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Gleichzeitigkeit der Ereignisse: Foul und Schwalbe gibt es nach den Regeln nicht, das Foul wird primär beurteilt. Und das hat der Schiedsrichter aus Portugal getan.

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WM2014 - Riesendebatte um Arjen Robben: Foul oder Schwalbe?

Schwalbe oder Foul – eine der Urfragen im Fußball. Arjen Robbens theatralischer Fall wird weltweit diskutiert. Wir haben einen Fifa-Schiedsrichter befragt und die Regeln studiert Danach ist die Sache eindeutig: Ein klarer Elfmeter für Holland!

Foul ist, wenn der Schiedsrichter pfeift. Das ist die einfachste aller Fußball-Regeln, aber wenn man sich daran halten würde, wäre Fußball langweilig. Keiner würde sich aufregen! Hollands Arjen Robben ist es zu verdanken, dass nach dem Spiel zwischen Holland und Mexiko bei der Fußball-WM in Brasilien über den ganzen Erdball hinweg mal wieder heftig diskutiert wird. Foul oder Schwalbe – eine der Urfragen des Fußballs.

Der Schiedsrichter stand sehr gut

Laut Regel 12 der Fifa-Gesetzgebung hat der Schiedsrichter auf Strafstoß zu entscheiden, wenn ein Spieler im Strafraum „einen Gegner tritt oder versucht, ihn zu treten, einem Gegner das Bein stellt oder es versucht…“ In der Auslegung der Spielregeln der Fifa für Schiedsrichter steht zudem, dass auch auf Foul zu entscheiden sei, wenn „Fahrlässigkeit“ vorliegt. Die liegt vor, wenn „ein Spieler unachtsam, unbesonnen oder unvorsichtig in einen Zweikampf geht“. Bei Fahrlässigkeit gibt es keine Gelbe Karte. Mexikos Kapitän Rafael Marquez hat auch keine bekommen. Schiedsrichter Pedro Proença aus Portugal stand optimal an der Strafraumgrenze mit gutem Blick auf die Szene. Für diesen Text haben wir mit einem Fifa-Schiedsrichter aus Deutschland gesprochen, der nicht namentlich genannt werden will, weil er bald wieder Bundesliga-Spiele zu pfeifen hat. Mit Arjen Robben. Für den renommierten Schiedsrichter war die Szene mit Robben eindeutig: „Der Abwehrspieler lässt das Bein stehen – das ist Foul.“

Schmerzensmann im Strafraum: Arjen Robben hat mit seiner theatralischen Einlage beim Achtelfinale Niederlande - Mexiko die Debatte um Schwalben und deren Ahndung erneut angeheizt.
Schmerzensmann im Strafraum: Arjen Robben hat mit seiner theatralischen Einlage beim Achtelfinale Niederlande - Mexiko die Debatte um Schwalben und deren Ahndung erneut angeheizt.

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Arjen Robben hebt theatralisch ab

Robben aber hebt theatralisch ab, die Arme fliegen hoch, und das ist auch der Grund, warum nicht nur die sozialen Netzwerke voll sind mit Vorwürfen, der Niederländer habe sich absichtlich oder übertrieben fallen gelassen. „Robbed“– titelte eine Zeitung und meinte, Mexiko wurde der Sieg gestohlen. Für den Schiedsrichter aber ist Schauspielerei dann Nebensache, wenn deutlich ein Foul vorliegt. Dass ein Spieler wie Robben nachhilft und spektakulär fällt, „ist Teil seines Jobs“, sagt unser Schiedsrichter. „Ist nicht schön, gehört aber dazu.“
In den Diskussionsrunden jenseits des Platzes geht es immer wieder auch um „Gerechtigkeit“. Eine Leserin fragt: Sei es nicht gerechter, wenn ein Foul vorliegt, aber gleichzeitig eine solche Showeinlage erfolgte, dass dann nicht gepfiffen wird? Der Fifa-Schiedsrichter sagt: „Nein. Damit würde man die Regel brechen. Foul ist Foul, Schwalbe ist Schwalbe.“ Generell lässt sich sagen: Ein Schiedsrichter versucht immer, eine klare Situation zu erkennen. Spieler, die viele Schwalben machen, bekommen eher weniger Frei- oder Strafstöße zugesprochen. Weil sie die Situation „unklar“ machen. Trotzdem kann der Schiedsrichter einen notorischen „Schauspieler“ in einem persönlichen Gespräch auf dem Feld ermahnen. Und, wenn es „Schwalbe“ war, die Gelbe Karte zeigen.

Die Frage: Ist das foulende Bein aktiv?

Die Uefa fordert von ihren Schiedsrichtern auch, dass sie bei übertriebener Gestik, oder auch der Einforderung einer Bestrafung für den Gegner, beiden Spielern Gelb geben. Auch die Fifa folgt tendenziell dieser Auslegung. Der DFB, das bestätigen auch andere deutsche Schiedsrichter, ist da eher zurückhaltend. Nach dem Motto: Wenn die Sache sowieso klar ist, sollen andere die schauspielerische Leistung beurteilen. Wir bleiben bei den Fakten! Das Spiel Holland gegen Mexiko bietet jedenfalls gute Beispiele für korrekte Regelauslegung. Dreimal kam Robben im Strafraum zu Fall, beim ersten Mal sah es so aus, als ob ihn sogar zwei Spieler foulen. Doch zu dieser Szene sagte Robben, da habe er eine Schwalbe gemacht. Er betonte aber ausdrücklich, dass es um die Situation in der ersten Halbzeit ging und nicht um die spätere. Viele beurteilten aber aufgrund dieser Szene den Pfiff des Schiedsrichters kurz vor dem Ende als Konzessionsentscheidung. Und auch der von uns befragte Schiedsrichter gibt zu, dass man eine mögliche Fehlentscheidung "das ganze Spiel über mit sich herumträgt", es einen also indirekt beeinflusst.

Robben bedauerte am Montag sogar seine ehrliche Aussage und meinte: "Ich dachte immer, Ehrlichkeit währt am längsten. Aber das scheint nicht der Fall zu sein. Es ist eine Schande." Damit meinte er, dass man ihn bewusst falsch verstanden habe, indem es hieß, er habe gestanden, am Ende des geschauspielert zu haben.

Aber eine andere Szene war noch aufschlussreicher für die Regelkunde: Denn es kommt immer darauf an, ob der Spieler in ein Bein hineinläuft und zu Fall kommt oder ob das Bein, das foult, dabei „aktiv“ ist. Einmal liegt Robben am Boden, rappelt sich wieder auf und fällt über das Bein seines Gegners. Kein Elfmeter! Später, beim Foul von Marquez, das kann man sich in den Videoaufzeichnungen angucken, geht das Bein aktiv in Richtung Robben. „Selten dämlich“, schrieb der Tagesspiegel-Autor, sei der Abwehrspieler vorgegangen, „fahrlässig“ lautet das korrekte Wort in der Regelauslegung. Elfmeter!

Übrigens findet der von uns befragte Bundesliga-Referee auch den Elfmeter für Brasilien im Spiel gegen Kroatien nicht „ungerecht“. Es habe eine Berührung gegeben, und es käme darauf an, zu beurteilen, ob der Verteidiger womöglich schon öfter im Spiel versucht habe, sich mit der Hand einen Vorteil zu verschaffen und ob diese kurze Berührung ausgereicht habe, um Fred aus dem Gleichgewicht zu bringen. Der Schiedsrichter müsse konsequent einer Linie folgen. Erst lasch und später kleinlich, ist schlecht. In der Regelauslegung heißt es: „Halten liegt vor, wenn ein Spieler seinen Gegner durch den Einsatz von Händen oder Armen... daran hindert, an ihm vorbei- oder um ihn herumzulaufen.“ Unser Fifa-Schiedsrichter hat den Anspruch, dass es „gerecht“ zugeht, gerecht im Sinne des Regelwerks. Dazu gehört der Versuch der einheitlichen Regelauslegung. Beispielsweise wurde Mitte der 90er Jahre damit begonnen, Fouls von hinten konsequent mit Rot zu ahnden, auch bei den gefährlichen Ellbogenstößen in der Luft gehen die Schiedsrichter weltweit hart dagegen vor. „Ein Beispiel dafür, wie der Fußball durch Regeln gerechter wird“, sagt der Fifa-Schiedsrichter und freut sich schon auf die nächste Diskussion.

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