern. Dadurch kennen sie nur eine Philosophie – das ist bei uns in Deutschland anders. Die deutschen Nachwuchsteams spielen zwar auch alle im 4-2-3-1, das die A-Nationalmannschaft praktiziert, da gibt Silvia Neid den Takt vor und alle müssen sich daran halten. Doch die Vereine stehen bei uns viel mehr in der Pflicht, die meiste Arbeit wird in den Nachwuchsmannschaften der Klubs geleistet. Wir haben die Spielerinnen in den Jugendnationalteams nur einmal pro Monat für ein paar Tage zusammen.

Das Team ist dadurch nicht konform, nicht gleichförmig. Es gibt sehr unterschiedliche Typen. Das ist wie in der Schule: Wenn ich verschiedene Lehrer habe, muss ich mich auch auf verschiedene Charaktere einstellen. Es bringt die Spielerinnen weiter, wenn sie auf der Vereinsebene andere Dinge erfahren. Das macht es auf der einen Seite für uns Jugendnationaltrainer nicht einfacher, weil man nicht ein Schlagwort benutzen kann, und alle wissen sofort, was sie damit anfangen sollen. Andererseits lebt eine Mannschaft auch immer von ihrer Mischung, von ihren Unterschieden. Das ist auch bei der deutschen A-Nationalmannschaft ganz offensichtlich: Eigentlich wollen die deutschen Frauen viel kombinieren, mit Kurzpassspiel. Mit Lira Bajramaj kannst du aber kein Kurzpassspiel machen – wenn die den Ball hat, siehst du ihn erst zehn Minuten später wieder. Es ist aber gut für jede Mannschaft und jeden Trainer, wenn es diese unterschiedlichen Qualitäten in einem Team gibt und du die verschiedenen Typen zusammenmixen kannst.

An dieser Stelle wechseln sich DFB-Jugendtrainerin Anouschka Bernhard, der Schriftsteller Moritz Rinke, Turbine Potsdams Coach Bernd Schröder und der langjährige Bundestrainer Gero Bisanz ab.

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