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WRITERS  Corner: Gefährliches Terrain

Der Olympiapark ist ein bestens gesichertes Gelände, Soldaten suchen unter jedem Bus mit Spiegeln nach Bomben. Um den Park wurde ein altbaudeckenhoher Zaun gezogen und unter Strom gesetzt.

Der Olympiapark ist ein bestens

gesichertes Gelände, Soldaten suchen unter jedem Bus mit Spiegeln nach Bomben. Um den Park wurde ein altbaudeckenhoher Zaun gezogen und unter Strom gesetzt. Aber jedes Sicherheitskonzept hat eine Lücke. Den gefährlichsten Ort im Olympiapark haben sie irgendwie vergessen. Hier verstecken sich die professionellen Schläfer. Und es werden jeden Tag mehr.

Den „Quiet Room“ im Hauptpressezentrum kann man einfach so betreten, man muss nur die Klinke runterdrücken. Genau darin liegt auch das unkalkulierbare Risiko. Ich bin froh, wenn ich nicht allzu oft daran vorbeilaufen muss. Es könnte schlimme Folgen haben. Für mich. Für die Leser. Vielleicht auch für den „Quiet Room“. Wenn ich aber doch mal in der Nähe bin, weiß ich, wie sich Odysseus gefühlt haben muss, als ihn die Sirenen mit ihrem Gesang betörten.

Als die Spiele und auch wir Reporter noch frisch waren, habe ich manchmal durch den Glasbaustein in der Tür hineingeschaut. Am ersten Tag war der „Quiet Room“ noch leer, wobei die Formulierung gähnend leer in diesem Fall nicht angebracht ist. Innen stehen etwa 30 Liegen mit verführerisch-ergonomischen Kurven. An der Wand hängen Bilder von ganz normalen Menschen, nicht von diesen durchtrainierten Olympioniken. Ein Foto einer Blumenwiese soll ebenfalls über die Gefahr hinwegtäuschen, die von diesem Raum ausgeht. Mit den Tagen, mit all den Eindrücken von erschöpften Athleten, füllte sich der „Quiet Room“. Ich schätze, es ging bei manchen mit einem harmlosen Mittagsschläfchen los. Inzwischen ist das Ganze jedoch ausgeufert. Olympischer Gigantismus eben. Immer mehr Liegen sind belegt. Manche ziehen sich ihre Kapuze über die Augen. Aber es gibt auch welche, die sich schon eine Schlafbrille mitbringen und sich richtig zudecken. Mit dem ursprünglichen Amateurideal hat das nichts mehr zu tun.

In unserer Kolumne wechseln sich die Korrespondenten Friedhard Teuffel und Frank Bachner mit dem britischen Autor Roger Boyes und der deutschen Hockeyspielerin Natascha Keller ab.

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