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Schon wieder ein Volltreffer. Big Papi (M.) beweist auch mit der Champagnerflasche seine Zielgenauigkeit.

© dpa

World Series im Baseball: Big Papi führt Boston zum Titel

David Ortiz treibt seine Boston Red Sox mit unkonventioneller Spielweise und bewegenden Worten zum US-Baseballtitel.

Als sich David Ortiz den schwarzen Motorradhelm auf der Spielerbank über den Kopf stülpte, konnte nichts mehr schiefgehen. Sekunden später warf Teamkollege Koji Uehara ein paar Meter entfernt den letzten Strike der World Series in der Major League Baseball (MLB). Die Zuschauer im Fenway Park verfielen endgültig in kollektive Ekstase, auf dem Feld liefen die Spieler der Red Sox jubelnd zusammen – Ortiz mit seinem Motorradhelm und einer Schneebrille mittendrin. 6:1 gewann Boston das sechste Finalspiel gegen die St. Louis Cardinals, die Best-of-Seven-Serie 4:2 und damit die achte Meisterschaft der Vereinsgeschichte. Nachdem in den Jahren 2004 und 2007 der finale Sieg auswärts errungen worden war, glückte Boston der Titelgewinn nun erstmals seit 95 Jahren wieder daheim.

„Die World Series zu gewinnen, ist etwas ganz Spezielles. Aber dieser Sieg bedeutet mir von allen Titeln am meisten“, sagte Ortiz später. Und er kann es wie kein anderer beurteilen. Als Einziger seines Teams war der 1,93 Meter große und 113 Kilogramm schwere Koloss schon bei den beiden letzten Meisterschaften dabei. Doch wie nie zuvor trug der 37-jährige Ortiz sein Team in den Finalspielen gegen die Cardinals auf seinen breiten Schultern. Der Gegner schaffte es einfach nicht, Ortiz zu stoppen. Im sechsten Spiel am Mittwoch kapitulierte St. Louis schließlich und ließ Ortiz freiwillig auf Base, um den Schaden zumindest in Grenzen zu halten. Ohne Erfolg. „Er ist heiß gelaufen, heißer als irgendjemand sonst“, musste Cardinals-Manager Mike Matheny später zugeben und flüchtete sich in Sarkasmus: „Wenn einer eine Idee hat, was wir hätten tun sollen: Ich bin ganz Ohr.“ Nur logisch, dass der in der Dominikanischen Republik geborene Schlagmann zum wertvollsten Spieler (MVP) der World Series gewählt wurde.

Dabei spielt Ortiz auf einer Position, die im Baseball höchst umstritten ist. Er ist der sogenannte Designated Hitter, ein Spieler, der nur in der Offensive eingesetzt wird. Für Aufgaben in der Feldverteidigung kommt er aufgrund seiner Unbeweglichkeit nicht infrage – normalerweise. Doch weil in der World Series die Meister der American League und der National League aufeinandertreffen, gelten in den Finalspielen je nach Austragungsort unterschiedliche Regeln. Im Stadion der American League wird mit Designated Hitter gespielt, in der National League hingegen gibt es diese Position gar nicht, die für viele Baseball-Puristen ohnehin ein Ärgernis ist. Red-Sox-Manager John Farrell musste vor den Spielen in St. Louis eine schwere Entscheidung treffen: Soll mein bester Offensivmann nur auf der Bank sitzen oder soll er auf ungewohnter Position an der ersten Base mitverteidigen? Farrell entschied sich für das Risiko und wurde nicht enttäuscht. Ortiz produzierte offensiv Schlag auf Schlag und leistete sich in der Defensive keinen einzigen Fehler.

Und als den Red Sox im vierten Spiel der 1:3-Rückstand nach Siegen drohte, versammelte Ortiz seine Mannschaftskollegen in einer Spielpause um sich und motivierte sie mit einfachen, aber klaren Worten: „Es hat sechs Jahre gedauert, bis ich es wieder in die World Series geschafft habe. Also nutzt diese Gelegenheit – wer weiß, ob sie so schnell wieder kommt.“ Ansprachen dieser Art von Ortiz haben Seltenheitswert. Als er 2003 nach Boston kam, konnte er sich nicht einmal die Namen der Mitspieler merken und nannte sie einfach alle „Papi“. Auch deshalb wird er heute allenthalben nur „Big Papi“ genannt und ist der absolute Publikumsliebling in Boston. Längst vergessen sind die Dopinganschuldigungen von vor zehn Jahren. Im US-Baseball ist das ein Thema, über das zu jener Zeit ohnehin lieber geschwiegen wurde. Und da es offiziell keine positive Dopingprobe gab, konnte Ortiz immer mehr oder minder guten Gewissens seine Unschuld beteuern.

Und was er für Boston inzwischen bedeutet, zeigte sich nach den Bombenanschlägen beim Boston Marathon im April. Wenige Tage später war es Ortiz, der sich im Fenway Park an alle Bostoner richtete und sagte: „Das ist unsere verdammte Stadt. Und niemand wird uns unsere Freiheit nehmen können. Bleibt stark.“ Dass diese Ereignisse nicht vergessen sind, machte Ortiz am Mittwoch bei der Siegerehrung noch einmal deutlich: „Wir alle haben im Frühjahr eine Menge durchgemacht, aber wir haben zusammengehalten. Und jetzt sind wir hier. Genießt die Zeit.“

Seinen Worten ließ er wenig später selbst Taten folgen. In der Kabine der Red Sox floss der Champagner in Strömen. Doch Ortiz blieb dank Motorradhelm und Schneebrille auch hier immer Herr der Lage.

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