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Sport: Wo die Sonne nicht mehr scheint

Nach dem 0:1 in Kaiserslautern steht Bayer Leverkusen zum ersten Mal auf einem Abstiegsplatz

Kaiserslautern. Sie hatten jene Fotos aus dem Archiv geholt, die symbolhaft für Abstiegsdrama stehen. Wie Rudi Völler den weinenden Andreas Brehme an der Brust hat und wie auf der Tribüne der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck seinen Nachbarn Norbert Thines tröstet, damals im Mai 1996 und in der wohl schlimmsten Stunde des Pfälzer Traditionsklubs Chef des 1. FC Kaiserslautern. Fast sieben Jahre später hatte Reiner Calmund die schicksalhafte Neuauflage jener Bundesliga-Geschichtsstunde mit dem Spruch eingeleitet: „Wenn wir auf dem Betzenberg gewinnen, dann steigen wir garantiert nicht ab." Diese Garantie kann Calmund nun nicht einfordern. Bayer unterlag Lautern 0:1 und steht nun, zum ersten Mal in dieser Saison, auf einem Abstiegsplatz.

Um sich aus ihrem sportlichen Elend zu befreien, hätten die Profis von Leverkusen mehr Mut gebraucht. Ein Stück Entschlossenheit vor dem Tor oder vielleicht auch einmal ein Quäntchen Glück. Courage und der unbedingte Wille, einen Sieg zu erzwingen, sind Eigenschaften, die seit einiger Zeit dem Lauterer WM-Helden Miroslav Klose wieder nachgesagt werden. Gegen dessen Kopfballtreffer in der 40. Minute hatten die Abwehrspieler des Konzernklubs keine Chance. Kloses achtes Tor machte am Ende den Unterschied im Abstiegskampf aus. Trainer Erik Gerets sprach später davon, er gehe zu 80 Prozent davon aus, dass Miro auch in der kommenden Saison bei uns spielt“. Davon war Klose ein wenig überrascht. „Wegen der wirtschaftlichen Probleme in Kaiserslautern liegt das nicht allein in meiner Hand“, sagte der Stürmer. Und: „80 Prozent scheint mir sehr optimistisch geschätzt.“

Dank Klose kletterten die Lauterer gleich um drei Ränge in der Tabelle auf Platz elf. Weil sich dessen Gegenüber Berbatow und auch sonst keine Bayer-Angreifer ähnlich in Szene setzen konnten, stürzte die Champions-League-Finalisten des Vorjahres nun in eine Region, „wo die Sonne nicht mehr scheint“, wie Manager Calmund ganz malerisch die Aussichten eines Sechzehnten beschrieb.

Der belgische Fußball-Lehrer Erik Gerets, den man in der Pfalz schon jetzt für den immer wahrscheinlicheren Klassenerhalt verantwortlich macht, konnte sich nur über das Ergebnis und die Klasse-Vorstellung Kloses freuen. Unverständlich erschien es selbst dem Trainer, wie nervös und ängstlich seine Mannschaft auftrat, nach einer Serie mit acht Spielen ohne Niederlage hätte Gerets mehr Selbstvertrauen von seinen Leuten erwartet. Doch weil außer Klose nur noch Lokvenc, Sforza und der Kameruner Tchato Normalform zeigten, erspielte sich die Elf von Trainer Hörster eindeutige Feldvorteile. Bayer hätte ein Unentschieden verdient gehabt, so Gerets zum Kollegen, doch von diesen Komplimenten kann man sich unterm Bayer-Kreuz nichts kaufen.

Hoffnung schöpfen der schwergewichtige Manager Calmund und dessen Expertenrunde bei Bayer aus dem Kalender: Nach zwei Monaten mit englischen Wochen glaubt das Bayer-Ensemble nach Beendigung des Champions-League-Engagements nun an „Chancengleichheit in den letzten acht Bundesliga-Runden“. Zudem zeigte die Formkurve bei Bernd Schneider nach zuletzt fast schon rufschädigenden Vorstellungen auf dem Betzenberg wieder nach oben. „Eine ähnliche Steigerung muss auch bei unseren anderen Nationalspielern kommen“, verlangt Calmund, „sonst…“ Den Satz von der zweiten Liga wagte er dann doch nicht zu Ende zu sprechen.

Martin Hägele

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