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Sport: WM-Qualifikationsspiel: Die neue Sachlichkeit

Die Welt ist wohl wieder einmal nicht untergegangen. Zumindest macht es von den Höhen Siegburg-Kaldauens aus nicht den Anschein.

Die Welt ist wohl wieder einmal nicht untergegangen. Zumindest macht es von den Höhen Siegburg-Kaldauens aus nicht den Anschein. Im Gegenteil: Alles ist so, wie es immer ist, wenn die Fußball-Nationalmannschaft zu Besuch kommt. Es regnet. Nationalmannschaftswetter. Ein bisschen passt das zur Atmosphäre im DFB-Quartier. Eher unaufgeregt geht es vor dem WM-Qualifikationsspiel gegen Albanien zu.

Daran haben auch die Schlagzeilen in dieser Woche nichts geändert. Zuerst war es Oliver Bierhoffs Forderung nach einem Stammplatz, der die Nation bewegen sollte; dann Christian Zieges Lamento über seine zuletzt unmaßgebende Rolle in der Nationalelf, aber für Ziege scheint sich niemand mehr zu interessieren; gestern schließlich erschien das mächtigste aller deutschen Presseorgane mit der sensationellen Überschrift "Rudi: Ich trete sofort zurück".

Ganz sofort natürlich nicht. Sondern nur für den Fall, dass Rudi Völler mit der Nationalmannschaft die Qualifikation für die Weltmeisterschaft 2002 verpassen sollte. Völler bestritt, dass hinter seiner Aussage in der "Bild"-Zeitung ein tieferer Sinn gesteckt habe. "Jugendlicher Leichtsinn" sei das gewesen, ein Satz, "aus dem Zusammenhang herausgerissen", überhaupt "nichts Sensationelles". Für den Fall des Scheiterns in der WM-Qualifikation sei es doch selbstverständlich, "dass dann ein Neuer kommen muss". Zumal Völlers Vertrag ohnehin nur bis 2002 läuft.

Die neue Sachlichkeit, die mit Rudi Völler eingekehrt ist, steht in deutlichem Gegensatz zur öffentlichen Hysterie um seine Person. Thorsten Frings aus Bremen, der erst zum zweiten Mal zum Kader gehört, sagt zwar, dass Völler "auch auf den Tisch haut, wenn es sein muss", aber davon erführe die Öffentlichkeit ganz bestimmt nichts.

Durch sein unaufgeregtes Verhalten beugt Völler Spekulationen vor, dass die Nationalmannschaft bald wieder in eine kritische Situation geraten könnte. Nach dem Ausscheiden bei der EM galten die Deutschen auf Generationen hinaus als nicht mehr konkurrenzfähig. Dann kam Völler - und schon soll alles wieder gut sein? Mit denselben Spielern, die sich in Holland und Belgien am Rande der Lächerlichkeit bewegten?

Die Begegnung gegen Albanien könnte für Völler zu einer Art Schlüsselspiel werden. Jeder erwartet einen Sieg. Natürlich. Ein "sehr undankbares Spiel" sei das, sagt Mittelfeldspieler Mehmet Scholl. Wenn die Deutschen gewinnen, ist das die normalste Sache der Welt. Wenn nicht, "heißt es: Nicht mal mehr gegen Albanien können die gewinnen." Andererseits hat die Mannschaft die Möglichkeit, sich mit dem dritten Sieg im dritten WM-Qualifikationsspiel das Selbstvertrauen zurückzuholen, das Ende Februar in Paris verloren gegangen ist. Völler war wohl selbst überrascht von der "Ängstlichkeit, die wir gegen Frankreich an den Tag gelegt haben".

Dass sich dies heute wiederholt, steht zunächst einmal nicht zu befürchten. Das Bedrohungspotenzial der Albaner ist im Vergleich zu dem der Franzosen eher gering. Zudem findet Rudi Völler vor dem Spiel nahezu ideale Bedingungen vor. Zum ersten Mal hatte er fünf Tage Zeit, die Spieler auf die Begegnung vorzubereiten.

Außerdem findet die Begegnung in der Leverkusener Bayarena statt, in jenem Stadion also, in dem Völler seine Karriere beendet hat. Spekulationen über ein Ende der allgemeinen Rudi-Euphorie sind angesichts dieses Heimvorteils wohl hinfällig. Völler selbst findet sogar, "dass wir versuchen müssen, sachlich zu bleiben". Er jedenfalls ist weiterhin davon überzeugt, "dass die Zuschauer an uns glauben". An ihn auf jeden Fall.

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