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Sport: Wolfgang Behrendt: Der erste Box-Olympiasieger der DDR

Als Knirps kannte ich die Namen vieler Olympiasieger von 1936 auswendig. Ich hatte sie wie ein Gedicht gelernt: Owens, Salminen, Son, Woellke, Stück, Mauermeyer, auch die der beiden deutschen Goldboxer Kaiser und Runge.

Als Knirps kannte ich die Namen vieler Olympiasieger von 1936 auswendig. Ich hatte sie wie ein Gedicht gelernt: Owens, Salminen, Son, Woellke, Stück, Mauermeyer, auch die der beiden deutschen Goldboxer Kaiser und Runge. Der Fliegen- und der Schwergewichtler. Vor 1936 und danach, bis Melbourne 1956, trug sich kein weiterer deutscher Faustkämpfer ins "Goldene Buch" ein, und so fiel es mir nicht schwer, Wolfgang Behrendts Triumph vom 1. Dezember 1956 richtig einzuordnen.

Ich hockte am Ring des West Melbourne Stadiums, und 8000 Zuschauer waren aus dem Häuschen. Beim Schildern des Bantamgewichts-Finals verstand ich mein eigenes Wort nicht mehr. Immer wieder bimste ich mir ein: bleib ruhig, sprich langsam, damit zu Hause überhaupt etwas ankommt. Dann, in der dritten Runde, gingen mir doch die Pferde durch. Dazu geschah - wie sich später herausstellte - das Schlimmste für einen Reporter: kein Empfang in der Heimat. Die entscheidende Runde 3 blieb auf der Ätherwellen-Strecke. Futsch! Behrendt, Ur-Berliner, im Wedding geboren, in Weißensee aufgewachsen, flachst bis heute: "Dass du dabei k. o. gegangen bist, naja ..."

Ja, ich fluchte, tagelang. Mit der Technik Mächten ist kein Bund zu flechten. Denn immerhin bedeutete Wolfgang Behrendts Sieg in der 54-Kilogramm-Klasse den dritten Box-Olympiasieg eines Deutschen überhaupt, und für den DDR-Sport war es die allererste Goldmedaille.

Behrendt, heute 64, begann nach dem Krieg in einer privaten Boxschule in der Weißenseer Langhansstraße. "Zu den Anfängern zählten da auch Bubi Scholz und Gerhard Hecht. Ich ging dann zu Einheit Weißensee, und über Jahre wurde Hans Borowski mein Trainer und väterlicher Freund. In Melbourne gegen Song aus Korea stand allerdings Erich Sonneberg als einer der Trainer der gesamtdeutschen Mannschaft in meiner Ecke", sagt Behrendt heute.

201 Kämpfe, dabei nur acht Niederlagen, sind Behrendts stolze Bilanz. "Bei der EM 1959 in Luzern boxte ich gegen den Russen Safronow, der Olympiasieger in Melbourne war, im Federgewicht den schwersten Kampf meiner Laufbahn - und gewann", erzählt der gelernte Pressefotograf, Kameramann und Hobbytrompeter, mit dem ich schon viele Programme bestritt. Sein Sohn Mario (40) wurde drei Mal DDR-Boxmeister und war Olympiateilnehmer 1980 in Moskau. Seit Jahren ist er Betriebsdirektor vom Samsung-Fernsehwerk Schöneweide - eine weitere Behrendt-Verbindung nach Korea.

Olympiasieger Wolfgang Behrendt feierte 1988 bei den Spielen in Seoul ein Wiedersehen mit Soon-Chung Song, seinem Finalpartner von Melbourne. "Das war von den Leuten des Pressezentrums organisiert, eine prima Idee."

Behrendts Kommentar zum heutigen Profiboxen fällt kurz und knapp aus, wie ein Großteil seiner Siege. "Mit unserem Boxen hat das kaum noch zu tun. Das ist Zirkus."

Heinz-Florian Oertel

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