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WM Kolumne: Kleine Riesen und weise Worte

Es war eine schöne Zeit, diese Frauenfußball-WM, findet Moritz Rinke. Er hat bei diesem Turnier Xavi und Astrid Lindgren gefunden.

Ich bin Japan-Fan! Ich weiß zwar nie, welche japanische Spielerin gerade welche ist, aber ich glaube, ich finde Saki Kumagai, Nahomi Kawasumi und Homare Sawa zum Niederknien. Alle kleiner als die Eckfahne, aber sie spielen wie die größten. Barcelona hat Xavi, Japan diese Homare Sawa! Neben der hochverehrten US-Löwin Hope Solo, die, wenn sie entscheidende Elfmeter tötet an ihren Vater denkt, der als Einsiedler in den Bergen lebte, ist diese Homare Sawa für mich Spielerin des Turniers. Oder doch die riesige Abby Wambach?

Es war eine schöne Zeit, diese WM. Vor dem Turnier hatte ich keinen blassen Schimmer vom Frauenfußball, jetzt kenne ich plötzlich lauter Geschichten und Legenden von glücklichen und traurigen Heldinnen.

Die Größe der fallenden Birgit Prinz war etwas, was man zuletzt ansatzweise bei Oliver Kahn erlebt hatte, als er dem Feind Lehmann die Hand reichte. Die Nordkoreanerinnen, die angeblich vom Blitz getroffen worden waren und am Ende doch nur anabole Steroide eingenommen hatten. Oder Marta, die brasilianische Zauberin, die alles kann, aber doch nicht geliebt wurde, weil man spürte, dass sie nur für sich spielte. Ganz anders Pia Sundhage, die schwedische Trainerin der Amerikanerinnen, sie war meine Lieblingstrainerin der WM. Wie eine Mischung aus Astrid Lindgren und Ariane Mnouchkine saß sie da auf ihrer Bank, sah sanft und weise zu und sprach im Gegensatz zur deutschen Trainerin von eigenen taktischen Fehlern. Oder der französische Trainer Bruno Bini, was für ein gesitteter, entspannter Franzose (ist man ja gar nicht mehr gewohnt). „Das Leben bleibt schön“, sagte Bruno Bini nach der Niederlage im Halbfinale. Man denke nur, was bei uns Deutschen wieder los war ! Weltuntergang ... Interessant auch, dass unsere deutschen Frauen sich monatelang vorbereiteten auf das Planziel, und die Japanerinnen gar nicht.

Einer der berührendsten Momente war der Auftakt der kleinen Frauen-WM „Discover Football“ im Kreuzberger Willy-Kressmann-Stadion. Frauen aus Afrika, Asien und Südamerika reisten an, die Mannschaft aus Afghanistan musste absagen. Und die Spielerinnen aus Kamerun und Togo setzten sich vor dem Finale ab, sie waren plötzlich verschwunden. Falls sie irgendwo in diesem Land gefunden werden sollten, droht ihnen die Abschiebung. Das sind dann Geschichten rund um den Fußball, gegen die unser deutsches WM-Drama laut Bruno Bini eine wahre Glücksgeschichte ist.

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