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Sport: Wo gehts nach Hause? Die Türken wollen ihr Team nicht mehr anfeuern

Da hilft nur noch beten, glaubt Ahmet Cakar. „Allah steh’ uns bei“, schrieb der türkische Sportkommentator in der Zeitung „Sabah“ vor dem EM-Spiel der Türken gegen den Gastgeber Schweiz am Mittwoch.

Da hilft nur noch beten, glaubt Ahmet Cakar. „Allah steh’ uns bei“, schrieb der türkische Sportkommentator in der Zeitung „Sabah“ vor dem EM-Spiel der Türken gegen den Gastgeber Schweiz am Mittwoch. Cakars Pessimismus steht stellvertretend für die Gemütsverfassung in der türkischen Presse und bei den Menschen auf der Straße. Nach der schwachen Leistung bei der 0:2-Auftaktniederlage gegen Portugal ist die Stimmung am Bosporus düster. „Wenn wir mit dieser Mannschaft die Gruppenphase überstehen, ist das eine Schande für den Fußball“, hieß es in der Zeitung „Hürriyet“. Eine erneute Niederlage der Türken am Mittwoch würde das Aus bei ihrer erst dritten EM-Teilnahme bedeuten. Da die Schweizer nach ihrem verlorenen Auftaktspiel eine ähnliche Ausgangsposition haben, besitzt die Partie in Basel eine gewisse Brisanz.

Das lässt ungute Erinnerungen wach werden: Nach einem WM-Qualifikationsspiel zwischen beiden Ländern im November 2005 in Istanbul hatten türkische Spieler und Betreuer nach dem Abpfiff auf dem Spielfeld und im Kabinengang Schweizer Spieler angegriffen und verletzt; ein Schweizer musste sogar ins Krankenhaus. In ersten Reaktionen hatte die türkische Öffentlichkeit damals den Schweizern die Schuld an der Prügelei gegeben. Schließlich setzte sich aber auch in der Türkei die Erkenntnis durch, dass die Gewalt von den Türken ausgegangen war. Zeitungen berichteten damals, Nationaltrainer Fatih Terim habe seinen Spielern den Befehl zum Zuschlagen gegeben.

Obwohl eine weitere Begegnung beider Mannschaften friedlichverlief, befürchten viele, dass sich die unschönen Szenen vom November nun in Basel wiederholen könnten. Die meisten Fußballfans in Istanbul glauben das aber nicht. Die Schweizer könnten unbesorgt sein, sagt der Lastwagenfahrer Ali Bilgin: „Ach, mit diesen Zwischenfällen haben wir längst abgeschlossen.“ Tatsächlich ist drei Jahre nach dem Skandalspiel zumindest in der türkischen Öffentlichkeit die damalige Aggressivität und Rechthaberei einer weit verbreiteten Resignation gewichen. Einige türkische Fans, die zur Europameisterschaft in die Schweiz geflogen waren, wollten Presseberichten zufolge nach dem enttäuschenden Auftaktspiel schon wieder nach Hause. Andere stornierten ihre Hotelbuchungen in der Schweiz und flogen gar nicht erst los.

Normalerweise begleiten die Türken die Live-Übertragungen von Spielen ihrer Mannschaft in Wohnzimmern und Kneipen mit lautstarken Jubelgesängen. Doch beim Spiel gegen die Portugiesen am Samstagabend herrschte eine deprimierende Stille. Im Mittelpunkt der Kritik steht Nationaltrainer Terim, der seinerseits beschwichtigend die Hände hebt, wenn er auf eine mögliche Wiederholung der Prügelei mit den Schweizern angesprochen wird. „Aus unserer Sicht ist diese Sache erledigt“, sagt Terim. Wir müssen in die Zukunft schauen.“

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