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Vorspielen für die Zukunft. Das irische Nationalteam mit Interimstrainer Noel King hat nur noch minimale Chancen auf die Teilnahme an der WM 2014.

© dpa

WM-Qualifikationsspiel: Irland muss die Klischees vergessen

Nach der Trennung von Giovanni Trapattoni will sich der irische Fußball neu erfinden. Dazu müssen Sportdirektor Ruud Dokter und Interimstrainer Noel King erst einmal alte Stereotypen wegräumen.

Joachim Löw kennt sich aus mit Klischees. Und damit, sie zu widerlegen. Der Bundestrainer hat großen Anteil daran, dass der deutsche Fußball inzwischen nicht mehr nur gefürchtet, sondern auch wieder bewundert wird. Kämpfen, rennen und am Ende ein glückliches Tor nach einer Ecke schießen – das war einmal. Am Mittwoch bediente sich Löw bei seiner Einschätzung des kommenden Gegners Irland dann aber selbst aus der Klischeeschublade: „Die Iren fighten bis zum Umfallen (...) mit maximalem Körpereinsatz und sehr kompakter Verteidigung“, sagte er bei der Pressekonferenz in Düsseldorf. Diese Art von Kompliment kam in Irland allerdings nicht besonders gut an. Von einem "Löw blow" (eine Anspielung auf den englischen Begriff für "Tiefschlag") schrieb der „Irish Independent“. Schließlich habe Irland auch technisch versierte Spieler wie Liam Brady, John Giles und Johnny Carey hervorgebracht.

Trotzdem wird auf der grünen Insel eingeräumt, dass Giovanni Trapattoni mit seiner Vorliebe für große, robuste Spieler diese Klischees sogar verstärkt hat. Nachdem der Vertrag mit dem Italiener im September aufgelöst wurde, will sich der irische Fußball neu erfinden. Unter dem Interimstrainer Noel King und dem neuen niederländischen Sportdirektor Ruud Dokter will er den Klischees entkommen.

Nach Meinung der meisten Iren hat Trapattoni den irischen Spielern nicht zugetraut, überhaupt schönen Fußball spielen zu können. Damit soll er seinen Spielern auch die Unbekümmertheit genommen haben. Als Irland sich für die EM 2012 qualifiziert hatte, war vom typisch verrückten irischen Optimismus kaum etwas zu sehen. So ängstlich war noch keine irische Mannschaft bei einem großen Turnier aufgetreten. Und so verwundert es auch nicht, dass im Rückblick auf die EM nur die Stimmung im grünen Fanblock positiv in Erinnerung geblieben ist.

Johnny Giles brachte die Enttäuschung darüber am besten zum Ausdruck: „Trapattoni hat sich für diese Spielweise entschieden, ohne seinen Spielern eine Alternative zu lassen. Dabei hat er als Juventus-Trainer früher auch nicht nur auf lange Bälle gesetzt“, sagte die irische Fußballlegende im September.

Nun gibt es zwar neue Hoffnung, aber noch keinen neuen Trainer. King ist nicht als langfristige Lösung vorgesehen, was seine Aufgabe nicht leichter macht. Nach der Trennung von Trapattoni sind viele Spieler wieder in den Fokus gerückt, die vom Italiener aussortiert worden waren. Zum Beispiel Darron Gibson und Andy Reid, die sich mit Trapattoni überworfen hatten oder andere wie Shane Long und Wes Hoolahan, die zuletzt kaum zum Einsatz gekommen waren. Mit diesen Spielern muss King den Grundstein für die neue Ära legen. Die Qualifikation für die WM 2014 ist so gut wie verpasst, auch deshalb ist der irische Verband entschlossen, sich mit der Entscheidung für einen Nachfolger Zeit zu lassen. Dennoch sind Ruud Dokter und der ehemalige Liverpool-Star Ray Houghton schon jetzt damit beschäftigt, einen neuen Trainer zu finden, mit dem der Neuanfang gelingen soll. Und dieser Umbruch ist nach Meinung vieler Experten durchaus möglich.

Andy Reid meinte erst diese Woche, dass irische Spieler taktisch flexibler seien, als Trapattoni geglaubt habe. „Die meisten von uns spielen Woche für Woche in wechselnden, verschiedenen Systemen für unsere Klubs“, erklärte der Profi von Nottingham Forest.

Zudem hat Dokter allein schon durch seine Herkunft für Aufregung gesorgt. Da ein Niederländer den neuen Trainer mit aussuchen darf, werden in den Medien Dick Advocaat, Guus Hiddink und der frühere Assistenztrainer von Manchester United, Rene Meulensteen, gehandelt. Solche Gerüchte passen gut zur Idee einer Revolution im irischen Fußball. Dagegen hat der zuletzt in Sunderland tätige und als Favorit gehandelte Martin O’Neill selbst immer eher auf defensiv-orientierten Konterfußball gesetzt. Die totale Offensive will Dokter jedoch nicht einführen: „Man kann nicht einfach die anderen Nationen oder Mannschaften wie den FC Barcelona imitieren. Wir müssen die guten Sachen ihrer Spielweise mitnehmen, aber die irische Leidenschaft behalten.“

Anders formuliert will Dokter einen Trainer finden, der seinen eigenen Weg geht und die irischen Fußballklischees vergessen lässt. Einen Typ, der für Irland das schafft, was Joachim Löw mit Deutschland gelungen ist.

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