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Jähes Ende. Die Japanerinnen jubeln, Babett Peter (l.) und das deutsche Team sind im WM-Viertelfinale 2011 gescheitert.

© picture alliance / dpa

WM-Viertelfinale gegen Frankreich: Deutsche Frauen wollen WM-Trauma von 2011 überwinden

Deutschlands Fußballerinnen wollen heute ins WM-Halbfinale einziehen und 2011 endgültig hinter sich lassen. Nach dem Aus bei der Heim-WM hat sich einiges geändert - auch bei der Bundestrainerin.

Wenn die deutschen Fußballerinnen im Olympiastadion von Montreal gegen Frankreich antreten, werden sie kurz vor dem Anpfiff wieder ihren Kreis bilden und „Are you ready? Toi toi toi!“ brüllen. Sie vermitteln derzeit in allen Belangen den Eindruck, bereit zu sein. Bereit für das WM-Viertelfinale am Freitag (22 Uhr, live im ZDF) gegen den Geheimfavoriten. Und bereit dazu, das Trauma vom 9. Juli 2011 zu überwinden, als in ebendieser Runde beim Heimturnier mit einem 0:1 nach Verlängerung gegen Japan der Traum vom dritten WM-Stern platzte.

So, wie sich derzeit Gastgeber Kanada durch die WM krampft, dessen Trainer John Herdman als Mindestziel das Finale formuliert hat, so litt vor vier Jahren die DFB-Elf unter dem geballten Erwartungsdruck.

In Erinnerung blieb der großspurige Werbeslogan von ARD und ZDF: „Dritte Plätze sind etwas für Männer.“ Nach dem Ausscheiden rang die Organisationschefin Steffi Jones auf der Fan-Meile in Frankfurt am Main mit Tränen in den Augen um Worte. Sinnbild der Niederlage war Kim Kulig, die diesmal nur als TV-Expertin im Stadion sein wird. Kuligs Kreuzband riss in Wolfsburg gegen Japan bereits nach vier Spielminuten. Bis heute hat sie kein richtiges Comeback geschafft.

Im Gegensatz zu ihr hat die deutsche Mannschaft die Rückkehr zu alter Stärke geschafft. Und die Bundestrainerin Silvia Neid hat sich gewissermaßen neu erfunden – nicht nur mit einer kürzeren, jünger wirkenden Frisur. Ihre neue Gelassenheit in bisher jeder WM-Pressekonferenz („Huch, ich weiß gar nicht mehr, welchen Wochentag wir haben“) steht auch für die neue Lockerheit des Teams. Zum Wohlfühlklima gehört laut Neid, dass auf den Hotelfluren immer viele Türen offenstehen, jeder reinschauen und kommunizieren kann. „Bei der WM 2011 waren auf einmal alle Türen zu, weil jeder erst mal mit dieser ungewöhnlichen Situation klarkommen musste“, sagte Neid der „Frankfurter Rundschau“. Im Nachgang des Turniers 2011 nach einer Aussprache hatte sie allen Spielerinnen das „Du“ angeboten. Neid hat auch selbstkritisch zugegeben, im Umgang mit den Spielerinnen und in der Menschenführung dazugelernt zu haben.

Eine, die damals von Neid in der Pressekonferenz nach dem 0:1 gegen Japan unglücklich herausgepickt worden war, war Alexandra Popp. Obwohl sie damals nur eingewechselt wurde und mit 20 Jahren die Jüngste war. Davon ist nichts geblieben, auch nicht bei der 2011 gar nicht erst nominierten Anja Mittag, die mit fünf Toren zusammen mit Celia Sasic die Torschützenliste des Turniers anführt. Popp wurde in Montreal gefragt, was das aktuelle Team denn noch stärker als das 2011 mache. Ob es der Charakter der Mannschaft sei, der Zusammenhalt oder die spielerische Qualität? „Es sind alle Komponenten“, sagte die Wolfsburgerin. „Es ist der Mix, den wir haben, der total gut harmoniert. Wir haben alle miteinander total viel Spaß, wir lachen viel. Wir wissen aber auch, zum richtigen Zeitpunkt die Ernsthaftigkeit an den Tag zu legen.“ Genauso sei auch die spielerische Qualität gestiegen: „Wenn wir wechseln, haben wir keinen Qualitätsverlust.“

Die vielen jungen Nationalspielerinnen, darunter die Stammspielerinnen Melanie Leupolz und Leonie Maier, machen den Kader nicht nur zum ausgeglichensten aller WM-Teilnehmer. Neid meinte im Turnierverlauf auch, dass man die Jungen brauche, „weil die hungrig und teilweise noch total unbelastet sind. Und das tut so einem Mannschaftsleben einfach auf dem Platz gut – und auch neben dem Platz.“ Auch eine Lehre aus 2011, als die „Goldene Generation“ der zweifachen Weltmeisterinnen überaltert war.

Ein Meilenstein auf dem Weg zwischen 2011 und heute war die Europameisterschaft 2013 in Schweden, als die DFB-Auswahl extrem verletzungsgeschwächt, nicht immer mit schönstem Fußball, aber mit großem Zusammenhalt zum achten Mal Europameister wurde. „Laganda“ (Schwedisch für „Teamgeist“) hieß damals der Leitspruch des Teams, den alle Spielerinnen auf Armbändchen trugen.

Damals bewies sich auch Silvia Neid, dass sie es noch kann. Und sie hat sich nach eigenen Worten „ziemlich verliebt“ in ihr Team. Auch die Bundestrainerin kann heute jenes Spiel gegen Japan hinter sich lassen, das sie lange Zeit beschäftigt hat.

Inga Radel

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