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Sport: WM-Qualifikation: 90 Minuten mit Michael Ballack. Wie der Leverkusener das Spiel gegen Finnland erlebte

Manchmal werden Helden spät geboren. In der Arena Auf Schalke läuft bereits die Nachspielzeit, als Michael Ballack die Chance erhält, seinen Namen unvergesslich zu machen.

Manchmal werden Helden spät geboren. In der Arena Auf Schalke läuft bereits die Nachspielzeit, als Michael Ballack die Chance erhält, seinen Namen unvergesslich zu machen. 91 Minuten, 12 Sekunden zeigt der Videowürfel über dem Spielfeld an. Ballack kommt im Strafraum an den Ball, hat nur noch Torhüter Antti Niemi vor sich. Elf Meter zur Unsterblichkeit, zum neuen deutschen Fußball-Helden. Ballack schießt, Niemi hält. Kein Tor, kein Sieg, kein Held. Ob Ballack das jemals werden wird, bleibt auch nach dem Spiel gegen Finnland unklar. Er verfügt über außergewöhnliche Fähigkeiten, aber er steht auch ein bisschen für die Misere des deutschen Fußballs.

An guten Tagen passt sich Ballack einer guten Mannschaft mühelos an. Aber wann hatte die Nationalmannschaft zuletzt gute Tage? Im August beim 5:2 gegen Ungarn. Da war Ballack verletzt. An schlechten Tagen hingegen ist er wie so viele deutsche Fußballer nur selten in der Lage, die Kollegen aus der Lethargie zu reißen. 76 Minuten sind gegen die Finnen bereits vorüber, als der Mittelfeldspieler von Bayer Leverkusen zum ersten Mal in einen Schuss grätscht. "Wenn Ballack den Ball erkämpft, bleibt sein Trikot zumeist sauber", hat der "Spiegel" über ihn geschrieben. Jupp Heynckes hat Ballack einmal bescheinigt, dass er "etwas antriebsarm wirkt". Während des Spiels läuft Ballack konstant in gemütlichem Schritttempo. Er sprintet nicht, grätscht nicht, foult selten. Vier Zweikämpfe bestreitet Ballack gegen die Finnen. Er gewinnt alle vier. Zufall? Können? Feigheit? Oder ein Zeichen dafür, dass er über ein hohes Maß an Spielverständnis verfügt? Vielleicht erkennt Ballack einfach, wann er grätschen muss und wann es sinnlos wäre.

Wenn Gerhard Schröder der Brioni-Kanzler ist, dann ist Ballack ein Prada-Fußballer. "Wie ein Dressman" kommt er seinem Vereinsmanager Reiner Calmund vor. Ballack wirkt arrogant; das mag mit seiner Größe zusammenhängen und damit, dass er sein Kreuz immer durchdrückt. Er wirkt behäbig; das könnte an seinen leichten O-Beinen liegen. "Meine Spielweise sieht manchmal etwas lässig aus", sagt Ballack. "Das kann man nicht abstellen, damit ist man geboren."

In Gelsenkirchen verkriecht sich Ballack im Mittelfeld: da, wo es nicht wehtut, wenn es nicht wehtun soll; aber eben auch da, wo eine Entscheidung eingeleitet werden kann - mit einem Ballgewinn, einem überraschenden Pass, einer schnellen Aktion. Ballack gelingt das nicht. 52-mal berührt er den Ball, zwölfmal landen seine Zuspiele beim Gegner. Nach einer Viertelstunde rückt er von der rechten Seite in die Zentrale. Und bleibt doch eine Randfigur. Als Ballack das erste Mal aufs Tor schießt, sind 91 Minuten und 12 Sekunden gespielt. Es wäre ein guter Zeitpunkt für neue Helden gewesen.

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