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Der letzte Jubel. Vor über einem Jahr, im September 2015, erzielte Ilkay Gündogan sein bisher letztes Auswahltor. Es war der Treffer zum 3:2-Sieg im EM-Qualifikationsspiel im Hampton Park zu Glasgow gegen Schottland.

© dpa

WM-Qualifikation gegen Tschechien: Joachim Löw und die Qual der Wahl im Mittelfeld

Durch die Rückkehr von Ilkay Gündogan verschärft sich der Konkurrenzkampf im Nationalteam. Gegen Tschechien wird Bundestrainer Löw aber wieder Toni Kroos und Sami Khedira im zentralen Mittelfeld aufbieten.

Karel Jarolim ist im Moment nicht gut auf den deutschen Fußball zu sprechen. Das hängt damit zusammen, dass er sich in den vergangenen Tagen intensiv auf das WM-Qualifikationsspiel gegen die Nationalmannschaft vorbereitet hat. Dem Seelenheil des 60 Jahre alten tschechischen Nationaltrainers war das alles andere als zuträglich. „Je häufiger ich ihre Spiele sehe, umso mehr regt es mich auf, wie gut sie sind“, hat Jarolim in einem Interview mit dem „Kicker“ über die Deutschen gesagt. Sein Kollege Joachim Löw, 56, hat hingegen am Freitag vor dem Spiel in Hamburg (20.45 Uhr, live bei RTL) einen gar nicht aufgeregten Eindruck gemacht. Dabei nimmt er die Tschechen durchaus ernst, er hält sie sogar für den stärksten Gegner in der deutschen Qualifikationsgruppe. „Mannschaften ohne große Namen sind immer gefährlich“, sagt Mittelfeldspieler Sami Khedira.

Zum Glück ist der Umkehrschluss nicht zulässig. Denn an großen Namen besteht bei den Deutschen kein Mangel. Mit Ilkay Gündogan vom Premier-League-Spitzenreiter Manchester City hat Bundestrainer Joachim Löw sogar noch einen weiteren hinzu- respektive zurückbekommen. 330 Tage hat Gündogan nicht mehr für die Nationalmannschaft gespielt. „Ich hatte gar nicht auf dem Schirm, dass es so lange her ist“, sagt der 25-Jährige. Möglicherweise kam ihm die Absenz auch deshalb nicht so lang vor, weil er in seiner Karriere schon Schlimmeres erlebt hat; weil Gündogan nicht nur die Europameisterschaft in diesem Sommer verpasst hat, sondern auch die Weltmeisterschaft vor zwei Jahren, als er wegen einer Rückenverletzung sogar 422 Tage überhaupt keinen Sport treiben konnte.

Von seiner Begabung her hätte Gündogan in der Nationalmannschaft längst eine tragende Rolle spielen müssen; wegen seiner körperlichen Gebrechen aber ist er immer noch nicht über den Status des Versprechens hinausgekommen. Lächerliche 16 Länderspiele hat er bisher bestritten, nur eine Turnierteilnahme steht in seinem Lebenslauf: die EM 2012, bei der er allerdings keine einzige Minute zum Einsatz kam. „Ich habe es definitiv nicht mit Absicht gemacht, mich kurz vor den Turnieren zu verletzen“, sagt Gündogan.

Gündogan drängt vermutlich mit Macht in die Startelf

In den Planungen des Bundestrainers spielt er immer noch und wieder eine wichtige Rolle. „Er hat uns schon auch gefehlt“, sagt Löw im Rückblick auf die Europameisterschaft, als er verstärkt auf Bastian Schweinsteiger zurückgreifen musste, der nachweislich nicht im Vollbesitz seiner körperlichen Kräfte war. Gündogan ist kein Schweinsteiger-Klon in jung, auch wenn nach dem Rücktritt des bisherigen Kapitäns verstärkt entsprechende Vergleiche angestellt werden. Gündogan ist dynamischer, er denkt und spielt offensiver. „Er ist jemand, der ein Spiel immer sehr positiv beeinflussen kann, der die Fähigkeit hat, eine Situation schnell zu erkennen“, sagt Löw. Auch als Persönlichkeit schätzt der Bundestrainer den Mittelfeldspieler, „seine Ausstrahlung auf dem Platz ist sehr gut“. Die körperliche Unversehrtheit vorausgesetzt, könnte Gündogan „für unser Spiel in Zukunft sehr wichtig sein“, sagt Löw.

Das wirft allerdings die Frage auf, wie der Bundestrainer das Besetzungsproblem im Mittelfeld zu lösen gedenkt. „Es gibt gar nix zu lösen“, antwortet der Bundestrainer. Gegen die Tschechen wird Gündogan erst einmal auf der Bank Platz nehmen, weil Löw Toni Kroos und Sami Khedira im zentralen Mittelfeld aufbieten wird. Dieses Paar sei eingespielt, Gündogan hingegen fehlten nach seiner langen Pause „noch ein paar Spiele zur Topform“.

Am Dienstag, in Hannover gegen Nordirland, könnte es schon wieder anders aussehen, und auf Dauer drängt Gündogan vermutlich mit Macht in die Startelf. Aber wer soll dann für ihn weichen? Die Qualität im deutschen Mittelfeld ist so hoch, dass es jemand wie Gonzalo Castro trotz starker Leistungen bei Borussia Dortmund nicht einmal in den Kader schafft. Dazu gibt es mit dem 21 Jahre alten Julian Weigl, Castros Klubmitspieler, ebenfalls noch einen jugendlichen Herausforderer, dem Löw „eine extrem gute Spielauffassung und eine extrem gute Technik“ attestiert.

„Zum Glück muss ich die Entscheidung nicht treffen“, sagt Sami Khedira, für den der Bundestrainer eigentlich immer einen Platz gefunden hat und der sich trotzdem zumindest latent immer wieder infrage gestellt fühlt. Khedira gilt vielen am ehesten als entbehrlich, weil er am Ball nicht so geschmeidig wirkt wie Kroos oder Gündogan. „Die Diskussion macht mich müde“, sagt er, erkennbar genervt. „Sie interessiert mich null Komma null.“ Musste sie bisher auch nicht. Sami Khedira sagt: „Ich habe immer gespielt.“

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